Ein Klub mit Schlagzeilen für den Boulevard waren die Handballer der Wölfe Würzburg, ehemals DJK Rimpar Wölfe, im regionalen Spitzensport selten. Und doch haben sie in zehn Jahren in der Zweiten Bundesliga einiges erlebt, das in Erinnerung bleibt.
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Nun steht ihr Abstieg in die Dritte Liga nach der Jubiläumssaison fest. In einem Rückblick in zehn Punkten lassen wir sportliche Höhepunkte, prägende Figuren und ein gescheitertes Projekt noch mal Revue passieren.
1. Der Aufstieg
Es war der 27. April 2013, der drittletzte Spieltag in der Dritten Liga Ost, als sich auf den Rängen der Rimparer Dreifachsporthalle per Flüsterpost eine Nachricht verbreitete. Auf dem Spielfeld lagen die Wölfe gegen den Dessau-Roßlauer HV mit 14:16 zurück, doch der HSC Bad Neustadt hatte soeben mit 24:28 in Pirna verloren. Das bedeutete: Rimpar war an der Tabellenspitze nicht mehr einzuholen.
Dass die Meisterschaft im ersten Moment bittersüß schmeckte, weil am Ende mit dem 22:23 bei der ersten Heimniederlage in jener Saison ein Törchen fehlte, um sich den Traum vom Aufstieg aus eigener Kraft zu erfüllen, dürften die meisten im Rausch vergessen haben. Der begann, als Meistermacher Jens Bürkle plötzlich aus der Mitte des Mannschaftskreises wie ein Sektkorken aus einer Flasche in die Höhe ploppte. Die Zuschauer sangen "Zweite Liga – Rimpar ist dabei", und die Spieler feierten in grünen T-Shirts, auf denen nur ein Wort prangte: "Legendär".
2. Die goldene Generation
Ohne die Geschichte der goldenen Generation lässt sich die der Wölfe nicht erzählen. Es ist die Geschichte, die die vergangenen 16 Jahre des Handballs in Rimpar geprägt hat. Die die Protagonisten noch ihren Enkeln erzählen werden. Die den kleinen Dorfverein hat groß werden lassen. Eine recht einzigartige Geschichte im deutschen Handball, so viel Nostalgie darf sein.
Sie erzählt im Kern von vier Kumpels seit Kindheitstagen, die schon in der Jugend zusammenspielten und Aufstiege von der Landes- bis in die Zweite Bundesliga feierten: Stefan Schmitt, Sebastian Kraus, Julian Sauer und Max Brustmann – Letzterer mit einem Intermezzo in Bad Neustadt. "Sowas mit dem Heimatverein zu erleben, das ist wirklich einmalig", sagte Sauer, der 2022 als Letzter der Vier seine Zweitliga-Karriere beendete und in dieser Saison ebenso wie Schmitt aus Personalnot noch mal ein kurzes Combeback gab. "Wir waren Freunde, die der Spaß am Handball verbunden hat." Begleitet hat sie in all den Jahren Josef Schömig, bis heute Co-Trainer, der mal erzählte: "Ich war ein bisschen wie der Papa für den ganzen Haufen."
Die Spieler der goldenen Generation prägten als Identifikationsfiguren und Feierabend-Profis das Gesicht des Vereins. Ihre Geschichte ist zu Ende. Doch sie lebt durch Einzelne weiter in der Philosophie des Vereins, für den die Urgesteine den Grundstein legten: mit Talenten aus der eigenen Jugend und der Region im deutschen Profi-Handball mitzumischen. Dazu gehört noch immer Dominik Schömig, der etwas später zur goldenen Generation stieß, oder etwa auch Felix Karle, der in jungen Jahren nach Rimpar kam. Beide verlängerten ihre Verträge auch für die Dritte Liga.
3. Die Trainer
Fünf Trainer haben den Weg der Wölfe vorgegeben: Jens Bürkle (2012 – 2015), Matthias Obinger (2015 –2019), Ceven Klatt (2019 – Mai 2021), Rolf Brack (Mai – Juni 2021) und Julian Thomann (seit Juli 2021 und noch bis Saisonende). Meilensteine in der Vereinsgeschichte gesetzt haben die ersten beiden: Bürkle mit dem Zweitliga-Aufstieg 2014, Obinger mit dem Fast-Aufstieg in die Erste Liga 2017.
Der Ehrgeiz und die Akribie der beiden 1980 geborenen Sportwissenschaftler fiel in Rimpar auf fruchtbaren Boden. Sie beackerten ihn mit Herzblut und Humor in einem sehr speziellen Vereinsumfeld, in dem viele familiär und freundschaftlich miteinander verbunden sind.
Wer der bessere Trainer von ihnen beiden sei, wurden die beiden Ende 2017 gefragt, bevor sie als Coaches von Rimpar und Balingen aufeinandertrafen. "Ich glaube nicht, dass man die Frage so beantworten kann", antwortete Bürkle damals: "Weil es gute oder schlechte Führung im Sport nicht gibt, die gibt's nur im Knast." Entscheidend sei der Erfolg – und den hatten beide.
4. Die Geschäftsführer
Ein Rimparer Sohn brachte Jens Bürkle als Freund aus Balingen mit und ebnete zusammen mit ihm den Weg in den Profihandball: Daniel Sauer. 2012 kehrte der Rückraumlinke nach acht Jahren und mehr als 200 Bundesliga-Spielen beim HBW Balingen-Weilstetten zu seinem Heimatklub zurück. Dort übernahm er neben der Rolle als Führungsspieler (bis 2014) auch die des Co-Geschäftsführers, bevor er Ende 2015 Vorstandsvorsitzender beim damaligen Fußball-Zweitligisten Würzburger Kickers wurde.
Seither ist sein Vater Roland Sauer wieder alleiniger Chef der Wölfe Würzburg GmbH, die 2011 (noch unter dem Namen DJK Rimparer Wölfe GmbH) vom Gesamtverein ausgegliedert wurde, um das finanzielle Risiko von diesem zu nehmen. Der 69-Jährige ist eine Mischung aus Patriarch und Macher, ein "Visionär" und "Mensch von Zahlen", wie der Diplom-Informatiker und -Betriebswirt selbst sagt.
Wirtschaftlich führt der frühere Leistungsschwimmer seinen Laden inzwischen als geschäftsführender Gesellschafter. Der im Liga-Vergleich seit jeher schmale Saisonetat, der laut Sauer 2018/19 den Höchststand von rund 930.000 Euro erreicht hatte, ist nach der Corona-Pandemie noch mal deutlich schmäler geworden, die Kluft zu den meisten anderen Zweitligisten inzwischen riesig.
5. Der Hallenumzug und der Publikumsschwund
Noch heute weinen manche in Rimpar den Zeiten in der heimischen "Hölle Nord" hinterher, wo der Ruf des "gallischen Dorfs" geprägt wurde. Doch wirtschaftlich und werbungstechnisch war es ein professioneller Schritt des Klubs, dieses in die Stadt zu verpflanzen: Ab 2015/16 zogen die Wölfe endgültig für alle Heimspiele in die Würzburger Arena um. Dort passen dreimal so viele Menschen rein wie in die Dreifachsporthalle.
Allerdings lässt das Publikumsinteresse nicht erst seit Corona nach. Kamen in der Rekordsaison 2015/16 insgesamt 39.250 Zuschauerinnen und Zuschauer – knapp 2000 pro Partie -, waren es 2018/19 nur noch 30.925, im Schnitt 1627. Gründe dürften sein, dass alle Zweitliga-Spiele längst live im Internet zu sehen sind und sportliches Mittelmaß nicht so attraktiv ist wie Aufstiegskampf. Aber wohl auch, dass bei einigen die Identifikation mit dem "Dorf der Unbeugsamen" verloren ging.
2020/21 sanken die Zuschauerzahlen – auch bedingt durch Corona-Restriktionen in Bayern – schließlich auf das Rekordtief von 12.213, durchschnittlich 642 pro Spiel. Die Pandemie überlebten die Wölfe dennoch, vor allem dank der Nothilfe vom Bund und Kurzarbeit.
Die Fans aber sind nicht in die Halle zurückgekommen: Auch in dieser Saison schauten im Schnitt nur 700 zu. Damit sind die Wölfe auch in dieser Wertung Liga-Schlusslicht.
6. Das gescheiterte Projekt
Es war ein Personalcoup in der überschaubaren Würzburger Sportwelt: Nach dem Abgang von Daniel Sauer präsentierten die Rimparer am 17. März 2016 einen neuen Manager: Jochen Bähr, früher Boss von Basketball-Bundesligist s.Oliver Baskets, bildete fortan die Doppelspitze mit Geschäftsführer Roland Sauer und sollte sein gutes Netzwerk für Marketing und Vertrieb einbringen.
Auf einer Pressekonferenz kündigten die beiden an, den Klub professionalisieren zu wollen und riefen das ambitionierte Projekt „Rimparer Wölfe 2020“ aus. Dessen Ziel: den Dorfverein zu einem der Top-25-Klubs in Deutschland zu machen. Der damalige Etat von 600.000 Euro sollte binnen vier Jahren verdoppelt werden.
Das Projekt floppte. Nach fast genau einem Jahr endete im März 2017 die Zusammenarbeit schon wieder. Sauer kündigte Bähr. Über die Gründe wurde der Mantel des Schweigens ausgebreitet.
7. Der Fast-Aufstieg
Mit fünf Eigengewächsen, einem Kader zu zwei Dritteln aus Franken und den einheimischen Trainern Matthias Obinger und Josef Schömig spielten die Handballer aus der 8000-Einwohner-Marktgemeinde im Sommer 2017 um den Aufstieg in die Erste Bundesliga und entfachten in der Region einen Handball-Hype.
Der dramatische Aufstiegskampf gipfelte für die Rimparer am 10. Juni in Lübeck – wo der Höhe- gleichzeitig zum Tiefpunkt wurde. Vor den Augen ihrer rund 250 mitgereisten Fans verloren die Wölfe in der "Hansehölle" mit den Nerven auch das Herzschlagfinale beim VfL Bad Schwartau.
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Der Schmerz nach dem 29:31 war förmlich zu greifen, die Bilder gravierten sich ins Gedächtnis ein. Die Spieler sanken auf den Boden und weinten zum Teil bitterlich. "Daran werde ich mich auch in zehn Jahren als Erstes erinnern", sagte Obinger.
Drei Törchen fehlten den Rimparern am Ende der Saison ihres Lebens zur Sensation. Sie rutschten von Rang zwei noch auf vier ab, die letzten beiden Bundesliga-Plätze sicherten sich der TV Hüttenberg und die TSG Ludwigshafen-Friesenheim. "Trotzdem bleibt der mit so vielen Einheimischen errungene Erfolg einmalig", resümierte Obinger.
8. Die Topspieler
In Rimpar, so floskelte man seit jeher, ist die Mannschaft der Star. Aus der Not, sich keinen echten Star leisten zu können, haben die Wölfe lange eine Tugend gemacht. Und doch stechen aus dem Kollektiv ein paar Typen heraus, die das Spiel statistisch gesehen mehr geprägt haben als andere.
Zwischen den Pfosten stand über viele Jahre eine Wand: Max Brustmann, Spitzname "The Wall", gehörte konstant zu den Toptorhütern der Liga. In 240 Zweitliga-Spielen kam er laut Klubstatistiker Josef Schömig auf 3173 Paraden, davon 257 Siebenmeter – eine Quote von 38,6 Prozent. Herausragend.
Nicht nur dank Brustmann gehörte die Deckung regelmäßig zu den besten der Liga. Das war auch das Verdienst der Abwehrchefs, das sich kaum in Zahlen messen lässt. Allen voran war der langjährige Kapitän Stefan Schmitt als emotionaler Anführer stets Vorbild.
Im Angriff drückten zwei noch Aktive dem Spiel ihren Stempel auf: der aktuelle Kapitän Patrick Schmidt (31) und Steffen Kaufmann (30). Spielmacher Schmidt ist in der aktuellen Saison erneut Toptorjäger seines Teams, Kumpel Kaufmann im rechten Rückraum in Summe der Jahre immer noch Würzburgs bester Werfer. Das einst vom TV Großwallstadt geholte Duo gehört längst zum Wölfe-Inventar.
9. Die Randgeschichten
Unvergessen bleibt auch manche Geschichte abseits von Spielfeldern. Eine kuriose ereignete sich am 3. September 2016: Damals verpassten die Wölfe den Saisonstart beim Wilhelmshavener HV wegen einer Zugpanne. Auf dem Weg Richtung Nordsee blieb ihr ICE wegen eines technischen Defekts in einem Tunnel stecken. Der Tross wartete stundenlang an einem Bahnhof auf Ersatz, kehrte dann wieder um; das Spiel musste nachgeholt werden.
Dass Fairness keine Frage der Liga, sondern der Haltung ist, bewies im September 2017 Steffen Kaufmann. Im Heimspiel gegen den ASV Hamm-Westfalen gab er zu, in der 57. Minute ein Tor per Fuß statt per Hand erzielt zu haben. Die Gäste, die 25:24 gewannen, feierten ihn danach in den Sozialen Medien. Bei der jährlichen Aktion "Fair ist mehr" der "Main-Post" wurde Kaufmann für seine Geste als Sieger gekürt.
Vorbildlich ist auch das karitative Engagement der Wölfe: Seit vielen Jahren engagieren sich die Handballer für den Verein "Hilfe im Kampf gegen Krebs e.V." und stellen dafür wechselnde Botschafter, aktuell Julius Rose.
10. Der Abstieg
Zum Auftakt ihrer Jubiläumssaison standen Trainer Julian Thomann und sein Team mit sieben Abgängen und fünf Neuzugängen vor ihrem bisher größten Umbruch. Dass es am Ende nicht zum Klassenerhalt reichen würde, war schon am Anfang zu befürchten.
Seit Freitagabend, 12. Mai, steht der Abstieg der Wölfe Würzburg nach zehn Jahren in der Zweiten Bundesliga fest. Letztlich ist es ein Abstieg mit Ansage, der den Handball in der Region ein Aushängeschild kostet.
Rekordspieler, Toptorjäger und Zeitstrafenkönige der Wölfe Würzburg
2. Sebastian Kraus: 465 Spiele/1745 Tore
3. Julian Sauer: 447 Spiele/1164 Tore
2. Patrick Schmidt: 1389 Tore
3. Dominik Schömig: 987 Tore
2. Michael Schulz: 98 Zeitstrafen
3. Julian Bötsch: 96 Zeitstrafen