Der "weiße Wolf" wird er von manchen aufgrund seiner Haarfarbe genannt. Roland Sauer (64) ist seit 13 Jahren Geschäftsführer des Handball-Zweitligisten DJK Rimpar Wölfe, der seit 2011 eine GmbH als wirtschaftlichen Träger hat. Da wurde die erste Männermannschaft aus dem Gesamtverein ausgegliedert, damit dieser frei von finanziellem Risiko bleibt. Sauer, als Jugendlicher Leistungsrückenschwimmer in seiner Geburtsstadt Würzburg, lebt mit seiner Handballfamilie in Rimpar. Frau Waltraud war Abteilungsleiterin, Sohn Daniel (37) bis zu seinem Wechsel zum Fußball-Drittligisten FC Würzburger Kickers erst Wölfe-Spieler, dann Co-Geschäftsführer, Sohn Julian (31) ist noch aktiv und machte alle Aufstiege seit der Landesliga mit. Seinen Job als Klubboss, zu dem neben strategischen und verwalterischen Aufgaben auch Sponsorenakquise und Trainergespräche gehören, übt Roland Sauer laut eigener Aussage ehrenamtlich aus. Vor dem ersten Heimspiel an diesem Sonntag (17 Uhr, s.Oliver Arena) gegen den TSV Bayer Dormagen spricht er über seine ambivalente Rolle als Alleinentscheider, ambitionierte Zuschauermarken und nicht abgeschriebene Aufstiegsträume.
Frage: Herr Sauer, was dürfen die Zuschauer beim ersten Heimspiel erwarten?
Roland Sauer: Einen Sieg der Mannschaft. Mit Dormagen haben wir noch eine Rechnung offen.
Am drittletzten Spieltag der vergangenen Runde setzte es dort mit 16:28 die höchste Niederlage ...
Sauer: Siege gab es am Saisonende auch zu Hause nicht mehr so viele. Daher wollen wir das Vertrauen der Fans zurückgewinnen.
Die Zuschauerzahlen sind seit vier Jahren rückläufig. In der Saison 2015/16 kamen im Schnitt 1968 Besucher zu den Heimspielen, 2018/19 waren es nur noch 1627 - trotz zweier Derbys. Woran liegt's?
Sauer: Wir drehen uns ein bisschen im Kreis. Der sportlich schwindende Erfolg ist das eine. In der Saison nach dem Fast-Aufstieg 2017 haben wir die meisten Dauerkarten verkauft, 854 Stück; zuletzt waren es knapp 750, so wie jetzt ungefähr. Das andere, aber der deutlich kleinere Anteil ist, dass durch die Live-Übertragungen der Spiele auf sportdeutschland.tv ein paar Zuschauer weniger kommen, insbesondere von den Gastvereinen.
Könnte ein Grund auch sein, dass die Zuschauer in der vergangenen Saison quasi keinerlei Event neben dem Sport geboten bekommen haben?
Sauer: In einer Umfrage unter unseren Fans in der Sommerpause haben 80 Prozent von ein paar Hundert auf die Frage geantwortet, dass sie das nicht wollen.
Vielleicht haben nur die geantwortet, die ohnehin kommen? Sie wollen ja sicherlich auch ein potenziell neues Publikum ansprechen und gewinnen.
Sauer: Das wollen und das müssen wir. Die Zuschauer machen immerhin etwa 30 Prozent unseres Etats aus. In den nächsten zwei Jahren wollen wir die 2000er-Marke angreifen.
Wie wollen Sie das schaffen? Sportlich dürfte Rimpar ja erneut nicht um die Spitze, sondern um einen einstelligen Tabellenplatz spielen - was auch das offizielle Ziel ist.
Sauer: Bei der Ideenentwicklung soll uns ein Projekt mit der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt helfen, leider startet das erst richtig im März 2020. Wir werden jedoch auch vorher und während der Laufzeit des Projektes entsprechend Maßnahmen ergreifen.
Welche meinen Sie konkret?
Sauer: Wir werden uns beispielsweise beim Würzburger Stadtfest am Samstag und auf der Mainfrankenmesse mit verschiedenen Aktionen präsentieren.
Aufgrund der anhaltend bescheidenen Mittel hatten Sie im Mai 2018 bei einer Sponsorenveranstaltung einen Teil der Verantwortung für die Zukunft der Wölfe an „die Region“ delegiert („Will die Region Spitzenhandball?“), um neue Geldgeber zu locken. Was ist seither passiert?
Sauer: Die Veranstaltung als solche hatte keine unmittelbaren Auswirkungen, aber unsere Kontinuität zahlt sich aus, immer mehr Unternehmen springen bei uns auf. So werden wir unseren Etat in dieser Saison von 850 000 auf 900 000 Euro steigern. Neben unseren drei großen Partnern SSI Schäfer, Infosim und Fit/One haben wir kleinere und mittlere Sponsoren, die uns mit Beträgen im vier- und fünfstelligen Bereich unterstützen. Die Unternehmer, die einsteigen, sagen: Ihr macht eine super Arbeit, aber ihr redet zu wenig darüber.
Von außen betrachtet ist tatsächlich keine wirtschaftliche Strategie erkennbar - von der ja auch die sportliche Zukunft abhängt.
Sauer: Wir arbeiten an einem Konzept bis 2024, das die Bereiche Sport, Finanzen, Image und Strukturen umfasst. Der letzte Punkt ist aktuell in Arbeit: Wir werden uns in der GmbH strukturell neu aufstellen. Bisher sind wir fünf Gesellschafter, drei kleinere private, ein mittlerer - die DJK Rimpar als Verein mit 25,1 Prozent - und ich mit 50,9 Prozent. Im Zuge der geplanten Umstrukturierung auf fünf bis sechs teils neue Gesellschafter, die ich alle schon lange und gut kenne, wollen wir auch unternehmerische und wirtschaftliche Kompetenz mit reinnehmen.
Sie wollen sich kontrollieren lassen?
Sauer: Ich will mich mehr auf Managementebene austauschen und weniger Alleinentscheidungen treffen müssen.
Warum?
Sauer: Ich hinterfrage die Entscheidungen ja schon, und manchmal wäre Input von außen gut oder auch jemand, der mich in meiner Ungeduld, Ziele zu erreichen, einbremst. Auf Dauer geht das Alleinentscheiden doch an die Substanz. Du investierst ständig Kraft und hast immer eine gewisse Unsicherheit, ob das Projekt Erfolg hat.
Sie wirken wie jemand, der es schätzt, etwas durchzusetzen. Wie ein Patriarch, sagen manche. Sie selbst sagen ja gerne: "Die Demokratie bin ich."
Sauer: (lacht) Verantwortlich werde ich auch mit den neuen Gesellschaftern bleiben, auch wenn wir uns das Regieren teilen. (lacht) Es ist nicht so, dass ich nicht schlafen kann, wenn ich eine unangenehme Entscheidung treffen muss. Meine Frau sagt immer, ich denke filtriert und kann Dinge ausblenden.
Und geht Ihnen auch mal was ans Herz? Sport hat ja sehr viel mit Emotionen zu tun.
Sauer: Ich bin eher ein rationaler Typ und sehe meinen Job wie ein Projektmanager. Ich habe ein Thema - von Problem spreche ich nicht -, das bearbeitet werden muss. Als Geschäftsführer muss ich eine Lösung suchen, eine Entscheidung fällen, die Verantwortung tragen und den Kopf hinhalten. Als Patriarch sehe ich mich eigentlich nicht.
Sondern?
Sauer: Als wir 2006 in der Landesliga angefangen haben, habe ich gesagt, ich bin ein Visionär. Heute würde ich vielleicht ergänzen: ein ungeduldiger Visionär.
Haben Sie immer noch die Vision, mit Rimpar mal in der ersten Liga zu spielen?
Sauer: In erster Linie sehe ich uns als Ausbildungsverein für die erste Liga. Aber unser Konzept ist kein Widerspruch zu einem Aufstieg! Für mich ist das Thema nicht abgehakt, ich will da in ein paar Jahren noch hin. Wenn die Mannschaften da oben schwächeln, dann wollen wir die Chance wahrnehmen. Aber erst müssen wir die finanziellen Grundlagen schaffen.
Welches war die schlechteste Entscheidung, die Sie als Geschäftsführer der Wölfe getroffen haben?
Sauer: Dass ich den Job angefangen habe. (lacht) Aber ich habe versucht, das hier als Sozialprojekt zu sehen. (lacht) Im Ernst: Schlecht ist jede unvorbereitete Entscheidung. Eine konkrete fällt mir gerade nicht ein.
Und die beste?
Sauer: Es gab viele gute. Sportlich gesehen zum Beispiel meine erste Entscheidung: Heiko Karrer als Trainer zu holen. Gut war auch die Gründung der GmbH 2011 - ein wesentlicher Schritt in unserer Entwicklung. Und auch der Umzug in die Halle nach Würzburg 2015 - gegen viele Widerstände.
Frank Bohmann, der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, hat vor einem Jahr im Interview gesagt, der nächste Schritt für Rimpar könnte es sein, Würzburg auch im Klubnamen aufzunehmen. Sonst, so fürchtet er, seien große Sprünge auf Dauer nicht möglich.
Sauer: Das fürchte ich auch. Aber auch das wird intern schwierig werden. Trotzdem müssen wir das abwägend angehen und uns mit dem Thema auseinandersetzen. Auch hier gilt, keine schnellen, dafür wohlvorbereitete und abgestimmte Entscheidungen.
Sie sind jetzt 64. Wie lange wollen Sie noch Wölfe-Geschäftsführer bleiben?
Sauer: Solange ich gebraucht werde und die Kapazität habe. Aktuell gibt es keinerlei Überlegung, aufzuhören. Ich wüsste auch keinen, der das übernehmen würde. Und es macht ja schon auch Spaß. Die Spieler sind echt gute Typen, auf die kann man sich verlassen, ebenso auf die Ehrenamtler. Insofern werde ich Geschäftsführer bleiben, bis wir in der Champions League spielen. (lacht)