Nach der Saison ihres Lebens haben die Wölfe den Sprung in die stärkste Handball-Liga der Welt verpasst. Im dramatischsten Aufstiegskampf, den die Zweite Liga je erlebt hat, verloren sie mit den Nerven auch das Herzschlagfinale und rutschten von Rang zwei noch auf vier ab.
Die letzten beiden Bundesliga-Plätze sicherten sich stattdessen der TV Hüttenberg und die TSG Ludwigshafen-Friesenheim. Die Mittelhessen siegten zu Hause mit 30:25 gegen Meister TuS N-Lübbecke, der unter der Woche schon auf Mallorca gefeiert haben soll, die Pfälzer bezwangen wie erwartet das bereits abgestiegene Schlusslicht HC Empor Rostock mit 30:27.
„Welche einmalige Chance wir hier tatsächlich verpasst haben, werden wir wohl erst in ein paar Tagen realisieren“, sagte DJK-Chefcoach Matthias Obinger, während die Tränen nicht aufhörten, ihm über die Wangen zu laufen. „Im Moment bin ich einfach nur leer.“
Der Druck war zu groß
Die goldene Generation der Rimparer Eigengewächse um DJK-Kapitän Stefan Schmitt, Torwart Max Brustmann, Rechtsaußen Julian Sauer sowie die Linksaußen Sebastian Kraus und Dominik Schömig, teils Kumpels seit Kindertagen und seit der Landesliga zusammen aktiv, bleibt damit wohl eine ungekrönte. „Der Druck war zu groß“, sagte Schmitt. „Wir haben der für uns ungewohnten Situation nicht standgehalten.“
Wo anfangen in diesem Spiel, das so hoffnungs- und stimmungsvoll begonnen hatte? Ganz am Anfang, als die Wölfe direkt an ihrem Fanblock vorbei in die Halle einliefen, das Geklatsche, Getrommel und die Gesänge ihrer über 200 in Grün-Weiß angereisten Fans inhalierten und sich davon in den ersten sechs Minuten zu einer 4:1-Führung tragen ließen?
Kurz vor Ende, als Kreisläufer Jan Schäffer beim Stand von 27:29 vom eigenen Torraum am leeren VfL-Kasten vorbeiwarf und die Gastgeber 90 Sekunden vor Schluss im Gegenzug zur Vorentscheidung ins verwaiste DJK-Gehäuse trafen?
Oder in der Mitte, als die Rimparer sieben Sekunden vor der Halbzeit erstmals in der Partie in Rückstand gerieten (16:17) und ihm ab da bis zum Ende hinterherliefen, nachdem die Bad Schwartauer erstmals in der 17. Minute ausgeglichen hatten (7:7)?
Es ist völlig egal. Entscheidend für die Niederlage waren letztlich drei Dinge. Erstens: Wie schon öfters auswärts bekamen die Wölfe in der Abwehr nach der Anfangsphase nicht mehr den gewünschten Zugriff auf den Gegner; bei den Nordlichtern machte ihnen vor allem der gefährliche Rückraum zu schaffen. Auch Brustmann kriegte nach starkem Auftakt mit acht Paraden in den ersten 20 Minuten keinen Ball mehr zu fassen und machte im zweiten Durchgang zwischenzeitlich für Andi Wieser Platz.
Zweitens: In Situationen, in denen die Unterfranken in der ersten Halbzeit die Chance hatten, auf drei oder mehr Tore davonzuziehen und in der zweiten, auf mehr als zwei Treffer ranzukommen, unterliefen ihnen individuelle Aussetzer wie Fehlwürfe, Stürmerfouls, Abspielfehler oder andere Ballverluste. Gegen den massiven und um die zwei Meter hohen Defensivblock fanden sie zudem teilweise zu wenig spielerische Mittel. Wobei 29 erzielte Treffer auswärts in der Regel zum Siegen reichen. „Der Knackpunkt war nicht unser Angriff, sondern unsere Abwehr“, analysierte Obinger.
Drittens: Während die befreiten Gastgeber laut eigenen Aussagen eines ihrer besten Spiele in dieser Runde machten – wenn nicht sogar das beste - und in einer aggressiven Atmosphäre auf eine erstaunliche Art kämpften, als ginge es für sie um den Aufstieg und nicht nur um einen gelungenen Abschluss, lähmte die Gäste der Schiss vorm Scheitern offensichtlich zunehmend mehr als dass die Lust am Legendeschreiben sie noch hätte beflügeln können.
Benjamin Herth als tragischste Figur
Zur tragischsten Figur wurde dabei ausgerechnet der einzige Rimparer mit Erstliga-Erfahrung, Benjamin Herth. Dem Spielmacher, von dem sich die Wölfe erhofft hatten, dass gerade er in kritischen Situationen kühlen Kopf behalten und als Führungsspieler vorangehen würde, gelang so gut wie gar nichts. Fast alle seine Schlagwürfe prallten an der gegnerischen Mauer ab, zudem unterliefen ihm haarsträubende Passfehler.
Doch alle Beteiligten hatten ihren Anteil an der Niederlage. Auch und vor allem der Gegner. „Er war heute einfach besser als wir“, gestand Julian Sauer ein. Und bewies damit selbst als Verlierer weit mehr Anstand als so mancher Gewinner. Während die Bad Schwartauer Spieler die Rimparer zwar nach dem Abpfiff in die Arme nahmen, ergötzten sich einige ihrer Anhänger lieber an der Schwäche der Unterlegenen, die im wahrsten Sinne des Wortes schon am Boden lagen, als an der Stärke ihrer eigenen Akteure. Die große Wölfe-Familie dagegen rückte im Moment der Trauer eng zusammen.
Die sowohl im regionalen Spitzensport als auch im deutschen Handball einmalige Geschichte dieser goldenen Generation hätte ein anderes Ende verdient gehabt. Ein glückliches. Doch der Mannschaftsbus von Fußball-Zweitliga-Absteiger FC Würzburger Kickers, mit dem die Rimparer nach Lübeck gereist waren, hat auch dieser Mannschaft kein Glück gebracht.
Die Statistik des Spiels
Bad Schwartau: Mallwitz (bei einem Siebenmter), Klockmann (1.- 60.) – Glabisch 2, Milde 4, Podpolinski 2, Hansen 4, Ranke 1, Waschul 1, Schult 6, Fuchs 2, Wischniewski 2/1, Bruhn, Metzner 7, Zimmerman, Claasen.Rimpar: Brustmann (1.-38., 54.-60.), Wieser (39.-43.) – Kraus 1, Schmitt 3, Schömig 2, Böhm 2, Bötsch 2, Schäffer 2, Schmidt 10/7, Kaufmann 4, Siegler, Brielmeier 1, Herth 1, Sauer 1.
Spielfilm: 1:4 (6.), 3:4 (7), 4:6 (12.), 7:7 (17.), 7:9 (18.), 9:11 (21.), 13:13 (26.), 17:16 (HZ), 20:16 (35.), 20:18 (36.), 23:19 (42.), 24:22 (45.), 26:22 (48.), 27:22 (49.), 27:25 (51.), 29:25 (53.), 29:27 (50.), 30:27 (58.), 31:29 (Endstand).
Siebenmeter: 2/1 : 9/7.
Zeitstrafen: 4 : 4.
Schiedsrichter: Brauer/Holm (Hamburg).
Zuschauer: 2140.
Die Leistung der Wölfe ist trotz des verpassten Aufstieges wesentlich höher) einzuschätzen .