Auf die Frage, welche Art von Beziehung das ist, zwischen ihm und dem Handball, antwortet Julian Thomann: "Ich wäre nicht der, der ich bin, ohne Handball." Wer er ist? Seit Sommer der neue Trainer des Zweiligisten DJK Rimpar Wölfe (15./2:2 Punkte). Und mit 29 Jahren der jüngste Coach im Unterhaus.
Der Handball, so sagt der Schwabe, der seine aktive Karriere als Spielmacher beim Drittligisten HBW Balingen-Weilstetten II nach einem Kreuzbandriss 2020 beendet hat, habe ihm viel ermöglicht. "Ich verdanke ihm tolle Zeiten, Erfahrungen und Verbindungen. Neulich zum Beispiel hat mich Iker Romero (Weltmeister mit Spanien 2005, heute Trainer des Zweitligisten SG BBM Bietigheim, Anmerkung der Redaktion) angerufen - der Weltklasse-Spieler meiner Generation. Als ich 15 war, gab's kein größeres Vorbild als ihn. Und jetzt sind wir beim Du und schwätzen ein bisschen über Taktik. Verrückt!"
Vor dem ersten Saisonheimspiel an diesem Freitag (20 Uhr, s.Oliver Arena) gegen den HC Empor Rostock (5./4:0) verriet Thomann in einem Würzburger Café, in welchen Ausnahmefällen er mit seinen Spielern einen trinken gehen würde, für welchen Lebenstraum er gerne mit seinem Zwillingsbruder die Rollen tauschen würde und was seine wichtigsten Werte sind.
Julian Thomann: (lacht) Ich find' Schwäbisch einen saugeilen Dialekt und lieb' ihn! Dialekte an sich mag ich. Aber's Problem isch: Ich schwäbel gar nicht so krass. So wie ich gerade sprech', des isch eigentlich des högschde Schwäbisch für mich. Obwohl ich aus einer Gegend komm', wo man ganz breit schwätzt.
Thomann: Ja, genau, von der Alb ra. (lacht) Da gibt's kein WLan und nichts. Trotzdem hab ich nie so breit Schwäbisch geschwätzt. Und als ich in Tübingen Sportpublizisik studiert hab, wurde man in allen Seminaren drauf hingewiesen, wenn man einen Dialekt hatte. Vielleicht hab ich ihn mir dadurch noch ein bisschen mehr abgewöhnt.
Thomann: Ich fühle mich schon deutlich älter allein dadurch, dass ich Handball nicht mehr aktiv betreibe. Zwar mache ich trotzdem viel Sport - ich gehe drei-, viermal die Woche ins Fitnessstudio, joggen, fahre Fahrrad - aber ich fühle mich erwachsener, seit ich der Trainer und nicht mehr Spieler bin.
Thomann: Ich würde sagen, so ein Zwischending. Ich sehe mich schon als spielernaher Trainer, was aber nicht heißt, dass ich nicht auch klare Regeln habe. Bisher gab es allerdings keinen Konflikt, in dem ich meine Autorität demonstrieren brauchte.
Thomann: Ich bin mit den Spielern nicht privat, gehe nicht mit ihnen einen trinken. Dazu lasse ich mich allerdings gern überreden, wenn wir gegen Coburg gewonnen haben. (grinst) Oder am Ende der Saison den Klassenerhalt feiern können. Alles andere ist und bleibt beruflich. Um meiner Arbeit gerecht zu werden, geht es nicht, zu nah dran zu sein.
Thomann: Da bin ich absolut verständnisvoll, habe ein offenes Ohr und versuche zu helfen, weil ich ja aus eigener sportlicher Erfahrung weiß, wie schwer es ist, konstant Höchstleistung zu bringen, wenn etwas im persönlichen Leben nicht passt. Ich versuche immer, nicht nur den Sportler, sondern den Menschen zu sehen. Ein Beispiel: In der Woche vor unserem Pokalspiel hatte ein Spieler eine Messe mit seinem Arbeitgeber und war durch die Doppelbelastung total müde. Dafür muss man Verständnis haben. In Rimpar vielleicht noch mehr als bei anderen Vereinen, in denen vor allem Profis spielen.
Thomann: Ganz und gar nicht. Ich habe einen Anspruch an mich selber, dem ich gerecht werden will, ebenso wie die Spieler. Rimpar ist mit seinem geringen Etat der ewige Underdog. Es ist für den Verein super, sich so in der 2. Liga etabliert zu haben, und da gehört er auch hin. Trotz allem ist es keine Selbstverständlichkeit. Es geht hier darum, sich mit kleinen Schritten zu entwickeln, und in schweren Jahren wie diesen ist das Ziel eben der Klassenerhalt. Den wollen und können wir schaffen, und ich glaube auch: Den werden wir schaffen. Aber ich finde trotzdem, man sollte sich nicht vor jedem Spiel nur darum Gedanken machen. Bei 38 Spielen in einer Saison kann so viel passieren. Da braucht es keinen Druck, sondern vor allem ruhiges Arbeiten.
Thomann: Ja? Danke, das freut mich. Aber ich glaube, bei Spielen sieht man auch, dass ich sehr emotional sein kann. Ich versuche beides: Motivational die Mannschaft zu pushen und überlegt Entscheidungen zu treffen. Für mich macht es keinen Sinn, wie ein Rumpelstilzchen am Spielfeldrand rumzuturnen, das macht alle nur noch unruhiger.
Thomann: (denkt nach) Auf dem Glauben daran, dass sich Qualität am Ende immer durchsetzt. Ich bin überzeugt davon, dass die Mannschaft gut genug ist, um unser Ziel zu erreichen, und ich vertraue auch auf meine eigenen Stärken.
Thomann: Nach meinem Gefühl sehr gut. Aber Jugendarbeit funktioniert nicht kurzfristig, sondern braucht Zeit. Es ist nicht zu erwarten, dass man jemand mit Erfahrung in der Nachwuchsförderung holt, und im nächsten Jahr stehen drei Spieler aus der A-Jugend oder der zweiten Mannschaft im Bundesliga-Kader. Auch in Balingen haben nach Jahren pro Jahrgang nur ein oder zwei Spieler den Sprung in die Dritte Liga geschafft.
Thomann: Ich schaue, dass ich mich ein-, zweimal die Woche in der zweiten Mannschaft fithalte, so habe ich alle Perspektivspieler im Blick. Zweimal in der Woche kommen sie morgens zum Training zu uns, auch Donnerstagabend sind einzelne da. Dadurch, dass wir uns bewusst dafür entschieden haben, mit Linus Dürr einen eigenen Linksaußen als zweiten Mann mit Stallgeruch hinter Dominik Schömig hochzuziehen, zeigen wir ja, dass wir die Entwicklung unserer jungen Spieler vorantreiben wollen und Identifikationsfiguren ausbilden.
Thomann: (lacht) Hehehe. Ja, das denke ich mir manchmal schon. Bei erwachsenen Bundesliga-Spielern nicht mehr unbedingt, da geht's weniger um Pädagogisches, aber in Balingen war das schon zum Teil so. Da hatte ich neben dem Handball mit jeder Menge anderer Probleme zu tun. Mir hat es trotzdem immer riesigen Spaß gemacht. Ich habe mit 13 schon angefangen, Kinder zu betreuen bei Feriencamps, mein Bruder Gregor und ich waren da auch schon Mini-Trainer.
Thomann: ... ja, eineiige. Gregor ist eine Minute älter als ich.
Thomann: Hm, ich glaube spüren nicht. Aber wir haben ein ganz enges Verhältnis und über nahezu alles ähnliche Meinungen. Wenn es dem einen gut oder schlecht geht, freut sich oder leidet der andere mit. Aber wir stehen uns alle in der Familie sehr nahe. Unsere Eltern sind unsere größten Fans. Sie kommen zu jedem Spiel von Gregor und mir.
Thomann: Ja. Wir werden heute noch oft verwechselt.
Thomann: Gregor ist Links-, ich bin Rechtshänder. Auf dem Handball-Spielfeld war's also immer recht einfach, uns auseinanderzuhalten. Ich hab mir die Nase gebrochen, das sieht man auch. Ich finde, wir gleichen uns heute insgesamt nicht mehr so krass. Aber wir sind uns von der Art sehr ähnlich. Neulich haben wir beide einen tiefgehenden Persönlichkeitstest gemacht - es ist verrückt, wie gleich der ausgefallen ist! Also wenn ich zum nächsten Interview Gregor schicke, dann dauert's bestimmt 15 Minuten, bis Sie das merken. (lacht)
Thomann: Klares Ja! Das war immer mein Traum. Ich hab's leider nicht geschafft.
Thomann: Soll ich das der Presse sagen? (überlegt lange) Ich wäre gerne beides. Aber ich muss auch realistisch sein: Für mich wäre es nicht möglich gewesen, wie Gregor fünf Jahre in der Bundesliga zu spielen. Ich war auch gut, aber ich kann andere Sachen besser, und auf die konzentriere ich mich jetzt. Trotzdem gebe ich zu: Es war nicht einfach, mich mit dem Kreuzbandriss von dem Traum, den ich 25 Jahre lang hatte, zu verabschieden. Aber bisher habe ich den Entschluss, die Chance in Rimpar zu nutzen, nicht bereut.
Thomann: Ein ganz starker Aufsteiger! Wie stark, das zeigt der Saisonstart mit zwei Siegen über die Absteiger Nordhorn und Coburg. Ich freu mich so drauf, die Atmosphäre in der s.Oliver Arena endlich aufzusaugen und vielleicht auch ein paar Fans kennenzulernen! Und die Jungs sind heiß ohne Ende, dass es endlich mal wieder ohne große Beschränkungen ein Spiel mit Zuschauern gibt. Ich hoffe, sie kriegen die Unterstützung, die sie nach der langen Zeit verdient haben. Aus meiner Heimat kommen auch einige Leute, Mama, Papa, Gregor, Freunde. Wir haben für danach auch schon Pläne und so die Gegend im Blick (deutet Richtung Sanderstraße und lacht). Und am nächsten Tag wollen wir mal zu den Kickers gegen Wiesbaden.
Thomann: Ich tippe auf ein Unentschieden. 2:2.
Thomann: Ja, ich finde ihn trotzdem einen super Typ mit einer klaren Haltung. Er tritt für seine Werte ein, das versuche ich auch.
Thomann: Ich bin loyal, ehrlich, fleißig. Und was ich am wichtigsten finde: Ich möchte auch integer sein. Man spricht so oft über Werte, aber das bringt alles nichts, wenn ich's nicht auch wirklich durchziehe.
Die DJK Rimpar Wölfe weist darauf hin, dass es aufgrund der Corona-Situation für das Spiel keine Karten an der Abendkasse gibt. Beim Besuch in der s.Oliver Arena gilt die 3G-Regel, an den Sitzplätzen Maskenpflicht. Weitere Infos finden Sie auf der Vereinshompage.