Wenn die Zweitliga-Handballer der DJK Rimpar Wölfe am Freitag (10. November, 20 Uhr, s.Oliver Arena) den HBW Balingen-Weilstetten empfangen, dann treffen mit Matthias Obinger (37) und Jens Bürkle (37) der aktuelle und der ehemalige Trainer der Wölfe aufeinander. Bürkle, von 2012 bis 2015 in Rimpar unter Vertrag, hat nach seiner Freistellung beim Bundesligisten TSV Hannover-Burgdorf im Juni erst vor gut zwei Wochen die Verantwortung in Balingen übernommen und ist damit als Coach zu dem Verein zurückgekehrt, bei dem er sieben Jahre lang als Kreisläufer gespielt hatte. Zuletzt gesehen und gesprochen haben sich die beiden Sportwissenschaftler, die früher ab und an gemeinsam essen waren, vor knapp zwei Jahren – bis zu diesem gemeinsamen Telefoninterview.
Frage: Leider haben wir keine Zeit für Lockerungsübungen, damit Sie beide wieder warm miteinander werden.
Jens Bürkle: Das macht nichts. Ich gehe sowieso davon aus, dass wir gegen Rimpar keine Chance haben.
Matthias Obinger: (lacht laut los)
Warum lachen Sie, Matthias?
Obinger: Weil mein Co-Trainer Josef Schömig, der ja auch schon Jens' Co-Trainer war, gesagt hat, dass Jens genau das als Erstes sagen würde.
Bürkle: (lacht)
Mit welchem Gefühl gehen Sie beide in dieses Spiel?
Obinger: Ich freue mich, Jens wiederzusehen nach so langer Zeit ohne Kontakt. Aber die Punkte kriegt er trotzdem nicht einfach geschenkt.
Bürkle: Ich freue mich natürlich auch, für mich ist das ein besonderes Spiel. Ich hatte in Rimpar eine ganz tolle Zeit und habe ja mit einem Großteil der Jungs gearbeitet.
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Es ist nicht Ihr erstes direktes Duell. 2012/13 haben Sie als Trainer des HSC Bad Neustadt (Obinger) und der DJK Rimpar (Bürkle) schon gegeneinander gecoacht. In der Rhön gab's damals ein Unentschieden, im Drittliga-Zuschauerrekordspiel in Würzburg einen Fünf-Tore-Sieg der Wölfe. Wer von Ihnen, glauben Sie, gewinnt am Freitag?
Obinger: Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass ich Balingen am Schluss auf Platz zwei hinter dem Bergischen HC erwarte. Der neue Trainer macht die guten Einzelspieler noch mal stärker. Jens wird seine Mannschaft so akribisch vorbereiten, dass sie uns ein unbequemer Gegner sein wird. Ich glaube zwar, dass wir siegen können – aber nur, wenn wir konstant über 60 Minuten unsere Leistung abrufen. Kleinste Fehler wird Balingen bestrafen.
Bürkle: Ich glaube, dass Rimpar sein Heimspiel gewinnen und am Ende unter den Top Fünf stehen wird. Vielleicht sogar noch weiter vorne, wenn die Wölfe so weitermachen wie in den letzten zwei Spielen. Wenn nicht, wird man sehen . . .
Wer von Ihnen ist der bessere Trainer?
Obinger: Na Jens natürlich! Er hat schon Bundesliga trainiert.
Bürkle: Ich glaube nicht, dass man die Frage so beantworten kann, weil es gute oder schlechte Führung im Sport nicht gibt, die gibt's nur im Knast. In unserem Job geht es nur um Erfolg. Wenn der da ist, ist alles ok.
Wie es ist, wenn er ausbleibt, mussten Sie in Ihrem zweiten Jahr in Hannover erleben, Jens. In der Rückrunde gelang den Recken kein einziger Sieg, Sie wurden daraufhin im Sommer freigestellt. Erfolglosigkeit war eine Erfahrung, die Sie so als Trainer noch nicht kannten.
Bürkle: Das stimmt, und das war eine extrem lehrreiche Erfahrung. Für mich ging es als Trainer bis dahin immer nur nach oben, auch mit Hannover. Ich hatte die Recken als Tabellen-13. übernommen und in meiner ersten Saison auf Platz sieben geführt. Es war wunderschön, mit Weltklassehandballern wie Olympiasiegern und Europameistern zu arbeiten.
Nach eineinhalb Jahren auf Platz fünf stehend mussten wir leider mitansehen, was passieren kann, wenn eine Mannschaft stückchenweise das Selbstvertrauen verliert. Mit Freistellungen in dem Geschäft muss man leben. Komisch war vor allem, dass ich noch zwei Jahre Vertrag hatte, aber keine Aufgabe mehr. Statt 60, 70 Stunden Arbeit pro Woche hatte ich plötzlich sehr viel Zeit. Da hab ich mich schon gefragt: Was mache ich jetzt damit?
Und, was haben Sie gemacht?
Bürkle: Erst mal einige Wochen Urlaub mit Freunden und meiner Familie. Dann habe ich zwei Wochen lang beim FC Barcelona hospitiert und mir angeschaut, wie ein richtig großer Verein funktioniert.
Um dann doch wieder bei einem kleinen zu landen. Balingen statt Barcelona. Was hat Sie so an dem Angebot gereizt, dass Sie bereit waren, wieder in die Zweite Liga zurückzugehen?
Bürkle: Ich hatte auch Angebote aus der Ersten Liga. Aber bei keinem hatte ich ein so gutes Bauchgefühl wie bei Balingen.
Sie beide haben einiges gemeinsam. Sie sind beide Jahrgang 1980, Sportwissenschaftler, junge Väter, Bayern-Fans, trinken keinen Alkohol, haben beide mit Rimpar um den Aufstieg gespielt, sind extrem ehrgeizig und äußerst akribisch, klug, eloquent . . .
Obinger: Weiter! (lacht)
Bürkle: Ich wollte gerade sagen: Das geht runter wie Öl. Aber was bedeutet eloquent gleich noch mal?
Witzig.
Bürkle: (lacht) Ich hab's vermutet.
Was unterscheidet Sie grundlegend?
Bürkle: Der Hang zu Autos.
Obinger: Echt?
Bürkle: Ja, ich glaube, du hast immer so schnelle, teure Schlitten gefahren. Ich bin ein sparsamer Schwabe.
Obinger: Die Zeiten haben sich geändert.
Bürkle: Hast du mittlerweile auch eine Familienkutsche? Ich hatte die ja schon immer.
Obinger: Stimmt, ich erinnere mich. Hab ich inzwischen auch.
Matthias, Sie haben eine 15 Monate alte Tochter, Jens, Sie einen elf Monate alten Sohn. Inwiefern hat das Papa-Sein Ihren Handballfanatismus relativiert und Sie als Menschen verändert?
Bürkle: Fanatismus ist ein starkes Wort, aber wahrscheinlich trifft es das in meinem Fall tatsächlich ganz gut. Es gibt Tage, da könnte ich andere Menschen fast umbringen, obwohl ich ein friedfertiger Mensch bin; da komme ich stinksauer nach Hause, nach einer Niederlage zum Beispiel. Und dann krabbelt mir so ein kleiner Kerl entgegen, lacht mich an und sagt „Mama“. Das ist toll. Das zeigt mir, dass es noch andere Dinge im Leben gibt als Handball und ist ein sehr schöner Ausgleich.
Obinger: Papa-Sein hat etwas mit Priorisierung und Wertigkeit zu tun. Es ist so, wie Jens es beschreibt: Wenn ich nach einem stressigen Tag oder nach einem vergeigten Spiel heimkomme, dann muss ich den Stress vor der Tür lassen. Dabei hilft mir die Kleine, die übrigens nur „Papa“ sagt. Ich habe durch meine Tochter gelernt, Dinge anders zu bewerten. Auch der Handball ist halt dann trotz aller Leidenschaft ein Job, und ein Job ist nicht alles.
Ihr gemeinsames Baby, wenn man es so nennen will, sind die Wölfe. Jens, Sie haben es an die Hand genommen und in die Zweite Liga geführt. Matthias, Sie ziehen es dort groß. Wie hat sich das Kind entwickelt, das inzwischen ja mindestens ein Teenager sein dürfte?
Obinger: Na ja, manchmal hat es immer noch eine Flasche im Mund . . . (lacht)
Aber eine Bierflasche!
Obinger und Bürkle: (lachen)
Bürkle: Ach, Bier hat das Baby schon zu meiner Zeit getrunken. Im Ernst: Ich glaube, dass Rimpar inzwischen erwachsen ist. Weil die Spieler zusammen viele prägende Erlebnisse hatten – tolle wie den Aufstieg und bittere wie den Nichtaufstieg. Selbst wenn der jugendliche Leichtsinn noch manchmal mit ihnen durchgeht, ist Rimpar in vielen Dingen reifer als Balingen. Und deswegen, glaube ich, sind die Wölfe am Freitag auch der Favorit.