
Corona, Energiekrise, Inflation: 2022 war für die deutsche Wirtschaft heikel. Und die entsprechenden Schlagzeilen prägten auch das Wirtschaftsjahr in Unterfranken. Was waren die wichtigsten Namen, welche Unternehmer stechen heraus? Eine Hitparade mit den schillerndsten Figuren und Firmen der Region in 2022.
1. Uwe Knotzer in Iphofen: Knauf und sein Verbleib in Russland

In den Tagen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar ziehen sich deutsche Unternehmen aus Putins Reich zurück oder drosseln dort ihre Aktivität. Nicht so der Gipskonzern Knauf in Iphofen (Lkr. Kitzingen), was ihm Kritik einbringt.
Uwe Knotzer verantwortet bei Knauf auch das Russland-Geschäft. Im April rechtfertigt der Manager die anhaltende Tätigkeit des Unternehmens mit der "Verantwortung für circa 4000 Mitarbeiter und deren Familien sowie für Kunden und Lieferanten, mit denen wir teilweise seit Jahrzehnten zusammenarbeiten". Indes tritt Firmenpatriarch Nikolaus Knauf im März von seinem Ehrenamt als russischer Honorarkonsul zurück.
2022 ist ein unruhiges Jahr für Knauf. Im Mai wird in der Ost-Ukraine eine wegen des Krieges stillgelegte Gipsplattenfabrik des Unternehmens bombardiert. Ende Juni legen Internet-Kriminelle die IT-Infrastruktur des Konzerns weitgehend lahm. Welchen Schaden der Cyberangriff verursacht hat, lässt Knauf offen.
Und dann das Dauerthema "Grube Franken" bei Altertheim im Westen von Würzburg: Das als größtes Bergwerk Bayerns angelegte Vorhaben soll dem Unternehmen den Rohstoff Gips bis weit in die Zukunft sichern, weil der künstliche REA-Gips in einigen Jahren vom deutschen Markt verschwindet. Doch das Projekt steht auf unsicheren Beinen, weil Kritiker eine Gefahr für ein riesiges Trinkwasser-Vorkommen in der Gegend vermuten.
2. Andreas Rother in Winterhausen: Abgesang auf die kleinen Bäckereien

Die in 2022 extrem gestiegenen Energiepreise bringen viele Unternehmen in arge Bedrängnis. Allen voran jene, die auf Gas angewiesen sind - wie Bäckereien. Andreas Rother in Winterhausen im Landkreis Würzburg ist ein Beispiel dafür, wie die Kostenlast gerade kleine Geschäfte in die Knie zwingt. Rother kündigt an, seine Dorfbäckerei Ende November zu schließen. Begründung: "Ich kann nicht mehr."
Ende Oktober tun sich Menschen in Winterhausen und Umgebung zusammen, um mit einer musikalisch umrahmten Solidaritätsaktion Geld für Rother zu sammeln. Der Fall macht bundesweit Schlagzeilen. Und es wird klar: Rother ist nicht allein, sondern Teil des Abgesangs auf die kleinen Bäckereien landauf, landab. Bei den Dorfmetzgereien und manchen Kneipen sieht es nicht anders aus.
3. Thomas Schwab und seine "Remlinger Rüben": Mutmacher nach Schicksalsschlag

Mitte Juni 2012 erleidet der Unternehmer Thomas Schwab in Remlingen (Lkr. Würzburg) einen Schicksalsschlag: Große Teile seines Öko-Betriebes brennen ab. Der für seine "Remlinger Rüben" über die Region hinaus bekannte Landwirt steht vor dem Aus.
Doch mit einer Mischung aus Geschick, Gelassenheit und Glück steigt Schwab wie Phönix aus der Asche. Zehn Jahre später ist sein Unternehmen wieder auf der Überholspur und hat deutlich mehr Beschäftigte als vor dem Unglück. Thomas Schwab, ein Mutmacher in diesem Jahr.
4. Angelique Renkhoff-Mücke in Marktheidenfeld: Kämpferin für die Metallbetriebe

Im November legt eine Welle von Warnstreiks der IG Metall in Bayern Betriebe zeitweise lahm. Einer der Schwerpunkte der Proteste ist Unterfranken, wo es über Tage hinweg zu Kundgebungen kommt.
Während die Metaller acht Prozent mehr Lohn fordern, bleibt der Unternehmerverband vbm beharrlich. Seine Stimme bei den tagelangen Debatten: Angelique Renkhoff-Mücke aus Marktheidenfeld. Die Chefin des Sonnenschutz-Anbieters Warema ist wie in den Vorjahren vbm-Verhandlungsführerin.
Am Ende einigen sich die Tarifparteien in Bayern darauf, dass die Löhne und Ausbildungsvergütungen der Metaller im Juni 2023 um 5,2 Prozent und im Mai 2024 noch einmal um 3,3 Prozent steigen. Renkhoff-Mücke klingt danach ernüchtert: Der Abschluss sei "teuer" und "ein gerade noch tragfähiger Kompromiss".
5. Susanne Waldmann und ihr Würzburger "Unverpackt"-Laden: Ende einer Öko-Idee?

Fünf Jahre nach seiner Gründung steht der erste "Unverpackt"-Laden in Würzburg kurz vor dem Aus: Die Trägergenossenschaft meldet im Juni Insolvenz an. Gründerin Susanne Waldmann gesteht ein: "Ich kann nicht mehr."
Das Geschäft in der Würzburger Innenstadt steht symbolisch für einen Trend: Bis zum Sommer machen in Deutschland gut 40 dieser Läden dicht, wie der "Unverpackt"-Branchenverband meldet. Viele rentierten sich nicht mehr. Ist also Würzburg Teil des Niedergangs einer Öko-Idee?
Kleiner Hoffnungsschimmer für die Fans dieser Art des Einkaufens: Zum Beispiel in Werneck bei Schweinfurt, in Marktheidenfeld und in Hofheim (Lkr. Haßberge) machen im Frühjahr neue "Unverpackt"-Geschäfte auf. Und: Auch in Würzburg macht nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Trägergenossenschaft der Laden weiter.
6. Christina Diem-Puello in Schweinfurt: Traumhafter Aufstieg mit dem Dienstrad

So sieht Erfolg aus: 2020 gründete Christina Diem-Puello mit ihrem Mann in Schweinfurt das Unternehmen Deutsche Dienstrad - mitten im Lockdown. Nur zwei Jahre später gehört Diem-Puello für das "Handelsblatt" zu den 50 besten Unternehmerinnen in Deutschland. Ihr Geschäftszweck: Anderen Unternehmen werden herkömmliche Fahrräder oder E-Bikes als Diensträder für das Personal zur Verfügung gestellt.
Mit sieben Beschäftigten gestartet, hat die Deutsche Dienstrad GmbH mittlerweile gut 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein so schnelles Wachstum ist selten. Deshalb zählt Diem-Puello in Mainfranken zu den Senkrechtstartern des Jahres.
7. Roland Pechtl von Bilfinger Noell in Würzburg: Hochbrisanter Auftrag - für viele Jahre

Der Name Asse steht für eine hochbrisante Herausforderung: In dem niedersächsischen Bergwerk lagert radioaktiver Müll, der aus Sicherheitsgründen entfernt werden muss. Das geht allerdings nur in sehr kleinen Schritten: Der Bund rechnet damit, dass die Räumung erst 2050 abgeschlossen sein wird.
Mittendrin im Thema: Geschäftsführer Roland Pechtl und seine Bilfinger Noell GmbH in Würzburg. Das Traditionsunternehmen soll Spezialmaschinen zur Bergung der Atommüllfässer in Asse entwickeln. Es ist 2022 einer der spektakulärsten Millionenaufträge in der mainfränkischen Wirtschaft.
Einer mit mutmaßlicher Fortsetzung: Wohl 2023 oder 2024 werde der Bau eines Zwischenlagers in Asse ausgeschrieben, in der die geborgenen Atommüllfässer untergebracht werden, so Pechtl. Da gehe es dann um mehrere hundert Millionen Euro. Bilfinger Noell will dabei sein.
8. Seubert, Meller, Teigel: Mächtig Rückenwind für ein Jungunternehmen in Großrinderfeld

Erst vor knapp zwei Jahren gegründet, bekommt die auf Künstliche Intelligenz spezialisierte PlanerAI GmbH Anfang 2022 stattliche Hilfe von außen. Mehrere Kapitalgeber stecken insgesamt eine Million Euro in das wachsende Jungunternehmen aus Großrinderfeld (Main-Tauber-Kreis), das sich gegen Lebensmittelverschwendung einsetzt.
PlanerAI ist indes nicht das einzige Beispiel dafür, dass die Start-up-Szene in Mainfranken rege ist: Die Web Inclusion GmbH aus Margetshöchheim bei Würzburg gewinnt im Juli mit ihrer Software Eye-Able den Businessplan-Wettbewerb Nordbayern.
9. Joachim Kuhn von va-Q-tec in Würzburg: Firmen-Ehe mit Schweden und Scheichs

Es ist die spektakulärste Firmen-Ehe, die sich im zu Ende gehenden Jahr abzeichnet: Der schwedische Investor EQT kündigt im Dezember an, die aufstrebende va-Q-tec AG in Würzburg übernehmen zu wollen. EQT hat für den Millionen-Deal den Staatsfonds Mubadala aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und den britischen Investor Cinven an Bord, um die Aktienmehrheit beim Dämmstoff-Spezialisten va-Q-tec zu bekommen.
Das Würzburger Unternehmen wurde 2001 von Joachim Kuhn gegründet, der es schnell auf eine außergewöhnliche Erfolgsspur brachte. Das Wachstum war so groß, dass va-Q-tec 2016 an die Frankfurter Börse ging, um neues Kapital zu bekommen.
Noch ist unklar, ob EQT genügend Aktien von den bisherigen Teilhabern der va-Q-tec AG kaufen kann, um die Mehrheit am Unternehmen zu erhalten. Gelingt der Coup, dann wollen die Schweden eine Tochterfirma mit einem Teil von va-Q-tec zusammenlegen, um das internationale Geschäft mit isolierten Spezialbehältern voranzutreiben. Mit Blick auf Transporte von temperatursensiblen Medikamenten und Impfstoffen gilt das als Wachstumsmarkt – nicht nur in Zeiten von Corona.
10. Sascha Genders und andere in Mainfrankens Wirtschaft: Neue Gesicher, neue Funktionen

Auch 2022 gibt es in hochrangigen Positionen der mainfränkischen Wirtschaft neue Gesichter: So wird Sascha Genders im Juli von der Vollversammlung zum Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelkammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt ernannt. Der bisherige Vize wird zum Jahreswechsel Ralf Jahn ablösen, der in den Ruhestand geht. Der 43-jährige Sascha Genders ist seit 2008 bei der Kammer und leitete dort seit 2013 den Bereich Existenzgründung/Unternehmensförderung.
Ebenfalls neu ist Michael Bissert: Der Sanitärunternehmer aus Iphofen (Lkr. Kitzingen) tritt zum Jahresbeginn das Amt des Präsidenten der Handwerkskammer für Unterfranken an. Wechsel auch am Rhön-Klinikum in Bad Neustadt: Tobias Kaltenbacher übernimmt im November den Vorstandsvorsitz von Christian Höftberger, der nur zwei Jahre diese Funktion hatte.
Der zweitgrößte kommerzielle Arbeitgeber in Mainfranken meldet für August einen Führungswechsel: Bei der Bosch Rexroth AG in Lohr wird Steffen Haack für Rolf Najork neuer Vorstandsvorsitzender. Der international aufgestellte Solarpark-Anbieter Belectric in Kolitzheim (Lkr. Schweinfurt) indes holt sich im Mai Thorsten Blanke an die Spitze der Geschäftsführung.