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Iphofen
Riesen-Bergwerk in künftigem Trinkwasserschutzgebiet: Was Knauf plant
Knauf plant im Westen von Würzburg ein riesiges Gipsbergwerk. Um das Grundwasser nicht zu gefährden, investiert der Konzern zwei Millionen Euro in 18 neue Messstellen.
So könnte es 2025 im größten Bergwerk Bayerns bei Altertheim (Lkr. Würzburg) aussehen: In Hüttenheim (Lkr. Kitzingen) baut Knauf schon seit 1957 Anhydrit ab. Im Bild ist der Waldbrunner Gemeinderat bei einem Besuch in der Hüttenheimer Grube vor einigen Jahren zu sehen.
Foto: ArchivHerbert Ehehalt | So könnte es 2025 im größten Bergwerk Bayerns bei Altertheim (Lkr. Würzburg) aussehen: In Hüttenheim (Lkr. Kitzingen) baut Knauf schon seit 1957 Anhydrit ab.
Angelika Kleinhenz
 und  Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:23 Uhr

In vier Jahren könnte es bereits existieren: Bayerns größtes Bergwerk, ein Labyrinth unterirdischer Tunnel für den Gipsabbau von mehr als sieben Quadratkilometern, eingetrieben ins Gestein des Mittleren Muschelkalks im hügeligen Dreieck zwischen Altertheim, Helmstadt und Waldbrunn im Landkreis Würzburg - und mitten im zukünftigen Trinkwasserschutzgebiet.

Denn südwestlich von Würzburg, zwischen Zell am Main und Altertheim, fließen unter der Erde wasserreiche Grundwasserströme. Seit 1915 bezieht nicht nur die Hälfte der Bevölkerung Würzburgs, etwa 65 000 Menschen, ihr Trinkwasser aus diesem Wasserreservoir, das in den Zeller Quellstollen ans Tageslicht sprudelt. Auch die Trinkwasserbrunnen einiger Landkreisgemeinden liegen im Wassereinzugsgebiet. Um das Grundwasser langfristig zu schützen, soll das Trinkwasserschutzgebiet von aktuell sieben auf bald 66 Quadratkilometer erweitert werden, so der Plan der Trinkwasserversorgung Würzburg GmbH. 

Brisant: Mittendrin im neu ausgewiesenen Gebiet läge dann ein riesiges Rohstoffvorkommen, auf das der größte Gipsveredler der Welt mit 35 000 Mitarbeitern auf allen Kontinenten und über 10 Milliarden Euro Jahresumsatz 2020 ein Auge geworfen hat. Die Rede ist vom mainfränkischen Familienkonzern Knauf.

Dass Naturschützer das Vorhaben des Unternehmens, bei Altertheim Gips abzubauen, als "Risikoprojekt" fürs Grundwasser bezeichnet haben, schmeckt den Verantwortlichen von Knauf ganz und gar nicht. Im Gespräch mit dieser Redaktion stellt Jörg Schanow, Mitglied der Geschäftsleitung, klar: Das vorgesehene Bergwerk werde keinerlei Einfluss auf das Grundwasser in der Umgebung haben. Doch wie sehen die Pläne des Unternehmens konkret aus und welche Folgen haben sie für Mensch und Umwelt? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was plant Knauf bei Altertheim?

In der Konzernzentrale in Iphofen (Lkr. Kitzingen) liegt das Vorhaben mit Top-Priorität mittlerweile bei den ranghöchsten Chefs auf dem Tisch: "Grube Franken" nennt Knauf das Bergwerk, dessen Stollen einmal in einer Tiefe zwischen 70 und 130 Metern liegen sollen. 70 Millionen Tonnen Gips vermutet das Unternehmen dort nach zahlreichen Probebohrungen. 40 Millionen Tonnen sollen tatsächlich gewinnbar sein. 

Das Bergwerk wird den Knauf-Plänen zufolge einmal eine Ausdehnung von 7,4 Quadratkilometern haben. Das entspricht etwa der Fläche der Gemeinde Höchberg bei Würzburg, wo knapp 10 000 Menschen wohnen. Das Bergwerk soll zu Beginn 28, später einmal bis zu 50 Beschäftigte haben. 

Der Abbau soll 2025 beginnen. Die Dimension ist enorm: 300 000 Tonnen Gips sollen pro Jahr aus der "Grube Franken" geholt werden. Demnach würde das verwertbare Vorkommen rechnerisch 133 Jahre reichen. Lange genug also, um die Knauf-Standorte in Unterfranken für die Zukunft zu sichern. Denn die Gips- und mit ihr die gesamte Baubranche in Deutschland hat gerade ein Riesenproblem: Der sogenannte REA-Gips verschwindet vom Markt.

Ingenieur Jens Reimer wird als Projektleiter für das geplante Bergwerk bei Altertheim verantwortlich sein.
Foto: Angelika Kleinhenz | Ingenieur Jens Reimer wird als Projektleiter für das geplante Bergwerk bei Altertheim verantwortlich sein.

Warum ist der Gips bei Altertheim so wichtig für Knauf?

Spätestens 2038 ist in Deutschland Schluss damit, dass Strom durch die Verbrennung von Kohle erzeugt wird. Was die Bundesregierung beschlossen hat und für die Umwelt zweifellos sinnvoll ist, bringt den mainfränkischen Knauf-Konzern schon jetzt in arge Bedrängnis.

Denn dem Weltmarktführer wird mit dem Kohleausstieg ein überlebenswichtiger Rohstoff ausgehen: Gips. Genauer gesagt, REA-Gips. Der synthetische Gips entsteht in Anlagen zur Rauchgasentschwefelung (kurz: REA) von Kohlekraftwerken. Gibt es ab 2038 keine Kohlekraftwerke mehr, gibt es auch keinen REA-Gips mehr.

Dieser in der Branche wegen seiner Reinheit geschätzte Rohstoff hat immerhin noch einen Marktanteil von 43 Prozent in Deutschland. Der Rest ist Gips, der über oder unter Tage aus der Natur gebaggert wird. Diese Vorkommen müssen mittelfristig für Knauf die Lücke schließen, die der Abschied von REA hinterlässt.

Zwar hat der Kohleausstieg die Rohstoffnot von Knauf schlagartig verschärft, doch die Suche des Konzerns nach Nachschub läuft schon seit vielen Jahren. 1997 begannen die ersten von mittlerweile mehr als 70 Erkundungsbohrungen bei Altertheim, erläutert Knauf-Manager Schanow.

Das Unternehmen betreibt weltweit über 70 Tagebaue und sieben Gruben. Zwei neue Gruben sind derzeit geplant, die eine in Russland, die andere bei Altertheim. Letztere erscheint ideal für das Unternehmen. Denn es lohne sich nicht, den Rohstoff über weite Strecken zu transportieren. Und der Gips aus der "Grube Franken" sei komplett für die Knauf-Werke in Iphofen und im benachbarten Markt Einersheim gedacht. Dort werden unter anderem Gipskartonplatten für den Hausbau hergestellt.

Verkehr, Staub, Lärm: Was kommt auf Anwohner zu?

Knauf will, dass die Lastwagen durch so wenige Orte wie möglich fahren. Die Route der 15 Lkw-Fahrer führt den Plänen zufolge von Altertheim über die Autobahn A81 (bei Gerchsheim) auf die Autobahn A3 (nicht durch Kist hindurch) bis zur Ausfahrt Kitzingen/Schwarzach und dann an Kitzingen und Mainbernheim vorbei zu den beiden Gipswerken. Insgesamt 55 Kilometer Strecke also. 

Oberirdisch werde man so gut wie nichts von der Grube sehen, sagt Schanow. Mit derlei Rohstoffgewinnung hat Knauf bereits Erfahrung in der Region, wenngleich in wesentlich kleinerer Dimension: Seit 1957 betreibt das Unternehmen ein Gipsbergwerk im acht Kilometer von Iphofen entfernten Willanzheimer Ortsteil Hüttenheim im Landkreis Kitzingen. Noch gilt dies als das größte Bergwerk in Bayern. Bis eben die "Grube Franken" kommt.

Der Untertageabbau in Hüttenheim erstreckt sich auf 4,5 Quadratkilometern. Die "Grube Franken" wäre im Endstadium somit um mehr als 60 Prozent größer. In Hüttenheim wird die Gips-Variante Anhydrit aus dem Berg geholt, die für Fließestrich, zum Beispiel für Fußböden, eingesetzt wird. 

Einige Meter tief sind die Sprenglöcher, die der Bohrer ins Anhydrit fräst. 
Foto: Daniela Röllinger | Einige Meter tief sind die Sprenglöcher, die der Bohrer ins Anhydrit fräst. 

Knapp 200 Kilometer lang ist das Streckennetz der rund vier Meter hohen Gänge im Hüttenheimer Bergwerk. Regelmäßige Sprengungen holen das Anhydrit aus dem Berg. An der Oberfläche hört man davon nichts. Davon konnte sich der Waldbrunner Gemeinderat bei einer Exkursion vor einigen Jahren selbst überzeugen. Das werde auch in der "Grube Franken" so sein, verspricht Schanow.

Wie will Knauf beim Grundwasser auf Nummer sicher gehen?

Gipsabbau und Wasser vertragen sich nicht. Eindringendes Wasser würde den Rohstoffabbau erschweren und wäre ein finanzielles Desaster für das Unternehmen, sagt Jens Reimer im staubtrockenen Tunnel im Hüttenheimer Bergwerk 120 Meter tief unter der Erde. Der Bergbauingenieur ist Projektleiter der geplanten "Grube Franken". Zuvor hat er die Belüftung eines Bergwerks in Brasilien verantwortet. "Alles andere wäre für uns nicht wirtschaftlich", so Reimer. Mindestens neun Meter Sicherheitsabstand sollen die Tunnel unter Tage zum darüber liegenden Grundwasserleiter haben. "Wir planen den Abbau von vorneherein so, dass wir beim Grundwasser auf Nummer sicher gehen, auch wenn es kein Wasserschutzgebiet wäre."

Riesen-Bergwerk in künftigem Trinkwasserschutzgebiet: Was Knauf plant

Doch unter der Erde auf Nummer sicher zu gehen, ist zeitaufwändig und teuer. "Man kann nicht jeden Zentimeter des Untergrunds im Vorfeld erkunden", so Reimer. Deshalb hat Knauf 2019 ein Ingenieurbüro für Umwelt- und Geotechnik aus Gaukönigshofen (Lkr. Würzburg) beauftragt, die Daten aus 70 Erkundungsbohrungen aus den Jahren 1997 bis 2019 hydrogeologisch auszuwerten. Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass für die Zeller Quellen (Stadt Würzburg), die Trinkwasserversorgung in Altertheim und Waldbrunn (Lkr. Würzburg) und die Grünbachtalgruppe (Main-Tauber-Kreis) keine negativen Auswirkungen aufs Grundwasser, qualitativ und quantitativ, zu erwarten seien.

Wird das Bergwerk auf jeden Fall kommen?

Noch steht das nicht fest. 2017 hat Knauf die Antragsunterlagen beim Bergamt Nordbayern in Bayreuth eingereicht. 2019 verlangte die Regierung von Unterfranken weitere Fachgutachten, unter anderem zu Verkehr, Hydrogeologie, Lärm und Staub. 2020 folgten Gespräche mit dem Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg, dem Landesamt für Umwelt und der Regierung von Unterfranken. 

Das Wasserwirtschaftsamt scheint noch nicht endgültig überzeugt zu sein. Die Kernfrage bleibt, ob die "Grube Franken" nicht doch einen Einfluss auf die Trinkwasserversorgung im Westen von Würzburg haben könnte. Um dies auszuschließen, muss jetzt nach Knauf-Angaben noch die Durchlässigkeit der Gesteinsschichten geprüft werden. Die Folge: eineinhalb Jahre Zeitverzug für das geplante Bergwerk sowie zwei Millionen Euro Extra-Kosten für das Unternehmen.

Knauf hat jetzt eine Tochterfirma der TÜV Nord AG beauftragt, weitere 18 Bohrungen durchzuführen. 17 von ihnen sollen zu Grundwassermessstellen ausgebaut werden und auch den späteren Betrieb, insofern er genehmigt wird, dauerhaft überwachen. "Wir halten uns an die Regeln", sagt Schanow. "Jeder Schritt wird kontrolliert. Wir brauchen die Akzeptanz der Bevölkerung."

Anmerkung der Redaktion: Der Ausschnitt der Karte, der den geplanten Transport-Weg der Lkw zeigt, wurde aktualisiert. In der alten Version der Grafik war nicht klar erkennbar, dass die Route über die A81 und die A3 verläuft (und nicht, wie man hätte meinen können, durch den Ort Kist hindurch). 

Wettlauf um Naturgips hat begonnen

In Deutschland werden pro Jahr rund zehn Millionen Tonnen Gips benötigt. Tendenz steigend. Der Bedarf wird aus heimischen Rohstoffen gedeckt. Nur ein Bruchteil, zwei Prozent, stammt aus wiederverwerteten Gipsabfällen, der Rest aus Naturgips und REA-Gips.
Jetzt schlägt die Baubranche Alarm, dass Estrichleger, Stuckateure und Trockenbauer spätestens 2038 mit dem Kohleausstieg und dem damit verbundenen Ende des REA-Gips ohne Material dastehen könnten.
Quelle: akl/haug
 
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