Grundwasser ist in Unterfranken knapp, durch den Klimawandel verschärft sich die Situation. Wenn Landwirte ihr Gemüse mit Grundwasser gießen, wird das kritisch gesehen.
Biobauer Thomas Schwab aus Remlingen im Landkreis Würzburg schüttelt den Kopf: "Wir müssen uns damit beschäftigen, was wir 2050 essen. Wir müssen uns regional ernähren können." Der 57-Jährige beschäftigt sich seit fast zwei Jahrzehnten mit Bewässerung. Und stößt dabei immer wieder an seine Grenzen: "Es heißt immer: Ihr Landwirte müsst Wasser sparen! Aber keiner weiß genau, wie das praktisch gehen soll."
1993 schien die Welt in Remlingen noch in Ordnung. Es regnete genug. Die gelben Rüben wuchsen prächtig. Die Familie Schwab hatte begonnen, auf zunächst 15 Hektar ökologische Landwirtschaft zu betreiben. Dann kam der Jahrhundertsommer 2003. "Der erste Genickschlag", sagt Thomas Schwab. Da habe er zum ersten Mal witterungsbedingt sehr geringe Erträge gehabt.
Der Biolandwirt ließ einen Brunnen bohren. Doch Remlingen liegt, was das Grundwasser angeht, extrem ungünstig. Selbst bei einer Tiefe von 40 Metern tröpfelt es nur. Das Wasserwirtschaftsamt schaue deshalb ganz genau hin, damit die Wasserentnahmen die Trinkwasserversorgung nicht gefährden, sagt Schwab.
Er versucht, aus der Not eine Tugend zu machen: "Wenn man nicht viel Wasser hat, muss man mit dem Wenigen zurechtkommen." Acht Ziele, die er hat - und die größten Herausforderungen, vor denen er dabei steht.
1. Die Kulturen sollen möglichst wenig Wasser brauchen
Das Problem: Ganz ohne Bewässerung geht es bei Gemüse nicht.
Durstige Pflanzen wie Blumenkohl, Gurken oder Salat scheiden für den Bioland-Landwirt auf seinen Remlinger Flächen von vorneherein aus. Er konzentriert sich auf genügsamere Kulturen wie gelbe Rüben, Kartoffeln und Zwiebeln. Die Kartoffeln kämen ohne Bewässerung klar, sagt Schwab. Bringe man aber die Möhren und Zwiebeln zum richtigen Zeitpunkt nicht mit ein paar Tropfen Wasser zum Keimen, sei der Ertragsausfall verheerend. Ganz ohne Bewässerung gehe es nicht.
2. Der Boden soll möglichst viel Wasser speichern
Das Problem: Wohin mit dem Grünfutter, das den Boden mit Nährstoffen versorgt?
Der Landwirt hat den Gemüseanteil auf seinen Flächen um fast die Hälfte reduziert. "Wird jedes Jahr Gemüse angebaut, nimmt der Humus ab. Der Boden kann nicht mehr so viel Wasser halten. Dann braucht man jedes Jahr mehr Wasser, weil es oberflächlich abfließt", erklärt Schwab. Baut man das Gemüse im Wechsel mit Getreide und Leguminosen an, könne der Lößlehmboden eine ganze Zeit lang Wasser speichern: "Unsere Böden sind auch nach 20 Jahren noch fit."
Doch wohin mit dem Grünfutter? Futter-Mist-Kooperationen, bei denen der Landwirt die Leguminosen an Betriebe mit Vieh abgibt und im Gegenzug Mist bekommt, gibt es in Unterfranken aus Mangel an Tierhaltern kaum. Wenn er das Feldfutter stattdessen kompostiert und siliert, komme er in Konflikt mit der neuen Düngeverordnung, ärgert sich Schwab. Leguminosen werden nämlich aufgrund ihres Stickstoffgehalts wie Gülle eingestuft, ihr Kompost darf von der Ernte bis zum Frühjahr nicht auf die Felder ausgebracht werden.
3. Tropfbewässerung soll gezielt gießen
Das Problem: Wie kommt der Schlauch in den Boden?
Im Weinbau sei die Tropfbewässerung, bei der Wasser gespart wird, eine einfache Sache, sagt Schwab. Die Schläuche, bei denen alle 30 Zentimeter aus einem kleinen Loch eine bestimmte Wassermenge tropft, werden einmal installiert und hängen dann über Jahre im Weinberg. Bei Gemüse muss der Schlauch zentimetergenau jedes Jahr neu zwischen den Samen im Boden vergraben werden. Und zwar drei Zentimeter tief - andernfalls würden Vögel Löcher in das 0,02 Millimeter dünne Plastik hacken. Es käme überall zu undichten Stellen.
In Israel, Mutterland der Tropfbewässerung, werden die Schläuche von billigen Arbeitskräften in mühsamer Handarbeit verlegt. "In Deutschland war es bislang nie notwendig, sich darüber Gedanken zu machen", sagt Schwab. "Es fehlt schlicht die Technik." Also fing der Landwirt an zu basteln. Heute bringt er Saatgut und die Schläuche aus Israel gleichzeitig mit Sämaschine, aufgerüstet mit Navigationstechnik, in den Boden.
4. Ökolandbau soll trotz Tropfbewässerung funktionieren
Das Problem: Wie Unkraut jäten ohne den Schlauch zu zerhacken?
Der Bioland-Bauer stand vor der Frage: Wie dem Unkraut ohne Pestizide beikommen, ohne den dünnen Plastikschlauch unter der Erdoberfläche zu zerhacken? Eine Herausforderung. Mittlerweile hat Schwab seine Möhrenhackmaschine, die maschinell das Unkraut entfernt, mit Antenne und spezieller Messtechnik aufgerüstet.
Ein Rest Unkraut in den Kulturen bleibe allerdings übrig, sagt Schwab. Hier kommt jetzt der "Jäteflieger" zum Einsatz: ein Gerät, das mit Photovoltaik betrieben wird und leise über den Acker fährt. Auf ihm liegen Frauen und Männer, die mit Handschuh-artigen "Jäte-Fäuste" kleines Unkraut vorsichtig wegschaben, um möglichst wenige Löcher in den Schlauch zu reißen. Denn jedes Loch muss aufwändig von Hand repariert werden.
5. Tropfbewässerung soll ohne Billiglohnkräfte funktionieren
Das Problem: Wer holt den Schlauch vor der Ernte aus dem Boden?
Thomas Schwab hat sich ein Schlauchentnahmegerät, das es bislang nur in Kalifornien gibt, zugelegt. Die Maschine musste eigens über den Panamakanal nach Remlingen transportiert werden. Sie zieht den etwa 300 Meter langen Schlauch zwischen ihren zwei Rädern aus dem Boden, legt ihn auf den Acker und entwässert ihn. Dann kommt die zweite von Kalifornien nach Remlingen importierte Maschine zum Einsatz. Sie fährt am Feldrand entlang und wickelt den leeren Schlauch zu einer kompakten festen Rolle auf.
6. Tropfschläuche sollen nicht als Plastikmüll enden
Das Problem: Tropfschläuche werden in Deutschland nicht recycelt.
Eines wurmt den Biolandwirt Schwab besonders. In Kalifornien werden die Tropfschläuche recycelt, in Deutschland nicht. Die Schläuche kommen in den Gelben Sack und landen in der Würzburger Müllverbrennungsanlage. "Wir brauchen gute 13 Kilometer Schlauch pro Hektar. Das sind 150 Kilo Plastik auf einer Rolle, die ich wegschmeißen muss", ärgert er sich. Das Material sei reines Polyethylen. Also hervorragend recycelingfähig, sagt Schwab, das Süddeutsche Kunststoffzentrum (SKZ) in Würzburg habe ihm das bestätigt. Nur: "Es macht halt niemand!"
7. In Speicherteichen soll Wasser für den Bedarf bereitstehen
Das Problem: Wie kann das Wasser mit sauberer Energie gefördert werden?
Mittlerweile hat der Remlinger Rübenbauer eine Zisterne am Hof, die sich aus Regenwasser speist, sowie vier Brunnen, aus denen das Wasser kontinuierlich über das ganze Jahr verteilt in zwei große Speicherbecken gepumpt wird. So kann der Landwirt das Wasser hauptsächlich im Winter entnehmen - und im Sommer auf die Kulturen geben.
Doch für die Brunnenpumpe braucht es Energie. Schwab will kein Dieselaggregat dauerhaft laufen lassen und ließ deshalb Photovoltaikmodule installieren. 2011 habe das noch einwandfrei funktioniert, heute nicht mehr: "Im Sommer fällt der Grundwasserspiegel. Der Brunnen versiegt. Im Winter ist Wasser da, aber zu wenig Sonne", sagt Schwab. Eine Anlage zum Speichern der Solarenergie müsste her. Die nächste Herausforderung für den unterfränkischen Gemüseanbauer.
8. Das Waschwasser soll wiederverwendet werden
Das Problem: Wie das Wasser nach der Gemüse-Wäsche reinigen?
Heute bewirtschaftet Thomas Schwab auf seinem Bioland-Hof knapp 90 Hektar. Neben der Landwirtschaft betreiben er und seine Frau Ines Herold-Schwab die Remlinger Rüben GmbH. Als Bündler organisiert das Ehepaar den ökologischen Anbau von Kartoffeln, Zwiebeln und Möhren von etwa 20 Landwirtinnen und Landwirten aus Mainfranken: von Remlingen über den Ochsenfurter Gau bis in den Raum Schweinfurt. Sie verantworten die Menge, Qualität und Rückverfolgbarkeit der Ware bis zum Acker. Gebündelt geht das Gemüse an Abnehmer aus dem Einzelhandel.
Doch die Möhren und Kartoffeln müssen vorher gewaschen werden. Nur so könne das Gemüse hygienisch einwandfrei - wie von den Gesundheitsbehörden gefordert - an die Supermärkte weitergegeben werden. Dafür brauchen sie ungefähr 8000 Kubikmeter Wasser pro Jahr, sagen die Schwabs. Das gebrauchte Wasser aus der Wäscherei wird über ein Schilfklärbeet geleitet. Dort wird das Wasser auf natürliche Weise gereinigt, bevor es in der Erde versickert.
Das nächste Ziel von Landwirt Schwab: Das Wasser technisch so aufzubereiten, dass es wiederverwendet werden kann. Das Problem: Ein Wasserkreislauf auf dem Hof wird teuer und aufwändig werden.