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Würzburg/Iphofen
Neuer Handwerkskammer-Präsident: Wie Michael Bissert junge Leute fürs Handwerk begeistern will
Michael Bissert ist das neue Gesicht des unterfränkischen Handwerks. Welche Herausforderungen er als Erstes angehen will, warum er keine Krawatten mag und was er klagenden Kunden antwortet.
Aufgeräumter Schreibtisch, bereit für Herausforderungen: Michael Bissert aus Iphofen sieht als neuer Präsident der Handwerkskammer für Unterfranken nicht nur die Corona-Krise als Top-Aufgabe.
Foto: Fabian Gebert | Aufgeräumter Schreibtisch, bereit für Herausforderungen: Michael Bissert aus Iphofen sieht als neuer Präsident der Handwerkskammer für Unterfranken nicht nur die Corona-Krise als Top-Aufgabe.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:04 Uhr

Michael Bissert aus Iphofen bei Kitzingen wurde vor gut zwei Wochen zum Präsidenten der Handwerkskammer für Unterfranken und damit zum Nachfolger von Walter Heußlein aus Billingshausen (Lkr. Main-Spessart) gewählt. Für den 57-jährigen Unternehmer ist die Corona-Krise die größte Herausforderung des regionalen Handwerks - aber nicht nur. Im Interview erzählt er, welche wichtigen Themen er als Präsident anpacken will, warum er bei der Nachwuchsgewinnung auf die Gymnasien setzt - und wann er laut wird.

Frage: Herr Bissert, Sie sind seit wenigen Tagen im Amt. Welche Herausforderung gehen Sie als Erstes an?

Michael Bissert: Die größte Herausforderung ist der Zeit geschuldet: Corona. Niemand weiß, wohin die Reise geht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine fünfte Welle kommt. Wie gehen wir also im Handwerk damit um? Was nicht mehr sein darf, ist ein völliger Lockdown für die Handwerksbetriebe.

Wäre Corona nicht, was wäre dann für Sie die größte Herausforderung?

Bissert: Natürlich der Fachkräftemangel. Nachwuchsgewinnung. Und Öffentlichkeitsarbeit: Dass wir im Handwerk endlich mal so gesehen werden, wie wir es verdient haben.

Kampagnen in diese Richtung gibt es im Handwerk aber schon ewig. Und jetzt?

Bissert: Ja, die gibt es schon ewig, da haben Sie Recht. Aber das Handwerk ist in unserer Gesellschaft schon so selbstverständlich, dass der Einzelne gar nicht darüber nachdenkt, welches Gewicht das Handwerk hat.

Wo wollen Sie hier im Detail ansetzen? Denn als Präsident haben Sie ein Ehrenamt inne, das eher repräsentative Aufgaben mit sich bringt. Wann stoßen Sie da an Grenzen?

Bissert: Ich habe schon in der vergangenen Woche gemerkt, dass die Grenzen nach oben offen sind. Denn die Wertschätzung, die ich aus der Politik und dem Handwerk erfahren habe, lässt mich hoffen, dass wir in der Zukunft etwas erreichen können.

Handschlag für den Nachfolger: Walter Heußlein (rechts) war einer der ersten Gratulanten, als Michael Bissert am 10. Dezember in Würzburg zum neuen Präsidenten der Handwerkskammer gewählt wurde. Heußlein war aus Altersgründen nicht mehr angetreten.
Foto: Jürgen Haug-Peichl | Handschlag für den Nachfolger: Walter Heußlein (rechts) war einer der ersten Gratulanten, als Michael Bissert am 10. Dezember in Würzburg zum neuen Präsidenten der Handwerkskammer gewählt wurde.
Handwerker sind immer schwerer zu bekommen, es herrscht Materialmangel, die Preise steigen: Was sagen Sie einem Kunden, der sich über all das beschwert?

Bissert: Das wird in Zukunft alles noch mehr ein Problem werden. Nicht nur der Materialmangel, sondern auch die Energiepreise. Sie bereiten mir Kopfzerbrechen. Bis jetzt haben wir die Preiserhöhungen nicht eins zu eins weitergegeben. Im neuen Jahr müssen die Preise aber wohl erhöht werden.

In welchem Maße?

Bissert: Schwer zu sagen. Ich schätze mal, in meiner Branche um rund fünf Prozent (Anm. der Redaktion: Bisserts Betrieb ist auf Sanitär, Heizung und Spenglerarbeiten spezialisiert). Meine Firma bekommt von den Großhändlern jetzt schon zum Teil dreimal im Jahr eine Preiserhöhung. Irgendwann muss ich das weitergeben. Es ist halt eine Frage der Kalkulation: Bin ich als Firma zu günstig, bekomme ich zwar Aufträge, aber es bleibt nicht viel übrig. Bin ich zu teuer . . .

Und wie wollen Sie diese schwierige Situation lösen?

Bissert: Wir müssen in Zukunft die Qualität des Handwerks nach oben setzen. Dazu muss in unserem Bildungssystem ein Wandel beginnen. Die berufliche Bildung muss mit der akademischen gleichgesetzt werden. Wenn sich jemand fürs Handwerk entscheidet, muss er sich dafür nicht schämen, sondern sollte stolz sein. Handwerk hat goldenen Boden – das ist für junge Menschen genial für die Karriere. Ohne Lehrlinge gibt es keine Gesellen, ohne Gesellen keine Meister, ohne Meister keine Betriebe.

"Die meisten Kinder haben viel Spaß, etwas mit ihren Händen zu machen und wollen einmal Handwerker werden – bis sich ihre Eltern einmischen."
Michael Bissert über die Nachwuchsfrage im Handwerk
Betrachtet man allein die Gymnasien, machen in Unterfranken gerade einmal zehn Prozent der Abiturientinnen und Abiturienten im Anschluss eine Lehre im Handwerk. Welche Schularten haben Sie als Präsident also besonders im Visier?

Bissert: Mittlerweile tendiere ich Richtung Gymnasien. Mittel- und Realschulen sind die Basis. Aber an den Gymnasien müssen wir ansetzen. Nicht jeder, der am Gymnasium ist, ist zum Studieren geeignet. Die erwähnten zehn Prozent sind mir zu wenig.

Wie viele sollen es am Ende Ihrer Amtszeit sein?

Bissert: 20 Prozent, das wäre ein Wunsch.

Es gibt Handwerksmeister, die behaupten, dass die jungen Menschen von heute oft nicht mehr mit ihren Händen umgehen können. Deswegen seien viele Lehrstellenbewerber und -bewerberinnen unbrauchbar. Unterschreiben Sie das?

Bissert: Auf jeden Fall. Wir müssen schon in den Kindergärten anfangen. Denn die meisten Kinder haben viel Spaß, etwas mit ihren Händen zu machen und wollen einmal Handwerker werden – bis sich ihre Eltern einmischen.

Sie haben im Vorfeld Ihrer Wahl betont, dass Sie im Handwerk gut vernetzt seien. Sie waren und sind ehrenamtlich stark engagiert. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut - jetzt, wo sie Präsident sind?

Bissert: Das ist die leichteste Übung. Ich bin seit fast 30 Jahren ehrenamtlich unterwegs. Im Betrieb hält mir mein Sohn, der bei mir beschäftigt ist, komplett den Rücken frei. Die Titel, die ich vorher hatte - also Obermeister, Kreishandwerksmeister oder Prüfungsausschussmitglied -, habe ich ad acta gelegt. Jetzt habe ich nur noch ein Ehrenamt, das des Präsidenten. Das steht im Einklang mit meiner Firma. Ich bin eigentlich ein Workaholic: Ich stehe in der Früh um fünf auf, um sechs bin ich in der Firma, mache das Büro, damit der Schreibtisch aufgeräumt ist. Danach gehe ich in die Kammer. Nach unserem Gespräch hier zum Beispiel ziehe ich mich um und gehe auf die Baustellen. Das macht mir Freude.

Das heißt, Sie sind jederzeit auf dem Laufenden, was in Ihrem Betrieb los ist und wo welche Baustelle ist?

Bissert: Auf jeden Fall. Das bleibt auch so. Das war in den vergangenen 30 Jahren schon so, als ich zum Teil fünf verschiedene Ehrenämter hatte. Jetzt hab ich noch ein einziges, das aber das schönste ist. Eines, in dem man am meisten bewirken kann.

Als Präsident müssen Sie Reden halten, müssen repräsentieren, müssen Anzug und Krawatte tragen. Liegt Ihnen das alles?

Bissert: Ich kann verschiedene Krawattenknoten. All die Anzüge, die ich habe, kann ich in meinem Leben nie mehr auftragen.

Was haben Sie lieber an: einen Anzug oder einen Blaumann?

Bissert: In der Früh den Blaumann, Richtung Nachmittag den Anzug. Allerdings engt eine Krawatte ein. Ich mag es eher ohne, eher den zeitlosen Stil.

Digitalisierung im Handwerk: Wie fit fühlen Sie sich bei diesem Thema?

Bissert: Extrem fit. Wenn ich morgens um fünf aufstehe, schaue ich erst einmal aufs Handy. Das ist ein Ritual. Gegen 20 Uhr wird es allerdings wieder ausgeschaltet.

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Wie digital sind die unterfränkischen Handwerksbetriebe?

Bissert: Die sind wahnsinnig fit und wahnsinnig weit. Das ist mittlerweile selbstverständlich. Man bekommt ja alles nur noch digital. Ob das Ausschreibungen sind oder Bewerbungen. Wenn bei uns eine Heizung in Betrieb genommen wird, hängt sie in diesem Moment am Netz. Das heißt, die Heizung sagt mir, wenn irgendwo ein Fehler auftritt – bevor das der Kunde überhaupt merkt.

Es ist vorgeschrieben, dass der Präsident einer Handwerkskammer immer von der Arbeitgeberseite kommen muss. Auch Sie sind Unternehmer. Wie wollen Sie als Präsident im Sinne der Arbeitnehmerinnen und -nehmer im Handwerk agieren?

Bissert: Das fällt mir relativ leicht. Denn ohne die Arbeitnehmer wäre das Handwerk ja nichts. Jede Firma ist nur so stark wie es ihre Mitarbeiter sind. Da habe ich den Vorteil, dass ich selbst noch auf den Baustellen mitarbeite. Wertschätzung ist für mich wichtig. Gerade im Handwerk – unabhängig davon, ob jemand Auszubildender oder Meister ist. Ich gehe auf jeden zu, und das geradlinig.

Handwerkskammerpräsident Michael Bissert (rechts) im Interview mit Main-Post-Redakteur Jürgen Haug-Peichl
Foto: Fabian Gebert | Handwerkskammerpräsident Michael Bissert (rechts) im Interview mit Main-Post-Redakteur Jürgen Haug-Peichl
Das Klischee sagt, dass Handwerker ein Fall fürs Grobe, robust und kantig sind. Sind Sie in dieser Hinsicht als Präsident auch ein Handwerker?

Bissert: Auf jeden Fall. Aber kantig eher weniger. Ich bin sehr kommunikativ. Ich höre mir gerne die Meinung meiner Kollegen an und bilde mir dann meine Meinung. Ich bin auch unvoreingenommen.

Werden Sie manchmal auch laut - und wenn ja: was muss da passieren?

Bissert: Wenn es unfair wird oder unter die Gürtellinie geht. Im Normalfall aber eher nicht.

Welche Handwerksarbeiten sind Ihnen am liebsten?

Bissert: Die Spenglerarbeiten. Man dichtet ein Haus ab, man macht schöne Verkleidungen an Dächern – und jedes Mal, wenn ich später mit dem Auto dort vorbeifahre, sehe ich, was ich gemacht habe. Ich habe zum Beispiel vor ungefähr 30 Jahren in meiner Gegend mal einen Kirchturm verkleidet. Wenn ich daran vorbeifahre, schaue ich jedes Mal hoch und dann geht mir das Herz auf.

Zur Person

Mit Meisterbriefen als Gas- und Wasserinstallateur sowie als Spengler führt Michael Bissert in Iphofen einen kleinen, etwa 190 Jahre alten Familienbetrieb. Neben ihm arbeiten dort sein Sohn Stefan (36) sowie zwei weitere Mitarbeiter. Bissert ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der 57-Jährige ist Sammler von Uhren und hochwertigen Stiften.
Seine Wahl zum Präsidenten der Handwerkskammer für Unterfranken durch die Vollversammlung kam nicht überraschend, weil Bissert seit Jahren viele Ehrenämter im Handwerk besetzt. So war er zuletzt einer von zwei Vizepräsidenten der Kammer, seit 2011 dort auch Vorstandsmitglied und von 2008 bis 2016 Kreishandwerksmeister in Kitzingen. Ähnlich lange stand er als Obermeister der SHK-Innung Kitzingen vor. SHK steht für Sanitär-, Heizungs- und Klimabranche. Neben weiteren Ehrenämtern hat sich Bissert in der Vergangenheit in Gesellen- und Meisterprüfungsausschüssen engagiert.
aug
 
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