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Basketball: Bundesliga
Die bewegte Geschichte von s.Oliver und dem Basketball in Würzburg
Insgesamt 20 Jahre lang unterstützte das Rottendorfer Modeunternehmen die hiesigen Korbjäger. Firma und Klub gingen durch dick und dünn. Eine Chronik.
Der aktuelle Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler hat gerade einen Haufen Arbeit vor sich.
Foto: Heiko Becker | Der aktuelle Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler hat gerade einen Haufen Arbeit vor sich.
Stefan Mantel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:22 Uhr

Die Erfahrung ist nicht neu: Zum zweiten Mal nach 2003 zieht sich das Rottendorfer Modeunternehmen s.Oliver als namensgebender Hauptsponsor bei Würzburgs Bundesliga-Basketballern zurück. Zum Saisonende ist Schluss, teilten die Baskets am Montagmittag in einer dürren, die Enttäuschung über das abrupte und relativ kurzfristig mitgeteilte Ende kaum verhehlenden Pressemitteilung mit (wir berichteten). Damit endet eine zwölfjährige Partnerschaft, die es in ähnlicher Form schon einmal mit den X-Rays als Vorgänger des heutigen Klubs gab. Der Ursprung der Zusammenarbeit zwischen dem Textilhersteller und den Würzburger Korbjägern datiert aus dem Jahr 1994 und war ein Verdienst von Wolfgang Malisch, im Hauptberuf Professor für anorganische Chemie und damals Abteilungsleiter bei Zweitligist DJK Würzburg.

Damals übernimmt „s.Oliver“ die Trikotwerbung von der Molkerei „Frankenland“ und wird erstmals in den Vereinsnamen integriert. Der Klub geht fortan als „DJK s.Oliver Würzburg“ auf Korbjagd – sowohl bei den Männern als auch den Frauen, die am Ende dieser Saison in die erste Bundesliga aufsteigen. Die Männer-Mannschaft um die Eigengewächse Dirk Nowitzki, den späteren NBA-Star der Dallas Mavericks aus Heidingsfeld, den Ochsenfurter Robert Garrett und den Aschaffenburger Demond Greene sowie den nachverpflichteten Kroaten Ivo Nakic folgen drei Jahre später. In der Saison 1998/99 gehen beide Teams im Oberhaus mit dem s.Oliver-Logo auf dem Trikot auf Korbjagd – ein Novum im deutschen Basketball.

Der Fokus des Geldgebers liegt fortan aber auf der Männer-Mannschaft, die Frauen stiegen 2000 wieder aus der Bundesliga ab. Im selben Jahr vergrößert die Firma von Gründer und Alleineigentümer Bernd Freier ihr Engagement im Basketball – aber nicht beim heimischen Klub. Für fünf Jahre erwirbt sie die Namensrechte an der „s.Oliver Basketball-Bundesliga“. Die „X-Rays“, wie der Klub in Anlehnung an die Erfindung der Röntgenstrahlen in der Domstadt genannt wird, spielen 2000/01 unter dem heutigen Bundestrainer Gordon Herbert ihre beste Saison, werden am Ende der Hauptrunde Fünfter und müssen sich erst in vier dramatischen Play-off-Partien Gießen geschlagen geben. Im selben Jahr wird – auch auf Drängen aus Rottendorf – die „X-Rays Sport-Marketing GmbH“ gegründet und der Spielbetrieb aus dem Stammverein ausgegliedert. „Das Kürzel DJK fällt künftig weg“ titelt diese Redaktion – sehr zum Ärger des damaligen DJK-Vorsitzenden Wolfgang Faust, der die Loslösung heftig kritisiert.

Ab der Saison 2001/02 laufen die X-Rays als „s.Oliver Würzburg“ auf. Doch die weitere Zusammenarbeit dauert nur zwei Jahre. Überraschend kündigt das Unternehmen das Ende seiner finanziellen Zuwendungen zum Ende der Saison an. Von mangelnder Professionalität und der Weigerung, die Geschäftsstelle nach Rottendorf an den Firmensitz zu verlagern, ist damals die Rede. Eine Aussage, der X-Rays-Geschäftsführer Jörg Falckenberg heftig widerspricht. Als die Nachfolger-Suche ins Leere zu Laufen droht, verlängert s.Oliver doch noch für eine weitere Spielzeit 2002/03 – die sportlich aber zum Desaster gerät. Die zusammengestellte „Low-Budget“-Mannschaft ist chancenlos und steigt am Ende der Saison sportlich ab, der bisherige Hauptgeldgeber zieht sich endgültig zurück.

Der einstige Würzburger Trainer John Patrick im Dialog mit dem aktuellen Würzburger Spieler Desi Rodriguez im vergangenen Jahr in Ludwigsburg.
Foto: Heiko Becker | Der einstige Würzburger Trainer John Patrick im Dialog mit dem aktuellen Würzburger Spieler Desi Rodriguez im vergangenen Jahr in Ludwigsburg.

Dank der Liga-Aufstockung von 14 auf 16 Vereine bleiben die X-Rays jedoch erstklassig und gehen dank des Engagements des Breitengüßbachers Unternehmers Günther Tröster – zuvor Hauptsponsor bei Bambergs Basketballern, wo er im Unfrieden schied – als „TSK Würzburg“ an den Start. Zwei Jahre lang, mit immer wieder zu Tage tretenden finanziellen Problemen, hält sich der Klub noch in der Bundesliga. Im Mai 2005 folgt der sportliche Abstieg nach sieben Jahren, kurz darauf meldet die X-Rays GmbH Insolvenz an.

Ein Neuanfang in Liga zwei unter Federführung von Nowitzki-Mentor Holger Geschwindner und Nico Wucherer, älterer Bruder des gerade als Baskets-Cheftrainer geschassten Denis Wucherer, mit dem neu gegründeten „USC Mainfranken“ scheitert brachial. Mit nur einem Sieg verschwindet der Profi-Basketball in Würzburg von der Bildfläche – bis im Jahr 2007 Geschäftsmann Jochen Bähr („büroforum“) und der damalige kaufmännische Leiter des Mainfranken-Theaters, Klaus Heuberger, die „Baskets“ aus der Taufe heben. Den beiden Machern gelingt es, die Basketball-Begeisterung in Würzburg neu zu entfachen, den Klub binnen drei Jahren zurück in die zweite Liga ProA zu hieven – und dort zur Saison 2010/11 „s.Oliver“ als namensgebenden Hauptsponsor wieder ins Boot zu bekommen.

Klaus Heuberger (links) und Jochen Bähr hoben die Baskets aus der Taufe.
Foto: Fabian Frühwirth | Klaus Heuberger (links) und Jochen Bähr hoben die Baskets aus der Taufe.

Gleich im ersten Jahr der wiedergewonnenen Partnerschaft schaffen die „s.Oliver Baskets“ die Rückkehr ins Oberhaus. Damit schreiben sie Geschichte: Noch nie zuvor glückte einem Klub der Durchmarsch von der Viert- bis in die Erstklassigkeit. Im ersten Jahr unter Trainer John Patrick ziehen die Baskets als Sechster in die Play-offs ein, schmeißen dort sensationell Alba Berlin mit 3:1-Siegen aus dem Wettbewerb, spielen im Jahr darauf international im EuroCup-Wettbewerb und verpassen als Neunter nur knapp die Play-offs. Doch finanziell ziehen dunkle Wolken auf, im Herbst 2013 ist von 800 000 Euro Verbindlichkeiten die Rede. Klub-Mitbegründer Jochen Bähr zieht sich zurück, s.Oliver-Chef Bernd Freier und Flyeralarm-Boss Thorsten Fischer übernehmen als Privatpersonen zu je 50 Prozent die Anteile an der „Sport und Event Würzburg Baskets GmbH“.

Logo s.Oliver Würzburg
Foto: s.Oliver Würzburg | Logo s.Oliver Würzburg

Trotz des Abstiegs in die ProA 2014 hält s.Oliver dem Klub die Treue und initiiert unter dem Motto „#WUEcomeback“ die Pläne für den – erfolgreichen – Wiederaufstieg. 2016 übernimmt Freier die Anteile Fischers, ist fortan Alleingesellschafter, der Klub firmiert fortan als „s.Oliver Würzburg“. Nach der abermaligen Play-off-Teilnahme 2016 muss Aufstiegstrainer Douglas Spradley nach einer missratenen Vorrunde am Silvesterabend seinen Stuhl räumen – und mit Dirk Bauermann übernimmt der nach Titeln erfolgreichste deutsche Vereinstrainer. Binnen drei Jahren möchte er die Baskets zu einem dauerhaften Anwärter aufs Play-off-Halbfinale formen – und damit nicht weniger als zu einem Top-Klub in Deutschland.

Doch nach nur eineinhalb Spielzeiten mit enttäuschenden Resultaten ist bereits wieder Schluss, Bauermanns langjähriger Zögling Denis Wucherer übernimmt. Mit kleinerem Budget, dafür attraktiverem Offensiv-Basketball führt er die Baskets in seiner ersten Saison bis in die Finalspiele um den „Fiba EuropeCup“. Und vermutlich hätten die Baskets der Domstadt sogar den ersten internationalen Titel beschert, hätte Jordan Hulls, der zum besten Spieler des Wettbewerbs gewählt wurde, im Final-Rückspiel nicht verletzungsbedingt gefehlt. Freier reicht hinter der Spielerbank die Getränkeflaschen, fiebert emotional wie selten zuvor gesehen mit.

Dirk Bauermanns Gastspiel in Würzburg war von relativ kurzer Dauer.
Foto: HMB Media / Volker Danzer | Dirk Bauermanns Gastspiel in Würzburg war von relativ kurzer Dauer.

In Jahr zwei unter Wucherer sind die Baskets auf Play-off-Kurs, ehe Corona im März 2020 die Saison schlagartig beendet – mit dramatischen Konsequenzen für die Baskets. Der Hauptsponsor reduziert seine Zuwendungen deutlich, mit Ach und Krach gelingt im Frühjahr 2021 der Klassenerhalt.

In der aktuellen Saison sollte es wieder aufwärts gehen – nach der jüngsten 86:87-Niederlage am Sonntag gegen Braunschweig stehen die Baskets erstmals auf einem Abstiegsplatz, Denis Wucherer ist tags darauf Geschichte – ebenso die Zusammenarbeit mit s.Oliver zum Saisonende, wie der Klub am selben Tag verkündet.

Die Baskets sind damit in „guter Gesellschaft“ in der Liga. Auch in Bayreuth zieht sich der namensgebende Geldgeber am Saisonende zurück, in Bonn tut dies der Hauptsponsor sukzessive bis 2025 und gibt die Namensrechte bereits ab 2022 frei. Auch in Frankfurt, Oldenburg und Bamberg hat das jeweils für den Klubnamen zahlende Unternehmen teils drastische Budgetkürzungen angekündigt beziehungsweise schon umgesetzt.

 
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  • H. F.
    Vielen Dank für den informativen und interessanten Rückblick auf spannende und bewegende Basketball-Jahre, Herr Mantel!
    Wohltuend - sicherlich auch für die meisten Basketfallfans hier - Ihr sachlicher Schreibstil im Vergleich zu den reißerischen Formulierungen auf Boulevard-Niveau des Kollegen Brandstetter, in denen ein über Jahre verdienter Trainer nicht einfach entlassen oder freigestellt sondern „rausgeworfen“ wird und wo „man was so hört“ anstatt Fakten recherchiert.
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