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Würzburg
Baskets: Was Denis Wucherer erwartet
Neue Mannschaft, neue Ziele: Nach einem schwierigen Jahr will s.Oliver Würzburg in der neuen Saison an die Vor-Corona-Zeit anknüpfen.
Blick in eine bessere Zukunft? Baskets-Trainer Denis Wucherer erwartet ein besseres Abschneiden als in der vergangenen Saison, die die Würzburger als Sechzehnter beendeten.
Foto: Heiko Becker | Blick in eine bessere Zukunft? Baskets-Trainer Denis Wucherer erwartet ein besseres Abschneiden als in der vergangenen Saison, die die Würzburger als Sechzehnter beendeten.
Thomas Brandstetter
 |  aktualisiert: 22.08.2022 17:02 Uhr

Mit der Partie in Crailsheim startet Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg an diesem Samstag (18 Uhr) in die neue Spielzeit. Nach einem schwierigen Jahr, in dem die Minimalziele Überleben als Verein und Klassenerhalt erreicht worden sind, soll es nun wieder aufwärts gehen. Ein Gespräch mit Coach Denis Wucherer über neue Ziele,  deutsche und ausländische Trainer und seine mögliche Zukunft.

Frage: Wie zufrieden sind Sie mit der Vorbereitung, in der Sie nur zwei von zehn Testspielen verloren haben?

Denis Wucherer: Diese Testspiele sind ja immer ein bisschen schwierig zu bewerten. Wenn du zum Beispiel wie wir am vergangenen Wochenende bei unserer zweigeteilten Generalprobe in Ludwigsburg und gegen Heidelberg zwei Tests innerhalb von 24 Stunden hast, eine Woche vor Saisonbeginn, da spielst du natürlich nicht acht Viertel lang Vollgas. Auch in Ulm haben wir nicht zwingend so gecoacht, dass wir das unbedingt gewinnen wollten. In der Vorbereitung ist es ganz gut, ein Spiel auch mal nicht zu gewinnen (er grinst). Aber wir haben das Gefühl, dass wir gegen vernünftige Bundesliga-Mannschaften mitspielen können und auf einem ähnlichen Niveau agieren. Dies und die Tatsache, dass zum ersten Spiel wohl alle Spieler gesund auflaufen werden, sorgt dafür, dass wir mit den ersten fünf, sechs Wochen zufrieden sein können. 

Klingt zumindest etwas optimistischer, als Sie in der vergangenen Runde häufiger klangen, in der Sie die Bundesliga-Tauglichkeit Ihrer Mannschaft mehr als einmal infrage stellten beziehungsweise stellen mussten . . . 

Wucherer: Wir haben heute individuell mehr Qualität. Gerade auch auf Schlüsselpositionen wie im Aufbau. Und auch die, die auf der Aufbauposition aushelfen, also Spieler, die Entscheidungen treffen sollen, haben mehr Spielintelligenz. Ich hoffe, dass wir auch ein bisschen stabiler und cleverer sein werden. Wir wollten auch mehr Erfahrung haben. Zum Beispiel unser Point Guard. Wenn du einen Nationalspieler aus Uruguay hast, der in Brasilien recht erfolgreich sein Unwesen getrieben hat, und die brasilianische Liga ist jetzt keine ganz schlechte, da waren wir uns dann relativ sicher, dass Luciano Parodi auch in der Bundesliga funktionieren kann. Jetzt hat er leider dreieinhalb Wochen verletzungsbedingt gefehlt und nur die letzten zehn, 14 Tage richtig mittrainieren können. Ihm fehlt natürlich die Vorbereitung etwas, und der Rest des Teams muss sich auch erst noch besser auf ihn einstellen. Das wird noch ein wenig Zeit brauchen. Aber das wird schon. Hoffentlich.

Nach eineinhalb Jahren Pause dürfen nun wieder Zuschauer in die Halle. Wie groß ist Ihre Vorfreude darauf?

Wucherer: Ich bin gespannt, wie das wird. Zuletzt bei unserem Testspiel in Ulm waren, glaube ich, 1000 Leute in der Halle. Auch wenn 6800 reinpassen - die 1000 waren schon relativ laut. Mit Trommeln und Fangesängen und allem. Das war gut. Aber daran müssen wir uns erst wieder gewöhnen. Bin neugierig darauf, wie wir damit umgehen.

Ihre Auftaktpartie in Crailsheim ist auch das Duell der beiden einzigen gebürtigen deutschen Trainer der Bundesliga. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung, dass immer weniger einheimische Coaches einen Arbeitsplatz finden in der Liga?

Wucherer: Die Entwicklung geht natürlich in die völlig falsche Richtung. Als ich 2015 mit Gießen aufgestiegen bin, waren wir neun Deutsche von 18 Coaches. Jetzt sind es zwei von 18, okay, wenn man genau hinguckt: Oldenburgs Mladen Drijencic hat auch einen deutschen Pass, sind wir also drei von 18. Was aber noch viel schlimmer ist, dass viele der deutschen Coaches, die es mal in der Bundesliga gab, irgendwie verpufft sind. Es ist nicht so, dass die in einer Warteschleife sind und darauf warten wiederzukommen. Das ist irgendwie ein deutsches Phänomen, dass deutsche Trainer dann plötzlich von der Bildfläche völlig verschwinden.

Und was können die Trainer aus Holland, Finnland oder Spanien besser als die deutschen?

Wucherer: Ich habe da auch keine richtige Erklärung, warum es so ist, wie es ist. Es sind ja oft auch gute Coaches, ich habe großen Respekt vor meinen Kollegen aus Holland, Finnland, Belgien, Österreich, Spanien und so weiter. Sie haben eines den deutschen Nachwuchscoaches voraus: Sie hatten mal die Möglichkeit, in ihrer Heimat auf dem höchsten Niveau zu arbeiten und zu zeigen, dass sie es können. Und diese Chance haben deutsche Trainer nicht. Das ist der große Unterschied. 

In anderen Basketball-Ländern sieht das ganz anders aus.

Wucherer: Selbst in der ProA, also unserer zweiten Liga, ist die Quote für deutsche Trainer noch negativ. Positiv wird sie erst in der ProB, und auch da nur knapp. Wenn du dir Spanien anschaust, Frankreich oder Italien, also in vergleichbare Ligen zur BBL guckst, dann ist die Quote genau anders herum im Vergleich zu Deutschland. Da sind's bei 18 Mannschaften 14, 15 einheimische Coaches. Das ist einfach eine komplett andere Mentalität. Das heißt nicht, dass italienische oder französische Trainer besser sind als die deutschen. Ich habe ja als Spieler selbst sechs oder sieben Coaches in Italien erleben dürfen. Ich kann sagen: Das können wir auch. Dort herrscht aber ein anderes Selbstverständnis, da spielt auch Stolz mit. Die Entscheidungsträger in den Klubs setzen einfach nicht auf deutsche Coaches. Das ist eine Kultur, die sich in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. Ich habe letztes Jahr gesagt: Wenn irgendwann mal eine Däne kommt oder einer aus Luxemburg, dann höre ich auf (er grinst). 

Diese Einstellung gibt es nicht nur in den Klubs: Mit Gordon Herbert hat auch der Deutsche Basketball-Bund nun einen Kanadier als neuen Bundestrainer und Nachfolger von Henrik Rödl verpflichtet, der ja zumindest mit der Qualifikation für Olympia und dann auch in Tokio mit der Nationalmannschaft positiv überrascht hat - und dennoch nicht weitermachen durfte.

Wucherer: Prinzipiell ist Herbert erst einmal ein guter Coach. Er hat in der BBL einen guten Job gemacht. Ich habe für ihn in Frankfurt ja auch eine halbe Saison gespielt, kenne ihn also ganz gut. Er ist deutscher Meister geworden mit Frankfurt. Er kennt die Liga. Er ist ein absoluter Fachmann. In Berlin hat's dann irgendwann mal nicht so geklappt (Anmerk. d. Red: Berlin scheiterte mit Trainer Herbert, der seine Bundesliga-Karriere in Würzburg begann, 2012 im Play-off-Viertelfinale an den Baskets), später in Frankreich auch nicht so. Ich bin mir sicher, dass es auch in Deutschland, gerade in dem Programm, in dem Trainer für die BBL und für den DBB aufgebaut werden sollen, genügend interessante Kandidaten gegeben hätte. Es ist aber immer auch eine Frage der Ausrichtung: Wie mittelfristig oder wie langfristig ist das Ganze angelegt? Wie wichtig ist die Heim-Europameisterschaft im nächsten Jahr? Wie viel Druck ist da? 

Auch Sie hätten ein Kandidat sein können, haben ja bereits für den DBB gearbeitet, und ihr Vertrag in Würzburg läuft am Saisonende aus, und jetzt hätte man bestimmt auch eine Lösung finden können . . .

Wucherer: Ich weiß nicht, ob ich da auf irgendwelchen Listen stand. Ja, ich war Co-Trainer der Nationalmannschaft unter Dirk Bauermann bei der EM in Polen und bei der WM in der Türkei, und ich habe als Headcoach die U20 und die A2 betreut. Das war so mein Einstieg in das Trainerdasein. Natürlich, ich träume ja auch immer noch davon, irgendwann einmal in der Euro League zu coachen, aber mit dem Adler auf der Brust . . . Ich habe 123 Mal in dem Trikot gespielt . . . Den Laden zu coachen, gerade mit dem Potenzial, das wir gerade haben an Talenten, an Euro-League- und NBA-Spielern . . . Da kannst du immer eine gute Rolle spielen. Henrik Rödl hat ja zuletzt gezeigt, was möglich ist mit dieser Mannschaft.

Zurück nach Würzburg. Vor eineinhalb Jahren haben Sie mal als persönliches Ziel formuliert, gerne einen Fußabdruck bei ihren jeweiligen Arbeitgebern hinterlassen zu wollen. Sie waren vier Jahre in Gießen, vollenden Sie die nun anstehende Saison, wären es auch hier vier Jahre. Könnten Sie sich, vor allem nach dem mehr oder weniger verlorenen Jahr durch die Pandemie, vorstellen, auch länger zu bleiben?

Wucherer: Es ist ja auch eine Frage, ob der Verein das will. Letztes Jahr kam viel dazwischen, sonst hätte man sich womöglich damals schon mal zusammengesetzt,  jedenfalls, wenn ich die Signale richtig gedeutet habe. Es kommt natürlich auch darauf an, wie die ersten sechs, acht Wochen jetzt laufen werden. Sollte es von Anfang an wieder schwieriger werden, dann darf man auch nicht überrascht sein, wenn so ein Gespräch erst einmal nicht stattfindet. Aber da sind wir auch wieder bei dem Thema: Drei Jobs gibt's für einen Deutschen in der Bundesliga, einen davon habe ich. Da bin ich sehr glücklich darüber. Und dementsprechend wäre ich natürlich auch sehr glücklich, wenn es hier in Würzburg für mich weiterginge.

Das klingt danach, als ob sie nach einem schwierigen letzten Jahr mit heftigen Einschnitten auch im Budget nun wieder eine Perspektive in Würzburg sehen. 

Wucherer: Die ersten zwei Jahre haben richtig Spaß gemacht, da war richtig Dampf drin, auch mit Hinblick auf die neue Halle. Jetzt stellen wir uns ein bisschen neu auf nach einem sehr, sehr schwierigen Jahr. Wir, also mein Sohn und ich, fühlen uns hier in Würzburg extrem wohl. Und auch das sportliche Umfeld passt sehr gut, mit dem Trainingszentrum, die tägliche Arbeit, das Verhältnis zu Steffen (Anmerk. d.  Red: Geschäftsführer Liebler) und seinem Team passt sehr gut. Das macht Spaß. Und wenn etwas gut ist und Spaß macht, dann ist das natürlich auch immer eine Option - sofern es von Seiten des Klubs auch gewünscht wird -, hier über vier Jahre hinaus weiter zusammenzuarbeiten. Die letzten eineinhalb Jahre waren so ja wirklich nicht geplant. Und gerade im letzten Jahr wurde der Fußabdruck ja nicht wirklich größer (er grinst). Ich hoffe, dass wir nun auf die ersten beiden Jahre ein wenig aufbauen können.

Wie lautet denn das offizielle Saisonziel? Vor zwei Jahren hieß es: Wir wollen um die Play-offs mitspielen. Vor der vergangenen Runde ging's ausschließlich ums Überleben, auch ums sportliche.

Wucherer: Wir wollen uns wieder in Richtung Mittelfeld orientieren, gerne mit Blick nach oben. Es wird nicht einfach, an die ersten beiden Jahre anzuknüpfen. Die ersten sechs Plätze sind immer irgendwie an die üblichen Verdächtigen vergeben, das hat natürlich auch mit dem Budget zu tun. Auf sieben und acht ist andererseits auch immer Platz für eine Überraschungsmannschaft. Auch wenn wir gerne eine der Überraschungsmannschaften sein würden - letztlich wäre alles zwischen Platz sieben und zwölf völlig okay. Wenn das klappt, haben wir alle einen guten Job gemacht. Aber da liegt eine Menge Arbeit vor uns.

Befürchten Sie, dass vom miserablen letzten Eindruck der vergangenen Runde, die Sie als Sechzehnter beendeten, vor allem von den letzten drei Spielen, irgendetwas bei den Fans hängen geblieben ist?

Wucherer: Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden. Ich habe das komplett verdrängt (er grinst wie ein Lausbube). Im Ernst: Für uns waren diese Auftritte nicht wirklich eine Überraschung, wir haben die Spieler ja im Training erlebt. Da ging, spätestens, nachdem der Klassenerhalt festgestanden hatte, gar nichts mehr. Da ist auch gar nichts mehr angekommen. Insofern: Schwamm drüber. Dieses Jahr würden wir gerne mit den Fans im Rücken eine Mannschaft sein, die zu Hause erst einmal geschlagen werden muss. Auch von den guten und finanziell sehr stark aufgestellten Vereinen. Und das geht nur über Stimmung, über Leidenschaft und Emotionen. Aber wie jedes Jahr: Die Mannschaft muss sich erst einmal in die Herzen der Fans spielen. Das kommt nicht von alleine. Wir sind in der Bringschuld. In der Hoffnung, dass wir eine Mannschaft haben, mit der sich die Fans, die Zuschauer identifizieren können. Und wir dann hoffentlich gemeinsam eine Saison spielen, an die wir uns gerne erinnern.

Das Programm der Baskets bis zum Jahresende (H = Heimspiel,  A = Auswärtsspiel)

Sa., 25.9, 18 Uhr: Crailsheim (A)
So., 3.10., 15 Uhr: Syntainics MBC (H, Pokal)
Fr., 8.10, 20.30 Uhr: Oldenburg (H)
Sa., 16.10, 20.30 Uhr: Syntainics MBC (A)
Sa., 23.10, 20.30 Uhr: Heidelberg (A)
So., 31.10., 15 Uhr: Gießen (H)
Di., 2.11., 20.30 Uhr: München (H)
Sa., 6.11., 20.30 Uhr: Bonn (A)
So., 21.11., 15 Uhr: Frankfurt (H)
So., 5.12., 15 Uhr: Ludwigsburg (A)
So., 12.12., 15 Uhr: Braunschweig (H)
So., 19.12., 15 Uhr: Hamburg (H)
Mo., 27.12., 20.30 Uhr: Göttingen (H)
Fr., 31.12., 14 Uhr: Berlin (A)
Quelle: BBL
 
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