Gut sechs Wochen ist es her, dass Denis Wucherer diesen Kloß im Hals hatte und traurig war, wie er bekannte. Am Montag, 16. März, schickte er seine Spieler in die damals freiwillige Quarantäne, und die gerade auch in Deutschland so richtig aufflammende Coronavirus-Pandemie sorgte dafür, dass sich der in gut einer Woche 47 werdende Cheftrainer von Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg fühlte wie am Ende einer Saison. Seine Vermutung, dass "diese Mannschaft so womöglich nicht mehr zusammenspielt", ist seit Montagabend Fakt - und die Saison für die Baskets auch offiziell endgültig beendet. Nach der Hängepartie in den letzten Wochen.
Plaudert man am Dienstag ein wenig mit ihm über die neue Gewissheit, ist zum einen seine Enttäuschung selbst durchs Telefon fast greifbar: "Dass wir nicht dabei sind, tut richtig weh." Zum anderen aber betont er auch mehrfach, hinter der Entscheidung von Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler zu stehen, nicht an dem sogenannten Play-off-Turnier teilzunehmen, in dem der Meister doch noch gekürt werden soll. Anders als die Handballer und Eishockeyspieler haben Deutschlands beste Basketballer beschlossen, ihre Saison spielerisch zu beenden. Wenn es Politik und Behörden denn nach Präsentation eines Hygiene-Konzepts erlauben.
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Letztlich sei für die Würzburger zu vieles fraglich geblieben, um guten Gewissens mit zu tun bei dem geplanten Turnier, dass in zwei Fünfergruppen an einem bis nächsten Montag zu bestimmenden Ort starten soll, ehe Viertel- und Halbfinals sowie das Finale steigen. "Es war nicht klar, ob die dadurch entstehenden Mehrkosten für uns darstellbar gewesen wären und ob wir dann auch eine Bundesliga-taugliche Mannschaft an den Start gebracht hätten", sagt Wucherer. Der komplette Verein ist in Kurzarbeit, die Verträge der Spieler laufen Ende Mai aus, sie hätten verlängert werden müssen, weil das Turnier vermutlich erst im Juni ausgetragen wird. Überdies steht in den Sternen, ob man die in ihre US-Heimat zurückgekehrten Spieler wie Brekkott Chapman, Luke Fischer und Jordan Hulls überhaupt zu einer Rückkehr hätte bewegen können.
Die Liga war gespalten, es hatte sich neben den Befürwortern einer irgendwie gearteten Fortsetzung auch eine Allianz gebildet, die für den Saisonabbruch war. Nach allem, was zu hören ist in der Szene, steht die letzte Rate der Telekom, die die Partien auf ihrer Internetplattform Magenta überträgt, noch aus. Zu zeigende Spiele sind die Voraussetzung dafür, dass die Kohle fließt. Bei einem freiwilligen Verzicht drohten der Liga, deren Taschen durch das Fernsehgeld sowie andere Sponsoren wie Klassen-Namenspatron easycredit gut bis prall gefüllt sein sollen, saftige, millionenschwere Schadensersatzforderungen. Vor allem deshalb kam es zuletzt zu diesem Eiertanz.
Mit der nun gefundenen Lösung - Wucherer nennt sie "Plan C" - hadert der Baskets-Trainer indes gehörig. Die Liga hatte es den Vereinen überlassen, wer an dem Turnier teilnehmen mag. "Das hat aber nicht das Geringste mehr mit der Grundidee des Basketballs und dem Play-off-Gedanken zu tun, wenn jeder teilnehmen kann, der will", sagt Wucherer. Wie etwa der Tabellenvierzehnte Frankfurt, der fünf Saisonsiege weniger hat als der Achte Würzburg. Neben den sieben vor den Baskets platzierten Teams spielen außerdem noch der Neunte Göttingen und der Zehnte Ulm weiter. "Und wenn sie das dann auch noch Play-off-Turnier nennen", so Wucherer, "dann ist das einfach nur grotesk." Die zehn Turniermannschaften werden vor die sieben anderen Bundesligisten gesetzt, die Baskets zum Rundenende also als Bester des Rests als Elfter notiert.
Baskets-Geschäftsführer Liebler, der bereits am Montag gesagt hatte, "aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt" zu haben und der Linie treuzubleiben, "in finanzieller Hinsicht keine Risiken einzugehen", betont am Tag danach, dass "wir uns nicht querstellen, die getroffene Entscheidung der Liga könnte auch ein große Chance für den Basketball sein". Er habe sich in der fünfstündigen Videokonferenz, die nach Informationen dieser Redaktion für eine Stunde unterbrochen worden war, in der die Vereine in sich gehen sollten und dann ihre Entscheidung mitteilen mussten, "viele Fragen gestellt". Im Vorfeld habe er sich "auch mit unserem Gesellschafter Bernd Freier intensiv ausgetauscht".
Die endgültige Entscheidung sei "erst im Laufe der Konferenz gefallen, weil aus unserer Sicht einfach zu viele Fragen offen geblieben sind. Ob das richtig oder falsch war, wird sich erst im Nachhinein rausstellen". Es gehe für den Klub ja nicht nur um die aktuelle Runde. Sondern um die Zukunft und das Überleben.
Dafür zeigt auch Skyler Bowlin Verständnis -selbst wenn ihm der Saisonabbruch natürlich wehtut und vor allem gewaltig stinkt: "It sucks!" Der US-amerikanische Aufbauspieler ist vor vier Wochen erstmals Daddy geworden, und natürlich hätte auch er die Saison gerne sportlich beendet - aber: "Jetzt ging es offenbar erst einmal vor allem um die Interessen des Klubs und sein Überleben." Für ihn und seine junge Familie bedeutet das nun, wenn der ganze Papierkram erledigt ist, möglichst flott die Schwiegereltern in Dänemark zu besuchen, damit die ihren Enkel endlich auch einmal persönlich kennenlernen. Aktuell kann sich der 30-Jährige, dessen ursprünglich noch für die kommende Saison gültige Vertrag inzwischen von den Würzburgern aufgelöst wurde, nicht vorstellen, noch einmal im Baskets-Leibchen aufzulaufen. Auch wenn es "hier nicht hätte besser laufen können" und er "die Stadt, den Klub und die Fans liebt" und "dankbar für diese Zeit" ist.
Die Prognosen sind nicht rosarot
Sein Agent arbeite daran, für die ungewisse Zukunft einen neuen Arbeitgeber für Bowlin zu finden. Keine leichte Aufgabe, da ja niemand prophezeien kann, wie und wo und vor allem wann es weitergehen wird. Wer weiß heute denn schon, wie sich der Markt entwickeln wird für die Post-Corona-Zeit? Die Prognosen sind natürlich nicht gerade rosarot für die Spieler. Das weiß auch Bowlin, der freilich wie sein Landsmann und ebenfalls noch in Würzburg weilende Baskets-Kapitän Cameron Wells, der seinen Marktwert in dieser Runde eigentlich sehr ordentlich nach oben geschraubt hat, bestimmt nicht stempeln gehen muss. Die zwei werden in jedem Fall unterkommen.
Wenn auch vermutlich nicht mehr in Würzburg. Aber die beiden haben ganz wesentlich mit dazu beigetragen, dass Steffen Liebler dann noch voller Überzeugung sagen konnte: "Im Herzen sind wir Achter, weil wir uns diese Platzierung über mehr als die Hälfte der Saison erkämpft haben."