
Großer Bahnhof für einen großen Namen in der Branche: Am Montag stellte Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg seinen neuen Cheftrainer Dirk Bauermann (59) vor, und weil die Verpflichtung des langjährigen Bundestrainers und neunfachen deutschen Meisters als Coup durchgehen darf, war der Auftrieb entsprechend groß. Nach dem offiziellen Teil nahm sich Bauermann Zeit für ein exklusives Gespräch. Er verriet, wie er die Baskets in dieser Saison noch in die Play-offs und langfristig in die nationale Spitze führen will – und warum er sich auf einen Schoppen mit Dirk Nowitzkis Vater freut.
Dirk Bauermann: Die Freude ist groß. Aber auch die Schadenfreude. Weil es jetzt ja die anderen trifft.
Bauermann: Optimismus gehört zur Grundausstattung eines Trainers. Dass wir Erfolg hier nur schrittweise entwickeln können, ist klar. Durch Handauflegen werden sich die Dinge nicht alle zum Guten wenden. Aber es war auch nicht alles schlecht. Man darf Situationen nicht schlechter machen, als sie sind.
Bauermann: Es gibt Unzufriedenheit, das ist nachvollziehbar. Wir müssen nun über Leistung schaffen, Vertrauen und Optimismus zurückzugewinnen. Inwieweit dies in dieser Saison noch möglich ist, das muss man abwarten. Die Saison ist ja schon relativ weit fortgeschritten. Aber meine Aufgabe ist ja nicht die des Feuerwehrmanns. Meine Aufgabe ist es, langfristig eine Mannschaft und ein Programm zu entwickeln, damit wir uns mit den Besten in Deutschland messen können, strukturell und basketballerisch. Das ist der viel entscheidendere Teil der Aufgabe, als heuer noch in die Play-offs zu kommen. Trotzdem werden wir natürlich alles Menschenmögliche versuchen, um in der Tabelle noch deutlich nach oben zu klettern.
Bauermann: Wir haben intensiv trainiert, ja, die Jungs sind ein bisschen gelaufen. Wir haben natürlich an der Verteidigung gearbeitet. Im Angriff, bei dem es viel auf Timing und Automatismen ankommt, also bei allen Prozessen, an denen der Ball beteiligt ist, dauert das immer etwas länger. Aber unsere Verteidigung können wir relativ schnell stabilisieren. Umso hilfreicher ist es natürlich, dass wir nach dem Spiel in Göttingen am Freitag anschließend eine dreiwöchige Spielpause haben, da können wir richtig was tun, Schwerpunkte setzen und Dinge verändern.
Bauermann: Überhaupt keine Frage, natürlich brauchen wir ein, zwei Spieler. Jake Odum hat zuletzt wirklich Überstunden abarbeiten müssen, und du brauchst auch einfach deshalb Alternativen von der Bank, um im Spiel eine Konstanz zu haben und deine Intensität und deinen Fokus aufrechterhalten zu können.
Um eine bestimmte Art von Basketball zu spielen, defensiv sehr gut zu stehen und daraus explosiv und schnell zu attackieren und dann auch Ball- und Spielerbewegungen zu haben, dazu braucht man Energie. Und da ist Grundlage natürlich einerseits ein topkonditioneller Zustand, andererseits brauchst du eine Tiefe von der Bank, und das war sicher gerade in den letzten Wochen das Problem.
Auch, weil der Klub Ihrem Vorgänger Douglas Spradley Nachverpflichtungen verweigerte . . .
Bauermann: Es gebietet der kollegiale Respekt, dass ich mich über die vergangenen Wochen nicht groß äußern will. Nur so viel: Ich habe gegen Doug viele Male gecoacht, und ich weiß aus eigener Erfahrung, wie sich das anfühlt, entlassen zu werden. Ich habe größten Respekt vor Dougs geleisteter Arbeit hier und in den Jahren zuvor.
Bauermann: Natürlich hätten wir das gerne, aber da bin ich eher skeptisch. Wenn das Spiel am Sonntag wäre, wäre ich zuversichtlicher. Die Mannschaft hat ein gutes Potenzial. Viel wird davon abhängen, ob wir den Richtigen finden. Das ist nicht einfach, weil der Markt leer ist. Jeder sucht gute Aufbauspieler, das ist im modernen Basketball die wichtigste Position. Von den wenigen, die auf dem Markt sind, muss derjenige ja auch zu uns passen.
Bauermann: Ja, es ging sehr schnell. Bernd (Anmerk. d. Red.: Bernd Freier, alleiniger Gesellschafter des Klubs und Boss von Hauptsponsor s.Oliver) und ich haben uns in der Vergangenheit immer wieder getroffen, wir kennen uns schon lange. Er ist jemand, der sich grundsätzlich für Meinungen interessiert von Leuten, die schon mal Erfolge gehabt haben. Ich habe den höchsten Respekt vor seiner Lebensleistung und seiner Energie. Und man spürt eben, dass er sich extrem mit der Mannschaft, dem Verein und der Stadt identifiziert. Beim Hoeneß ist das so ähnlich, der hat auch eine so unglaubliche Identifikation und ruft ständig an und will alles wissen.
Bauermann: Nein, das war die Vorgeschichte. Am 29. kam nach dem Spiel in Bremerhaven der Anruf bei meinem Agenten. Und meine Vertragsstruktur im Iran hat einen schnellen Ausstieg ermöglicht. Ich habe mich nach nur kurzer Überlegung zu dem Schritt entschlossen. Mir ist es auf der einen Seite sehr leicht gefallen, Ja zu sagen. Anderseits ist es mir aber auch schwergefallen, den Iran zu verlassen.
Bauermann: Ich versuche immer, Aufgaben zu finden, die mich reizen und verstehe das hier nicht nur als Trainer-Job. Die Herausforderung ist jedes Mal anders. In Russland war es die enorme sportliche Aufgabe, in der stärksten europäischen Liga. Europacup mit Wolgograd – eine besondere Aufgabe, auf verschiedenen Ebenen. Oder davor in Vilnius in Litauen, einer der beiden Topvereine dort: Euroleague, in dem Land, in dem Basketball Religion ist . . . Das war unglaublich reizvoll. Und der Iran war es auf eine ganz andere Art. Es ist ein unglaublich faszinierendes Land. Noch mal eine andere Kultur kennenzulernen, so viele wundervolle Menschen . . . Auch sportlich war es interessant. Das alles sind Erfahrungen, die einen menschlich noch mal reifen lassen, auch wenn man deutlich über 50 ist (er grinst).
Bauermann: Das hat mich immer interessiert: Nicht nur Trainer einer Profimannschaft zu sein, sondern auch konzeptionell zu arbeiten, sicherzustellen, dass es so etwas wie ein Curriculum gibt, einen vernünftigen Lehrplan. Etwa, dass der U-12-Trainer weiß, wie er zu trainieren hat, und der U-14-Trainer und der von der U 16 bis hinauf zu den Profis. Das sollen keine Handschellen sein, sondern eine konzeptionelle Vorgabe, damit die Ausbildung sauber aufeinander aufbaut. Damit Spieler entwickelt werden können, die sowohl talentiert genug sind als auch genügend gut ausgebildet, um dann mit 18, 19 bei der ersten Mannschaft mitzutrainieren und vielleicht sogar Leistungsträger zu werden.
Bauermann: Die neue Halle ist existenziell wichtig. Wenn du den nächsten Schritt machen willst, geht das nur mit einer neuen Arena. Das war in Bamberg so, in Ulm auch: Wenn du mit einem Schlag die Infrastruktur so verbessern kannst, löst das irre Dinge aus.
Bauermann: Das Allerwichtigste war das Commitment von Bernd Freier, sein Bekenntnis zum Klub und der Stadt, und das ist spürbar. Worte sind immer das eine, aber bei ihm spürt man es. Das war das absolut Entscheidende, sonst wäre ich nicht gekommen.
Bauermann: Es gibt überhaupt keine konkreten Zusagen über Zuwächse im Etat . . .
Bauermann: Klar, der muss steigen. Aber es ist der falsche Ansatz, immer nur beim Gesellschafter anzuklopfen und zu sagen: Mach du mal! Das kann man auch anders hinbekommen. Insofern besteht eher die Aufgabe, auch andere für unser Projekt zu begeistern. Ich verstehe mich ja auch nicht nur als jemand, der ausschließlich in der Halle steht. Ich geh' schon auch gerne mit zu den Sponsoren und versuche, unsere Ideen zu kommunizieren. Da bin ich zu jeder Mühe bereit. Natürlich hängen sportlicher Erfolg und Budget zusammen. Und ob ich auch gekommen wäre, wenn das mit der Halle noch deutlich wackliger wäre, glaub' ich eher nicht. Das war schon auch ein sehr wichtiger Punkt.
Bauermann: . . . aber nach allem, was wir wissen, können wir da einigermaßen optimistisch sein.
Bauermann: Er hat mir eine SMS geschrieben und gemeint, dass er uns sehr intensiv beobachten wird und die Daumen drückt.
Bauermann: Keine Linkereien, keine Spieler gegeneinander ausspielen, keine Tricksereien, sondern ehrlich in der Kommunikation zu sein: Ja, das finde ich gut. Manchmal auch klar und hart zu sagen, was gut ist, aber auch was nicht geht. Und das muss Konsequenzen haben, da braucht man als Trainer eine gewisse Härte. Andererseits versuche ich auch immer, ein Vertrauensverhältnis zu schaffen und den Spielern klarzumachen, dass sie mehr für einen sind als Schachfiguren. Wenn einer meint, er wäre wichtiger als der Erfolg des Teams, wird das aber nicht akzeptiert.
Bauermann: Das stimmt. Für unser Programm damals wäre die Verpflichtung von Dirk unglaublich wichtig gewesen. Aber er hat sich entschieden, in Würzburg zu bleiben. Unter tätiger Mithilfe übrigens von Holger Geschwindner – aber das ist ihm verziehen (er lacht). Dirks Vater Jörg war oft bei der Nationalmannschaft dabei. Bei großen Turnieren saß er immer zwei Reihen links hinter mir im Bus. Er war ein Teil der Familie bei der Nationalmannschaft. Es ist eine sehr, sehr nette und bodenständige Familie, die Nowitzkis. Ich werde Jörg jetzt mal anrufen, und dann werden wir sicher zusammen einen Schoppen trinken. Ich habe ja jetzt den Sprung von Bierfranken nach Weinfranken geschafft.