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Basketball: Bundesliga
Warum die Baskets ihre Ansprüche herunterschrauben
Für Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg geht es ums Überleben - sportlich und wirtschaftlich. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Steffen Liebler vor dem Saisonauftakt.
Geschäftsführer Steffen Liebler in seinem Büro im Trainingszentrum der Baskets: „Geschäftsführer Steffen Liebler in seinem Büro im Trainingszentrum der Baskets: „Durch die Corona-Krise – und das hat nichts mit dem Gesellschafterwechsel zu tun – so klein geschrumpft, wie es nur irgendwie möglich ist, viel kleiner geht es nicht mehr.“
Foto: Heiko Becker | Geschäftsführer Steffen Liebler in seinem Büro im Trainingszentrum der Baskets: „Geschäftsführer Steffen Liebler in seinem Büro im Trainingszentrum der Baskets: „Durch die Corona-Krise – und das hat nichts mit dem ...
Thomas Brandstetter
 |  aktualisiert: 12.09.2022 15:05 Uhr

Mit der Heimpartie gegen ratiopharm Ulm an diesem Samstag (20.30 Uhr) wird Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg ohne Zuschauer in die neue Saison starten. Waren die Ambitionen in den vergangenen Jahren stets, ein kräftiges Wörtchen bei der Vergabe der Play-off-Plätze mitzusprechen, geht es jetzt in Corona-Zeiten vor allem darum, den Klub wirtschaftlich am Leben und die Klasse sportlich zu erhalten. Ein Gespräch mit Baskets-Geschäftsführer Steffen Liebler (36) über den jüngsten Eigentümerwechsel und den drastisch gesenkten Etat, über das Virus und Spiele in leeren Hallen. 

Frage: Vergangene Woche hat der bisherige Alleingesellschafter Bernd Freier den Klub an drei neue Eigentümer weitergegeben. Was ändert sich durch den Wechsel für die Baskets?

Steffen Liebler: Für die Mitarbeiter ändert sich erst einmal nichts. Für mich ändern sich halt die ersten Ansprechpartner. Aber natürlich bin ich trotzdem mit Bernd Freier nach wie vor im Austausch. Seine Leidenschaft für Basketball ist ungebrochen. Am Etat oder Ähnlichem ändert sich erst einmal gar nichts. Es war eine Richtungsentscheidung für die langfristige Zukunft.

Sie haben von einem Generationenwechsel gesprochen. Aber Teile des Anhangs befürchten, es könnte nun auch schnell den Bach runtergehen mit dem Klub. Hat Bundesliga-Basketball auch langfristig eine Zukunft in Würzburg?  

Liebler: Auf jeden Fall, sonst hätten sich doch keine neuen Gesellschafter für diese Aufgabe bereiterklärt, wenn es keine Zukunft geben würde. Unser mittel- und langfristiges Ziel ist es natürlich, den Bundesliga-Standort zu erhalten. Jetzt haben wir uns durch die Corona-Krise - und das hat nichts mit dem Gesellschafterwechsel zu tun - so klein geschrumpft, wie es nur irgendwie möglich ist, viel kleiner geht es nicht mehr. Wenn wir dann durch diese Phase durch sind, wollen wir auch wieder peu a peu wachsen und wieder ein wenig mehr nach oben linsen. Aber das Ziel der nahen Zukunft kann nur sein, durchzuhalten.

Ein Foto aus besseren Tagen: Im November bleiben in der s.Oliver Arena die Ränge leer. 
Foto: Heiko Becker | Ein Foto aus besseren Tagen: Im November bleiben in der s.Oliver Arena die Ränge leer. 
Am Wochenende geht die Saison los, mindestens im gesamten November sind Zuschauer verboten. Wie lange kann es sich s.Oliver Würzburg leisten, in einer leeren Halle zu spielen?

Liebler: Wir haben, sobald das Ausmaß der Pandemie-Folgen halbwegs absehbar war, eine Worst-Case-Planung gemacht und uns aufs Schlimmste eingestellt. Wir sind dementsprechend sehr drastisch an alles rangegangen, was mit Kosten zu tun hat. Angefangen beim Spielerbudget, das sehr drastisch heruntergefahren wurde. Wir haben die Geschäftsstelle am Berliner Ring aufgelöst und sind hier ins Trainingszentrum umgezogen. Wir waren in Kurzarbeit und mussten uns leider auch von einigen Mitarbeitern trennen. Wir haben manche Bereiche wie zum Beispiel die Organisation eines Heimspiels komplett geoutsourct. Das heißt, wir würden im Notfall auch eine komplette Saison ohne Zuschauer durchstehen. Jedenfalls solange die Sponsoren bei der Stange bleiben und nicht alle plötzlich Rückforderungen verlangen. Aber aus den Gesprächen, die ich diesbezüglich hatte und immer noch führe, gehe fast ausschließlich mit einem sehr guten Gefühl. Somit sind wir wirtschaftlich trotz der aktuellen Situation stabil aufgestellt.

Nach dem Beginn der Krise im Frühjahr sagten Sie einmal, eine komplette Saison ohne Zuschauer wäre kaum vorstell- und nicht überlebbar . . .

Liebler: Es ist auch nicht einfach. Was uns jetzt aktuell natürlich auch hilft, ist der Zuschuss vom Bund, den wir gerade beantragt und genehmigt bekommen haben.

Das Corona-Rettungspaket der Regierung für den Profisport wegen der entgangenen Zuschauereinnahmen im Frühjahr durch die Saisonunterbrechung und die anstehenden Geisterspiele, oder? Wie hoch ist der Zuschuss?

Liebler: Der Zuschuss errechnet sich aus der Differenz der Zuschauereinnahmen vom Zeitraum April 2019 bis Dezember 2019 und April 2020 bis Dezember 2020. Von dieser Differenz erhält der Klub maximal 80 Prozent. Außerdem beträgt das Rettungspaket pro Klub maximal 800.000 Euro. Desweiteren ist die Höhe des Zuschusses auf den Verlust, den der Klub kumuliert im Kalenderjahr 2020 erwirtschaftet hat, gedeckelt. Da kommt dennoch eine wichtige Summe bei rum, die uns sehr hilft.

"Mit 3000 Leuten in einer kleinen Halle wie bei uns, in der alle fast schon auf dem Spielfeld sitzen, da wächst du dann doch eher einmal über dich hinaus."
Steffen Liebler, Geschäftsführer der Baskets
Was kostet den Verein ein Heimspiel ohne Publikum?

Liebler: Das ist gerade ganz schwierig zu sagen. Da wir jetzt erst einmal gar keine Zuschauer haben, erhöht sich der Zuschuss vom Bund. Der ist auf 800 000 Euro pro Klub gedeckelt, die erreichen wir natürlich nicht, weil unsere Halle nicht so groß ist wie zum Beispiel die in Berlin oder in München. Gleichzeitig sind unsere Kosten bei Heimspielen natürlich auch etwas geringer, weil wir keine Tribünen aufbauen müssen, wir brauchen nicht so viel Personal, keine Security und so weiter.

Den Zuschuss gibt's aber nur bis Jahresende?

Liebler: Stand heute: ja. Wir haben das Maximum beantragt, im Wissen, dass wir nicht nachbeantragen können, wohl wissend, dass wir, falls im Dezember wieder Zuschauer erlaubt werden würden, wir dann etwas zurückzahlen müssten.

Im Fußball hat man sich an Geisterspiele inzwischen gewöhnt. Aber Basketball ganz ohne Zuschauer ist noch mal eine andere Hausnummer, wie das Pokalspiel in Ulm gegen Bamberg gezeigt hat. Wie sehr schmerzen die leeren Hallen?

Liebler: Es schmerzt sehr. Weil wir natürlich den Fans und Sponsoren das Erlebnis Basketball weiter gerne nahebringen wollen. Ich glaube, viele Partner unterstützen uns auch deshalb, weil sie das Erlebnis in der Halle so toll finden. Es ist schon eine sehr blöde Situation. Auch sportlich wird es wohl Einfluss haben. Mit 3000 Leuten in einer kleinen Halle wie bei uns, in der alle fast schon auf dem Spielfeld sitzen, da wächst du dann doch eher einmal über dich hinaus. Das ist in einer Testspiel-Atmosphäre weniger der Fall, dass du die letzten fünf bis zehn Prozent aus dem Körper herausholst. Und du bekommst ja auch keine zusätzliche Motivation durch die frenetische Unterstützung der Fans. Deshalb glaube ich, dass es in dieser Runde weniger Überraschungen geben wird. Und das macht es für einen Klub wie unseren, der auch von Überraschungen versucht zu leben, natürlich nicht einfacher.

Trainer Denis Wucherer beim Pokalspiel der Baskets in Ulm im Austausch mit seinem Neuzugang Micah Downs
Foto: Heiko Becker | Trainer Denis Wucherer beim Pokalspiel der Baskets in Ulm im Austausch mit seinem Neuzugang Micah Downs
Trainer Denis Wucherer hat bei den Pokalspielen davon gesprochen, dass sich die Mannschaft selber nach vorne pushen muss, durch die Unterstützung derer, die gerade nicht auf dem Parkett stehen. Was freilich nur phasenweise gelungen ist, aber natürlich auch leichter gesagt ist als getan . . .

Liebler: Von den Fans getragen zu werden, das ist etwas ganz anderes, da ist viel mehr Adrenalin im Körper, als wenn du weißt, da ist jetzt nichts los in der Halle. Das macht es auch für die Bankspieler schwieriger, viel Emotionen zu zeigen. Auch am Samstag gegen Ulm wird das eine große Herausforderung. Da müssen wir schauen, dass wir aus uns heraus über uns hinauswachsen.

Der Etat wurde nahezu halbiert, Sie haben es erwähnt: Es geht primär ums Überleben des Klubs als Ganzes, aber eben auch ums sportliche Überleben. Der Spielplan mit den ersten Partien gegen Ulm, in Vechta, gegen Hamburg, in Bamberg und gegen Braunschweig gibt auch nicht zwingend Anlass zu überbordendem Optimismus . . .

Liebler: Dessen muss man sich bewusst sein. Deshalb haben wir ja auch die Erwartungshaltung heruntergeschraubt. Das ist etwas, woran auch ich mich gewöhnen muss, woran sich die Fans gewöhnen müssen, dass es mit unserer jungen Mannschaft vielleicht ein paar Siege weniger geben könnte als in den letzten Jahren. Aber ich fühle mich besser und sicherer, dass wir finanziell stabil aufgestellt und keine Abenteuer eingegangen sind und dann womöglich zittern müssten, in Geldprobleme zu geraten. Klar ist es eine Herausforderung, die Liga zu halten, aber man muss ja auch sehen: Wir haben eine Saison vor uns, in der man einfach nicht weiß, was passieren wird, wie der Pokal-Wettbewerb ja bereits bewiesen hat mit den wegen Coronafällen abgesagten Spielen. Und auch die europäischen Wettbewerbe zeigen, wie es weitergehen kann mit Spielabsagen oder dem Aussetzen ganzer Wettbewerbe. Unser Trainer hat bereits in Gießen gezeigt, dass er auch mit niedrigem Etat erfolgreich arbeiten kann. Deswegen waren wir sehr froh, dass Denis mitgezogen hat, als wir ihm den Spieleretat nahegebracht haben. Und deshalb bin ich auch positiv gestimmt, dass wir eine Mannschaft haben, die die Klasse erhalten wird, schnellen und attraktiven Basketball zeigt, an sich wächst und immer alles geben wird. Auch wenn jedes Spiel ein extrem schwieriges sein wird und wir auch mal mit einer kleinen Niederlagenserie umgehen müssen. Aber: Das wissen die neuen Gesellschafter, das wissen wir als Klub, dass wir mit den Ansprüchen etwas herunter und kühlen Kopf bewahren müssen.

Ein kurzer Blick in die Glaskugel: Glauben Sie, die Saison wird überhaupt zu Ende gespielt? Derzeit wird versucht, die zweite Corona-Welle zu brechen, und wer weiß heute schon, ob dann Anfang nächsten Jahres vielleicht nicht auch noch eine dritte kommt . . .

Liebler: Ich denke schon, dass wir die Saison zu Ende spielen, ist nur die Frage, wie man das bei Spielabsagen mit den Nachholterminen hinbekommt. Das könnte problematisch werden, weil die reguläre Saison ja bis Mitte Mai zu Ende gebracht sein soll.

Liga-Chef Stefan Holz hat sich vergangenes Wochenende ziemlich aufgeregt, nachdem bei zwei Corona-Fällen in Bayreuth und einem in Bonn gleich die kompletten Mannschaften von den Gesundheitsämtern in Quarantäne geschickt worden waren und die Spiele abgesagt werden mussten. Da sei das ausgeklügelte Hygienekonzept der Bundesliga ja praktisch überflüssig, war sein Tenor. Sind die Vereine im Austausch mit der Liga und den Ämtern?

Liebler: Ja klar, sind wir. Auch mit unserem Gesundheitsamt. Unser Hygienekonzept wurde genehmigt für bis zu 1000 Zuschauer, wenn der Inzidenzwert unter 35 liegt. Sollte er darüber liegen, müssen wir mit dem Gesundheitsamt besprechen, wie viele Menschen wir reinlassen dürfen und dabei natürlich auch beachten, ab wie vielen Zuschauern es auch für uns wirtschaftlich noch Sinn macht. Bei zu wenigen erlaubten, wäre der Kostenfaktor vermutlich zu hoch.

 
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