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Rottendorf
s.Oliver: So denkt und lenkt der neue Boss
Der Modekonzern s.Oliver hat turbulente Zeiten hinter sich. Im Interview spricht der neue Chef Claus-Dietrich Lahrs über Stellenabbau, seinen Stil und die Baskets.
Der Neue an der Spitze: Claus-Dietrich Lahrs sieht s.Oliver gut gerüstet für die Zukunft. Die jüngsten Entlassungen in Rottendorf  sind für ihn unumgänglich.
Foto: Thomas Obermeier | Der Neue an der Spitze: Claus-Dietrich Lahrs sieht s.Oliver gut gerüstet für die Zukunft. Die jüngsten Entlassungen in Rottendorf sind für ihn unumgänglich.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:37 Uhr

Erst Schlagzeilen wegen häufiger Managerwechsel, dann der Abgang des schillernden Firmengründers Bernd Freier, schließlich der Abbau von 370 Stellen in der Zentrale in Rottendorf bei Würzburg: Der Modekonzern s.Oliver hat unruhige Monate hinter sich. Der neue Vorstandschef Claus-Dietrich Lahrs schildert im Gespräch mit der Redaktion, was er mit dem namhaften Unternehmen vorhat, womit die Belegschaft rechnen muss und warum sich die Würzburger Bundesliga-Basketballer zumindest vorübergehend zurücklehnen können.

Frage: Herr Lahrs, in Ihrer Anfangszeit bei s.Oliver hieß es immer wieder, dass Lahrs in Rottendorf mit dem eisernen Besen kehren werde. Wie stehen Sie dazu?

Claus-Dietrich Lahrs: Ich würde sagen, wir haben vieles getan, was wirklich notwendig war.

Blick auf das Gelände der Firma s.Oliver in Rottendorf. Für den mainfränkischen Modekonzern bekommt der Online-Handel eine immer stärkere Bedeutung.
Foto: Daniel Peter | Blick auf das Gelände der Firma s.Oliver in Rottendorf. Für den mainfränkischen Modekonzern bekommt der Online-Handel eine immer stärkere Bedeutung.
Was war das Wichtigste?

Lahrs: Die Organisation auf die Zukunft auszurichten. Unser Geschäft wird sich fundamental verändern. Das Thema Online bekommt eine Bedeutung, die wir noch vor einem Jahr in dieser Dimension nicht vermutet hätten. Wir werden uns bei der Entscheidungsgeschwindigkeit deutlich mehr bewegen. Das verlangt ein anderes Zusammenspiel zwischen den Entscheidern und den Abteilungen als das, was wir bisher tun konnten.

"Wir sind ein kerngesundes Unternehmen – aber diesen Zustand kann man nicht festschreiben."
Claus-Dietrich Lahrs, Vorstandschef von s.Oliver
370 Stellen haben Sie in den vergangenen Wochen in Rottendorf gestrichen. Mit was müssen die Beschäftigten jetzt rechnen?

Lahrs: Mit viel Arbeit an künftigen Projekten. Wir sind ein kerngesundes Unternehmen – aber diesen Zustand kann man nicht festschreiben. Den muss man sich immer wieder schaffen. Meine Aufgabe und die des Managements ist es, diesen Zustand auch in Zukunft abzusichern. Was heute noch gilt, kann morgen schon in Gefahr sein. Damit das nicht passiert, sind wir eben durch diese Veränderung durchgegangen. Wir wollten dafür sorgen, dass die Zukunft dieses Unternehmens ohne Risiko ist, weil die Märkte sich national und international schon extrem verändert haben.

Was heißt das für die Führungsetage von s.Oliver, wo sich das Personalkarussell in den vergangenen Monaten auffallend schnell gedreht hat? Viele Entscheider sind ja ausgetauscht worden.

Lahrs: Das haben wir hinter uns. Das ist auch wichtig, dass man in einer ersten Phase mit der Führungscrew durch gewisse grundlegende Themen geht, um dann festzustellen: Machen wir das gemeinsam oder nicht? Das ist normal. Die Führungsmannschaft steht nun. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Dimension nichts Großes mehr passieren.

s.Oliver-Chef Lahrs - hier in seinem Arbeitszimmer - über sein Team: 'Die Führungsmannschaft steht nun. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Dimension nichts Großes mehr passieren.'
Foto: Thomas Obermeier | s.Oliver-Chef Lahrs - hier in seinem Arbeitszimmer - über sein Team: "Die Führungsmannschaft steht nun. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Dimension nichts Großes mehr passieren."
Wie werden die Produkte von s.Oliver in fünf oder zehn Jahren aussehen?

Lahrs: Wir bleiben bei Mode…

…für wen?

Lahrs: In Deutschland für die Mitte der Gesellschaft. Dort sind wir extrem gut verankert, weil wir ein einzigartiges Preis-Leistungsverhältnis für gute Mode bieten und weil wir eine starke Distribution haben. Wer uns finden will, findet uns. Nicht nur in den großen Zentren, sondern auch in den überschaubaren Städten und in Einkaufszentren. Wir bieten ein ehrliches Produkt, spielen aber im internationalen Fashion-Kalender mit.

Sie haben schon für Marken gearbeitet, die in der Rangliste des Edlen weiter oben stehen als s.Oliver. Was haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen und was wollen Sie jetzt verändern?

Lahrs: Wichtig ist, dass wir uns beim Thema Marke stärker aufstellen. Wir sind eine gute Marke, müssen es aber nun auch kommunizieren.

Tragen Sie selbst Tag für Tag Kleidung von s.Oliver?

Lahrs: Alles, was ich hier an habe, ist von s.Oliver. Nicht nur für Sie jetzt. (Lacht.) So etwas trage ich jeden Tag.

Mit welchem Gefühl?

Lahrs: Mit einem guten. Wir arbeiten mit einem Qualitätsanspruch, der deutlich höher ist als die Preise, die wir dafür verlangen. Das ist eine Stärke, die heute nur noch ganz wenige haben können. Diese Stärke nach außen zu kommunizieren, ist wichtig.

Unternehmensgründer Bernd Freier gratuliert Basketballspieler Gabe Olaseni nach einem Spiel 2018. Freier, der sich selten in der Öffentlichkeit zeigt, hat s.Oliver nach  50 Jahren in fremde Hände gegeben.
Foto: Silvia Gralla | Unternehmensgründer Bernd Freier gratuliert Basketballspieler Gabe Olaseni nach einem Spiel 2018. Freier, der sich selten in der Öffentlichkeit zeigt, hat s.Oliver nach 50 Jahren in fremde Hände gegeben.
Was unterscheidet Sie als Chef von Unternehmensgründer Bernd Freier, Ihrem Vorgänger also?

Lahrs: Wir kommen aus völlig verschiedenen Generationen. Bernd Freier ist ein Gründer. Er ist ein unglaublich talentierter Treiber von Prozessen, die heute noch nicht zu erkennen, aber morgen relevant sind. Er hat einen unglaublich ausgeprägten unternehmerischen Instinkt. Ich bin als Manager groß geworden und habe damit eine ganz andere Entwicklung hinter mir. Dass ein Gründer nach 50 Jahren sein Unternehmen in fremde Hände gibt, ist kein ungewöhnlicher Vorgang. Man muss sich dabei aber immer rechtzeitig auf klare Rollenverteilungen verständigen. Das haben wir hier getan.

Nervt Sie es, dass es rund um Ihre Person auch ständig um Bernd Freier geht?

Lahrs: Nein. Das wusste ich ja vorher schon. Ich glaube, es wäre ein Riesenfehler, wenn man versuchen würde, das auszublenden.

Wie oft erscheint Bernd Freier im Tagesgeschäft noch?

Lahrs: Nie. Er war bis jetzt noch kein einziges Mal hier. Das ist auch etwas, was ihn auszeichnet: Er hält sich an Vereinbarungen.

Rufen Sie ihn bisweilen an?

Lahrs: Na klar. Es gibt ja Situationen, in denen sich Gesprächspartner aus der Vergangenheit melden und sagen: Übrigens, wir haben da in der Vergangenheit was angefangen – wollen wir das jetzt fortsetzen? Dann rufe ich Bernd Freier natürlich an. Wir sprechen aber auch Themen an wie: Was machen wir markenbezogen? Wie viele Marken wollen wir in Zukunft unabhängig führen? Was legen wir zusammen? Aber eines ist klar, und das ist Bernd Freier auch bewusst: Mein erster Ansprechpartner ist der Beirat.

s.Oliver-Chef Claus-Dietrich Lahrs über sein Verhältnis zu Gründer Bernd Freier: 'Man muss sich rechtzeitig auf klare Rollenverteilungen verständigen. Das haben wir hier getan.'
Foto: Thomas Obermeier | s.Oliver-Chef Claus-Dietrich Lahrs über sein Verhältnis zu Gründer Bernd Freier: "Man muss sich rechtzeitig auf klare Rollenverteilungen verständigen. Das haben wir hier getan."
Die Nachhaltigkeit bei Lieferketten ist derzeit in der Wirtschaft ein großes Thema. s.Oliver produziert unter anderem in Bangladesh. Das macht Ihr Unternehmen angreifbar.

Lahrs: Das glaube ich nicht. Wir haben 80 Qualitätskontrolleure in Asien, die regelmäßig vor Ort sind. Wir müssen aufpassen, dass wir einen Fehler nicht machen: Dass wir Bangladesh mit minderwertigen Produktionsbedingungen gleichsetzen. Es gibt zum Beispiel in Bangladesh, in Pakistan, in Indien oder in Sri Lanka erstklassige Produktionspartner. Mit der großen Erfahrung, die wir uns über die Jahre in Asien aufgebaut haben, haben wir heute ein Netz an Lieferanten, die mit einem hohen Anspruch für uns arbeiten und die sehr schnell auf Dinge reagieren, die für uns von Relevanz sind. Beim Thema Plastikverpackungen zum Beispiel.

Wie wichtig ist Ihnen persönlich Nachhaltigkeit?

Lahrs: Sie ist Teil des Unternehmens. Es war immer schon früh mit neuen Themen vorne dran.

Den Firmennamen im Wappen: Die s.Oliver Baskets bei einem aktuellen Training in ihren rot-weißen Trikots. Für weitere zwei Jahre hat das Unternehmen das Engagement bei den Baskets fortgeschrieben.
Foto: Heiko Becker | Den Firmennamen im Wappen: Die s.Oliver Baskets bei einem aktuellen Training in ihren rot-weißen Trikots. Für weitere zwei Jahre hat das Unternehmen das Engagement bei den Baskets fortgeschrieben.
Wie geht es mit dem Sport-Sponsoring von s.Oliver weiter?

Lahrs: Das Engagement bei den Baskets ist fortgeschrieben worden - auf einem kleineren Niveau.

Für wie lange?

Lahrs: Für weitere zwei Jahre. Wir haben das fortgeschrieben, weil die Baskets schon Teil dieser Unternehmensfamilie sind. Was die Baskets machen, machen Sie für mein Empfinden gut. Sie sind zwar nicht unter den obersten Drei – das hat was mit den finanziellen Möglichkeiten zu tun. Aber sie sind für die, die professionell Basketball spielen wollen, ein ungemein wichtiges Sprungbrett.

Was ist Stand der Dinge bei der geplanten Multifunktionsarena in Würzburg, bei der s.Oliver ja indirekt im Spiel ist?

Lahrs: Das hat etwas zu tun mit der Einschätzung, ob solch große Hallen in Zukunft noch gebraucht werden. Da muss man wohl ein bisschen warten, was auf uns zukommt. Die erste Frage, die sich die Investoren stellen müssen, ist: Ist das an diesem Standort notwendig? Aber letztendlich kann ich das nicht beurteilen. s.Oliver ist ja für die Halle nicht verantwortlich. Es gibt da keine direkte Verbindung. Das ist vielmehr die Entscheidung allein von Bernd Freier und nicht die Entscheidung des Managements der s.Oliver-Group. Das war ja aber vorher schon so.

Über den Sport hinaus: Wie wird sich generell das Sponsoring bei s.Oliver entwickeln?

Lahrs: Es wird eher größer werden. Denn ich glaube, dass die Anlässe für gemeinnütziges Sponsoring – also außerhalb des Sports – zunehmen werden. Die Rolle der Unternehmen wird in dieser Hinsicht in diesem Land größer werden. Der Staat wird an seine Grenzen kommen, weil er sich in vielen Bereichen übernimmt. Da komme ich zurück auf die Ursprünge der sozialen Marktwirtschaft, die einmalig für Deutschland ist.

In der Wirtschaft gibt es den Begriff des „ehrbaren Kaufmanns“. Verstehen Sie sich als ein solcher?

Lahrs: Durchaus. Ehrbar heißt auch, dass man ein Unternehmen so führt, dass es letztendlich permanent stärker wird, um damit letztendlich auch Aufgaben der Gemeinschaft zu unterstützen.

Corona hat Spuren hinterlassen: 'Wir werden in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr zwischen 15 und 20 Prozent weniger Umsatz machen', sagt Lahrs. Das Bild zeigt den s.Oliver Shop in der Würzburger Schönbornstraße.
Foto: Silvia Gralla | Corona hat Spuren hinterlassen: "Wir werden in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr zwischen 15 und 20 Prozent weniger Umsatz machen", sagt Lahrs. Das Bild zeigt den s.Oliver Shop in der Würzburger Schönbornstraße.
Was hat Corona mit s.Oliver gemacht?

Lahrs: Es kam nichts, was es nicht vorher schon gegeben hat. Wir werden in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr zwischen 15 und 20 Prozent weniger Umsatz machen. Das ist gewaltig. In der zweiten Hälfte des März: kein Umsatz, außer bei Online. April: kein Umsatz. Mai und Juli: sehr mühsame Anlaufphase. Wir haben nach wie vor eine deutlich geringere Besucherfrequenz in unseren Geschäften als im vergangenen Jahr. Wenn der Eindruck entstanden ist, in Deutschland wird alles wieder wie vorher, dann muss ich dem entgegentreten. Das Gegenteil ist der Fall.

Sie sind bald seit einem Jahr an der Spitze von s.Oliver. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Lahrs: Insgesamt positiv – trotz zahlreicher schwieriger und schmerzhafter Gespräche. Wir sind durch viele geplante und nicht so geplante Veränderungen gegangen. Ich glaube, dass wir jetzt schon positiv darauf zurückblicken können, die Firma in der Neuaufstellung auch mit der künftigen Erfolgschance gut positioniert zu haben.

Wie lange werden Sie bei s.Oliver bleiben?

Lahrs: Erst mal die fünf Jahre, die ich mit dem Beirat vereinbart habe. Ob darüber hinaus, hängt davon ab, wie erfolgreich wir sind. Aber ich habe mich hier auf eine längere Zeit eingestellt.

Claus-Dietrich Lahrs und s.Oliver

Claus-Dietrich Lahrs übernahm am 1. November 2019 den Chefposten des Modekonzerns s.Oliver von Unternehmensgründer Bernd Freier (74), der in den Ruhestand ging. Lahrs ist 57 Jahre alt, gebürtiger Bielefelder und wohnt in Würzburg sowie Stuttgart. Der Hobby-Ausdauersportler ist verheiratet und hat zwei Kinder. In führenden Positionen arbeitete der studierte Betriebswirt unter anderem für Dior, Hugo Boss und Louis Vuitton.
Der Modekonzern s.Oliver wurde vor 51 Jahren in Würzburg gegründet, hat heute weltweit 5136 Mitarbeiter - 1250 davon in der Zentrale in Rottendorf. Ranghöchstes Entscheidungsgremium ist der Beirat, in dem der ehemaligen Breuninger-Chef Willy Oergel , Gründersohn Christian Freier und Rechtsanwalt Rainer Lorz sitzen. s.Oliver ist Namensgeber der Würzburger Basketball-Bundesligamannschaft und tritt auch im sozialen Bereich als Sponsor auf. 
aug
 
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