Douglas Spradley lässt manchmal auch auf sich warten. Nicht etwa, weil er ein unhöflicher Mensch ist, nein, nein, ganz im Gegenteil: Unpünktlichkeit mag der Trainer der s.Oliver Baskets Würzburg gar nicht, wovon diejenigen seiner Spieler ein Lied singen können, die zu den Übungseinheiten mit zeitlichem Verzug erscheinen und deshalb die Mannschaftskasse füttern dürfen. Spradley hat in Würzburg das Ritual eingeführt, nach jeder Partie seine Mannen ins Gebet zu nehmen. Und das kann – je nach Verlauf des Spiels und Leistung seines Teams – auch schon mal ein wenig länger dauern, weshalb er sich meist erst nach seinem gegnerischen Kollegen zu dem zeremoniellen Stelldichein mit der Journaille nach dem Spiel gesellt. Was auch schon dazu führte, dass der Trainer des Kontrahenten seine Sicht der Dinge kundtat und wieder abrauschte, bevor Spradley erschien.
- Hier geht es zu unserem LIVETICKER zum Spiel der Baskets gegen Bremerhaven. Start des Tickers ist am Sonntag, 17.4. um 14:30 Uhr.
Dem Trainer ist die Ansprache direkt nach der Partie enorm wichtig, vermutlich auch, weil die Eindrücke da noch so frisch sind, bei ihm und auch bei den Spielern. Der sonntägliche Gegner wird nach der Partie sicher auf Spradley warten: Er kennt dieses Prozedere. Vier Jahre lang, von 2009 bis 2013, trainierte der 49-Jährige die Eisbären Bremerhaven, mit denen er zweimal (2010 und 2011) in die Play-offs einzog und ins Halbfinale des Pokal-Final-Fours (2010). Spradley gibt zu, er wäre damals gerne länger geblieben an der Nordsee, aber der Verein wollte den auslaufenden Vertrag nicht verlängern. „Das ist Sport“, sagt Spradley.
Spradley schaut lieber in Richtung Zukunft
Das Waten in der Vergangenheit ist nicht sein Ding: „Ich schau' lieber in die Zukunft.“ Weshalb es am Sonntag angeblich auch kein besonderes Spiel für ihn ist, auch wenn er sich darauf freut, den einen oder anderen Bekannten wiederzusehen. Selbiges wird vermutlich auch für seinen Co-Trainer Stephan Völkel gelten, der Spradley seit der gemeinsamen Zeit in Paderborn, wo Spradley 2001 erstmals Trainer wurde, begleitet. Und auch für Baskets-Center Devin Searcy ist es eine Reise in die eigene Vergangenheit: In den letzten beiden Spielzeiten stand der 26-jährige Amerikaner bei den Eisbären unter Vertrag.
Die Zukunft, also. Das Gastspiel beim Vorletzten Bremerhaven (14:44 Punkte), der in dieser Runde erst in zwei Heimspielen (gegen Bayreuth und Bonn) siegte. „Nein, wir müssen nicht gewinnen“, sagt Spradley und grinst, „die, die gewinnen müssen, sind die Bremerhavener, weil sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Aber wir sollten das Spiel gewinnen, wenn wir in die Play-offs wollen.“ Ein typischer Spradley. Kurz. Auf den Punkt. Und ein bisschen schelmisch.
Douglas Spradley ist offenbar ein Mensch, der nachdenkt, bevor er spricht, und immer wieder kommen dann Sätze von ihm, die – auch und vor allem, wenn sie erst einmal unspektakulär klingen –, wirken, als stünden Zweifel daran unter Strafe: „Gegen Frankfurt haben wir den Sack nicht zugemacht und eine große Chance aus der Hand gegeben.“ Deshalb war er nach der 87:91-Niederlage gegen den hohen Favoriten auch enttäuscht, und „die Mannschaft war es auch“. Einen Vorwurf aber, wie nach manch anderer Darbietung, wollte der Trainer seinen Spielern nicht machen: „Jeder Einzelne hat bis zum Schluss gekämpft und alles gegeben. Darauf lässt sich aufbauen.“
In der Arena Profisport, in der allzu oft Marktschreier glauben, den Ton angeben zu müssen, ist Douglas Spradley ein wohltuend unprätentiöser Vertreter. Hat man sich häufiger mit ihm unterhalten, auch außerhalb einer Sporthalle, kann man erahnen, dass er den verbalen Dampfhammer allenfalls im Ausnahmefall schwingt. Oder halt mal in der Kabine. Spradley neigt – zumindest öffentlich – weder zu übertriebener Lobhudelei, noch zu vernichtender Kritik, und es scheint auch, als sei ihm das im Sport und dessen Sprache so oft missbrauchte Pathos ein Gräuel.
Was andererseits natürlich nicht bedeutet, dass gut Kirschen essen mit ihm ist, wenn die Einstellung nicht stimmt. Hat man einmal gesehen und vor allem gehört, mit welcher Leidenschaft und wie intensiv Spradley an der Seitenlinie sein und wie er fluchen kann, wenn sich seine Mannen auf dem Parkett nicht an Abmachungen halten, dann verwundert es erst einmal, wie zurückhaltend und sanft er offenbar auch sein kann, wenn er Kapuzenpulli trägt und nicht den Anzug in der Halle.
Es sind seine Baskets. Nach allem, was man hört, hatte Spradley, dem nachgesagt wird, sehr gut vernetzt zu sein in dieser Multi-Kulti-Branche, freie Hand im Sommer, als er an der Zusammenstellung der Mannschaft tüftelte. Wenn es mal nicht so läuft und seine Spieler mit eher angezogener Handbremse zu Werke gehen, speist sich seine Wut und sein Ärger ja vielleicht auch gerade aus der Tatsache, dass er sich als Baumeister dieser Mannschaft nicht nur dafür verantwortlich fühlt, wen er eingekauft hat.
Spradley, geboren 1966 in Tacoma, einer mittelgroßen Hafenstadt im US-Bundesstaat Washington, ging nach seiner Collegezeit nach Europa und spielte zuerst in Holland, ehe ihn der belgische Trainer Werner Rotsaert nach Paderborn in die zweite Bundesliga lotste, wo ihnen der Aufstieg in die erste Liga gelang. Später ging Spradley für Braunschweig und Weißenfels auf Körbejagd, ehe er erneut in Paderborn anheuerte, für ein Jahr als Spieler, dann für die nächsten acht als Trainer. Menschen, die Spradley haben spielen sehen, behaupten, er sei ein „sehr smarter“ Basketballer gewesen – und meinen damit womöglich, dass er, wäre er Fechter geworden, eher das Florett als den Säbel bevorzugt hätte.
Spradley sieht die Gefahr der langen Reise
In sechs der sieben Partien gegen Bremerhaven waren die Würzburger siegreich, und auch von den drei Gastspielen im Elbe-Weser-Dreieck gewannen sie zwei. Das Hinspiel im November 2015 sollte ihnen dennoch Warnung sein: „Das haben wir erst in den letzten fünf Minuten gedreht“, erinnert sich Spradley an den 81:79-Erfolg. Und er weiß auch: „Bremerhaven ist auf jeden Fall besser besetzt, als es die Tabelle aussagt.“ Der gefährlichste Eisbär, Kyle Fogg, ist mit 17,2 Punkten im Schnitt pro Partie der erfolgreichste Punktesammler der gesamten Liga, auch Jerry Smith (13) und Larry Gordon (10,2) punkten im Schnitt zweistellig.
Egal, meint Spradley, der zwar die „Gefahr der langen Reise“ sieht – es ist die längste Fahrt in der Saison für die Baskets –, aber keinen Zweifel daran lässt, dass er von seiner Mannschaft erwartet, „von der ersten Minute an hellwach“ zu sein und „die Intensität“ der letzten beiden Spiele erneut aufs Parkett zu legen. Und dann wird man anschließend auch nicht zu lange auf ihn warten müssen.