Egal, ob er am Strand einem Mädchen eine riesige Sandburg baut, weil er ihre zuvor beim Hinfallen zerstört hat. Oder ob er in einem Taxi in seinen Taschen nach Bargeld kramt, das er nicht dabei hat. Oder ob er Schilder mit seinen vielen Spitznamenin die Kamera hält. Die Fernseh-Werbespots mit Dirk Nowitzki sind vielleicht noch nicht ganz so legendär wie die mit Tilly, die mit Palmolive Spülhände bekämpfte ("Sie baden gerade ihre Hände darin."). Oder die mit Versicherungstandler Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer ("Der Kaiser?" - "Günther Kaiser."). Oder die mit Boris Becker, der für den Internetprovider AOL Reklame machte („Haaaaahhhhhh? Bin ich da schon drin oder was? Ich bin drin.“). Aber die Spots mit Nowitzki, der für die in Frankfurt sitzende Direktbank ING sein Gesicht hinhält, sind immer schon recht außergewöhnlich und stets mit einem guten Schuss Humor inszeniert.
Diba-Diba-Du als geflügeltes Wort
Der Mann mit Schuhgröße 54 ist in die Fußstapfen eines Säuglings getreten. Und "Diba - Diba-Du" ist inzwischen zu einem geflügelten Wort geworden. Auch dank Nowitzki, der seit 2003 das im Marketingsprech Testimonial genannte Werbegesicht der ING ist, die seit kurzem auf das Diba in ihrem Namen verzichtet. "Bei Werbung mit Prominenten kommt es nicht auf die Bekanntheit allein an. Die Basis zwischen dem Unternehmen und dem Testimonial muss passen, und die passt bei Dirk und uns exzellent", sagt Waltraud Niemann, Leiterin der Abteilung "Brand and Communication", also Marke und Kommunikation, der ING. "Trotz seines Status' ist Dirk bodenständig, authentisch, supersympathisch - besser geht's nicht", sagt die 56-Jährige. Seit 16 Jahren wirbt Nowitzki für die Bank - in der Branche eine schier unfassbar lange Zeit. In Deutschland vermutlich nur vom Gummibärchen naschenden Thomas Gottschalk übertroffen.
Es ist bestimmt nicht übertrieben, wenn man behauptet, Dirk Nowitzki und die Bank haben sich im richtigen Moment gefunden. Die ING suchte für ihr Basketball-Sponsoring und die Werbekampagnen ein bekanntes Gesicht. Und Nowitzki-Mentor Holger Geschwindner suchte einen Werbepartner, der nicht zu groß sein sollte, vermutlich auch, um noch etwas mitreden zu können und den Jungen nicht zu einer Reklame-Marionette werden zu lassen. Damals war Nowitzkis einzigartige Karriere ja noch nicht zu ahnen. Den ersten Vertrag mit der Bank hat Geschwindner angeblich per Handschlag am Frankfurter Flughafen geschlossen.
Sportler und Bank wurden nebeneinander groß
"Wir waren damals ja noch eine kleine Nischenbank, und Dirk stand am Anfang seiner Karriere. Er hatte zwar erste Achtungserfolge, war aber noch nicht der Star", sagt Niemann. Damals steckte Online-Banking noch in den Kinderschuhen, es gab kein Smartphone, dafür über drei Prozent Guthaben-Zinsen. Nebeneinander wurden Sportler und Finanzdienstleister groß. "Wir wurden beide erwachsen", sagt Niemann und lacht: "Ohne pubertäre Auswüchse." Nowitzki wurde in den USA zu einem Superstar und revolutionierte durch sein Spiel den Basketball. Die ING ist inzwischen Deutschlands drittgrößte Bank mit an die neun Millionen Kunden und in 40 Märkten vertreten, wie es die Bänker nennen, heißt: In 40 Ländern nutzen über 38 Millionen Menschen ihre Dienste.
Es ist für Nicht-Fachmedien - außerhalb der Wirtschaftsberichterstattung - immer auch eine Gratwanderung, sich mit Reklame zu befassen, ohne in den Verdacht zu geraten, selbst Werbung zu machen. In diesem Fall sollte die Gefahr gebannt sein, weil die Partnerschaft zwischen Nowitzki und der ING aus mehreren Gründen außergewöhnlich ist. Sie geht offenbar tatsächlich über das branchenübliche Gesicht-für-Geld-hinhalten hinaus. Niemann spricht oft von der "Passung" von Bank und Superstar.
In keinem der Spots wurde jemals Nowitzkis Name erwähnt, auch nicht ganz zu Beginn, als er in Deutschland noch nicht so bekannt war wie bereits in den USA. Anfangs inszenierten sie ihn in seiner Wohlfühlzone: Halle, Körbe, Ball, in Sportklamotten. So war er leichter zu identifizieren. "Es war natürlich ein Risiko, ihn dann aus dem sportlichen Umfeld rauszuholen und in normaler Straßenkleidung in Alltagssituationen zu zeigen", sagt Niemann. Die Spots wurden allgemeingültiger, auch für die verständlicher, die nichts mit Sport im Allgemeinen und mit Basketball im Besonderen am Hut hatten. Und die Filmchen wurden humorvoller. Mit diesem "twinkle in the eye", wie Niemann es nennt. Immer mit einem Augenzwinkern. Mindestens.
"Wir haben Dirks gewinnende Persönlichkeit mehr ins Zentrum gerückt, die weicheren Faktoren. Vor allem seinen Humor." Und seinen durchaus sympathischen Hang, sich auch mal selbst auf den Arm zu nehmen. Wer Dirk Nowitzki noch aus den Tagen kennt, als er Würzburgs Basketballer aus der zweiten in die erste Liga führte, und ihn heute wieder trifft, kann nicht umhin zu bestätigen, dass er - inzwischen laut Umfragen längst Deutschlands bekanntester aktiver Sportler - womöglich alles ist, nur nicht abgehoben.
Gemeinsam mit der ING lädt Nowitzki inzwischen traditionell auch zu einem Benefiz-Fußballspiel im Sommer ein: "Champions for Charity" ("Meister für Wohltätigkeit") nennen sie das Projekt, das zuletzt zweimal Geld einsammelte für Wohltätigkeitsaktionen der Familie der verunglückten Formel-1-Legende Michael Schumacher und für Nowitzkis Stiftungen. Seinem Ruf folgen stets ehemalige und aktuelle Stars aus dem Sport und der Unterhaltungsbranche. Die Planungen für die diesjährige Auflage laufen seit längerem. Zudem hat die Bank mit der Dirk Nowitzki Stiftung und dem Bamberger Verein Innovative Sozialarbeit (iSo) das Projekt "BasKIDball" ins Leben gerufen, das Kindern und Jugendlichen - aus meist eher schwierigen sozialen Verhältnissen - in Zusammenarbeit mit Sozialeinrichtungen vor Ort ein pädagogisch betreutes sportliches Programm anbietet. Hausaufgabenbetreuung, Lernwerkstätten und so. In 19 Standorten ist "BasKIDball" bereits etabliert, unter anderem in Würzburg, Aschaffenburg und Haibach. Schirmherr und Unterstützter ist der sich vor allem in den USA immer wieder wohltätig engagierende Nowitzki.
Lebenslänglich für Dirk Nowitzki
Da in der Werbung ja alles Erdenkliche abgefragt wird und gemessen werden kann, sagt Niemann offenbar guten Gewissens: " Die Zusammenarbeit mit Dirk ist sehr erfolgreich." Deshalb gab's lebenslänglich für den 40-Jährigen. Die Frankfurter halten dem Würzburger auch über dessen Karriereende - wann immer das sein mag - hinaus die Treue: Der jüngste Vertrag wurde 2017 auf unbestimmte Zeit geschlossen. "Unsere Partnerschaft geht weit über das normale Testimonial-Verhältnis hinaus und ist deshalb auch nicht an Werbeauftritte geknüpft", so Niemann.
Bleibt also nur eine Frage: Hat Dirk Nowitzki ein Konto bei der ING? "Bankgeheimnis", sagt Niemann und grinst: "Wir reden selbstverständlich über keinen unserer Kunden. Das gilt für jeden"