Am Anfang war da noch die Corona-Pandemie. In manchen Geschäften durfte im Januar nur mit 3G-Nachweis eingekauft werden; Läden des täglichen Bedarfs ausgeschlossen. Auch in der Gastronomie galt: Zugang hat nur, wer geimpft, genesen oder getestet ist. Das war relativ bald vom Tisch, doch die Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen, auch beim Kaufverhalten. Onlineshopping war nie populärer, mit all seinen Auswirkungen auf lokale Händler.
Gab es mehr Schließungen von Geschäften oder Gastronomie als neue Läden in der Innenstadt? Die Antwort ist nicht einfach, auch die Nachfrage bei Vertretern aus Einzelhandel und Wirtschaftsförderung der Stadt im Oktober 2022 gab darauf keine klare Antwort. Ja, man spüre die Kaufzurückhaltung der Menschen, die mit Energiekrise und Inflation kämpfen. Doch oft seien die Gründe, ein Geschäft zuzumachen, andere: Alter, fehlende Nachfolge oder, dass sich ein Filialist auf ein Geschäft konzentriere. Und: Schweinfurt sei mit dem Problem nicht alleine, alle Innenstädte in Deutschland hätten um den Bestand zu kämpfen.
Welche Geschäfte haben geöffnet, welche geschlossen? Vom Amt für Wirtschaftsförderung hat die Redaktion eine Zusammenstellung angefordert. Doch die enttäuscht, gerade einmal zwei Schließungen sind erwähnt; darunter das Orsay in der Stadtgalerie. Eine Kette, die bundesweit 2022 in Insolvenz ging. Neueröffnungen gab es laut dieser Liste im Bereich der Innenstadt sieben; wobei auch dabei Weiterführungen von Läden unter neuen Besitzern enthalten sind.
Die Innenstadt ist leerer geworden, das bestätigen auch Frequenzmessungen
Im Vergleich dazu, die Bewegungen in der Geschäftswelt, die der Redaktion gemeldet worden sind. Danach sind neun Geschäfte und Restaurants in Schweinfurt endgültig geschlossen worden, ohne Nachfolge. Es gab etwa acht Geschäfte beziehungsweise Restaurants, die komplett neu an den Start gegangen sind. Alles andere waren Umzüge oder Betreiberwechsel.
Fest steht: Die Stadt ist leerer geworden. Und das ist kein subjektiver Eindruck. Die Frequenzzahlen, die die Stadt Schweinfurt 2022 messen ließ, bestätigen den gefühlten Negativtrend. Und trotzdem waren die Gründe für Geschäftsschließungen oft andere. Ein Rückblick auf die wichtigsten Schließungen und Neueröffnungen 2022 in Schweinfurt. Die selbst ernannte Einkaufsstadt, in der Leerstand ein immer drängenderes Problem ist.
Aus für Schuh Drescher: Doch es geht unter neuem Namen weiter
40 Jahre haben Elke und Karlheinz Drescher das Schuhgeschäft am Roßmarkt geführt, im Oktober dann die Ankündigung: das Schweinfurter Traditionsgeschäft schließt, die Inhaber gehen in den Ruhestand. Allerding nicht, ohne eine Nachfolge gefunden zu haben. Das Bad Neustädter Familienunternehmen "Schuhhaus Koch" übernimmt das Geschäft in Schweinfurt im Pachtmodell. Sebastian Voll wird ab März mit seiner Mutter Martina Koch-Voll das neue Geschäft führen.
Rasierer Müller: Das wohl letzte Fachgeschäft seiner Art in Unterfranken
46 Jahre gab es das Geschäft Rasierer-Müller in der Apostelgasse, am 30. November schloss Claudia Müller zum letzten Mal die Ladentüre. Damit ist laut Müller auch der letzte reine Rasiergeräte-Shop in Unterfranken Geschichte. Mit 22 Jahren hatte sie ihr Geschäft eröffnet, im Alter von 68 Jahren ging sie nun in den Ruhestand. Claudia Müller hat nicht nur Rasierer verkauft, sie bot neben Kundendienst auch Reparaturen an.
Nach 45 Jahren: Fashion Heimrich schließt zum Jahresende
Mit 77 Jahren ist es Zeit, sich zur Ruhe zu setzen, findet Erika Heimrich. Zum Jahresende schließt sie ihr Modegeschäft "Fashion Heimrich" in der Zehntstraße. Eine Nachfolge ab dem Frühsommer 2023 ist nicht ausgeschlossen, ließ Heimrich im Gespräch mit der Redaktion im Oktober 2022 durchblicken. 45 Jahre gab es das Geschäft, erst in der Langen Zehnstraße, dann, über 35 Jahre hinweg, in der Zehnstraße.
Aus nach 24 Jahren: Stefanie Fischers Stoff-Treff ist Geschichte
Vor fast 25 Jahre hat Stefanie Fischer ihr kleines Fachgeschäft, den Stoff-Treff An den Brennöfen, eröffnet. Stolz, voller Enthusiasmus. Das Geschäft gab es damals schon seit zehn Jahren. Lange hat Stefanie Fischer gekämpft, hingenommen, dass die Umsätze einbrachen. 2022 hat sie endgültig den Schlussstrich gezogen. Ein Hauptgrund: die Konkurrenz aus dem Online-Handel. Damit gibt es in Schweinfurt nur noch ein echtes Stoffgeschäft. Ihr zweites Standbein, die Nähkurse, bietet Fischer weiter an.
Aus für Deichmann-Filiale in Schweinfurts Innenstadt
Seit August 2022 steht die Deichmann-Filiale am Wichtermann-Platz leer. Deichmann hat sich aus der Innenstadt zurückgezogen. Als Grund nannte das Unternehmen aus Essen, der Standort habe sich "langfristig leider nicht als optimal erwiesen". Die Filiale in der Schweinfurter Stadtgalerie stehe nicht zur Disposition, hieß es.
Stein-Apotheke: Schließung kurz vor Weihnachten
Die Gründe, dass die Stein-Apotheke in der Friedrich-Stein-Straße schließen muss, sind vielfältig. Apothekerin Sabine Neder führte gegenüber der Redaktion einige an: Die Einnahmen sind gesunken und werden es nach einem Beschluss des Bundestages noch weiter tun, die Kosten dagegen steigen, nicht nur im Energiebereich, dazu kommt Personalmangel. Noch vor Weihnachten sollte laut Neder Schluss sein für die Stein-Apotheke. Ihre Apotheke am Deutschhof wird sie weiterführen.
Weinrestaurant Hess: Ende November gingen die Lichter aus
Zum 30. November hat das "Weinrestaurant Hess" (vormals Gößwein) am Schweinfurter Fischerrain geschlossen – und damit eine Traditions-Gastronomie. Über 35 Jahre hinweg hat Ute Hess (61) nicht nur, unterstützt von ihrem Mann Harald, das Haus geführt, sie war auch Küchenchefin. Den Schlussstrich zog sie aus gesundheitlichen Gründen.
Musikhaus Kreuzinger: Aus für eine Institution
Mitte Februar war Schluss: Das Musikhaus Kreuzinger in der Friedrich-Stein-Straße gibt es nicht mehr. Über 70 Jahre lang stand der Name Kreuzinger in der Region für serviceorientierten Musikalienfachhandel, Musikunterricht und die Reparatur von Instrumenten. Hauptgrund: der Online-Handel, der in der Corona-Pandemie noch stärker geworden ist. Zwar war man auch mit einer Website in den Online-Handel eingestiegen, konnte aber nicht mit den großen Musikhäusern mithalten, erklärte Sabine Kreuzinger gegenüber der Redaktion.
Cinema-Bar: Betreiber Oliver Zügel zog den Schlussstrich, neuer Pächter ist Dieter Geis
Kämpfen musste die Cinema-Bar zwischen Marktplatz und Martin-Luther-Platz schon länger, doch in diesem Juni kam das endgültige Aus mit Betreiber Oliver Zügel. Mit ein Grund: Corona und die Auflagen in der Pandemie. Doch schon früher ging es mit den Gästezahlen bergab. Schon im August ging es weiter: die Cinemar-Bar bekam mit Dieter Geis einen neuen Pächter.
Tisch 7 schließt: Die letzten Gäste haben für Silvester gebucht
An fehlenden Gästen soll es nicht gelegen haben, dass Thomas Nüßlein sein Restaurant Tisch 7 in der Neutorstraße schließt. Nach sieben erfolgreichen Jahren, wie er sagt. Knackpunkt war der Personalmangel. Schon lange hatte Nüßlein vergeblich Küchenkräfte und Service-Personal gesucht. Dann kündigte sein Küchenchef an, sich beruflich verändern zu wollen. Die letzten Gäste werden im Tisch 7 an Silvester bewirtet, eine geschlossene Gesellschaft.
Brautmode in der Rückertstraße: Ein Ja-Wort vor der Geschäftseröffnung
Noch bevor Svenja Hüßner im September ihren Brautmodenladen "Das Brautsiegel" in der Rückertstraße im September geöffnet hat, gab es eine große Überraschung: Bei einer kleinen Modenschau am Stadtfest im August vor dem künftigen Laden gab es einen echten Heiratsantrag. Peter Lange stellte seiner Lebensgefährtin Tina Schindelmann die entscheidende Frage – und sie sagte "Ja". Ein bewegender Moment, auch für Svenja Hüßner, die den kleinen Überfall mit vorbereitet hatte.
Alles Alpaka: Neues Fachgeschäft in der Metzgergasse
Bernd Heilmann hat eine Modemanufaktur in Bamberg, in der exklusive Kleidung aus hochwertiger Alpakawolle gefertigt wird. Mit seiner Kollektion beliefert er so namhafte Labels wie Prada. Seine Kunden sind Einzelhändler in England, Frankreich, Österreich, Osteuropa oder der Schweiz. Jetzt hat der 58-jährige gebürtige Oberndorfer ein Modegeschäft in der Schweinfurter Metzgergasse eröffnet. Bislang belieferte Heilmann den Fachhandel, jetzt bietet er im alpacana seine Mode auch dem Endverbraucher an.
Eine kleine Auszeit in der Siebenbrückleinsgasse: La Piccola Sosta
Im September hat die Trattoria La Piccola Sosta in der Siebenbrückleingasse in Schweinfurt eröffnet. Die kleine Auszeit, so der Name, ist hier Programm. Die Inhaber Andrea Binder und Angelo Saia sind in der Schweinfurter Gastro-Branche keine Unbekannten. Acht Jahre führten die gebürtige Schweinfurterin und der Italiener zusammen die Trattoria Ligure in der Schützenstraße.
Neueröffnung nach Umzug für das Reformhaus Sattran
Von der Metzger- in die Kesslergasse ist das Reformhaus Sattran umgezogen. Seit 2021 ist das Geschäft unter neuer Leitung. Sander Haltmeier und Joachim Escher haben das Reformhaus übernommen und neben dem Geschäft am neuen Standort auch einen Online-Shop eröffnet.
Größer und am neuen Standort: das Don Rioja in der Rückertstraße
Ein Jahr nach der Eröffnung seiner Vinothek Don Rioja ist Mathias Bitsch in neue Räume umgezogen, blieb aber in der Rückertstraße, jetzt näher am Markt. Auch das Angebot wurde erweitert – von Weinen um Feinkost; außerdem gibt es auch ein gastronomisches Angebot.
Neueröffnung in der Hadergasse: Manoli's Café
Schon 2019 wollten Manoli Skafidas und seine Ehefrau Diana in Schweinfurt ein Café eröffnen. Dann kam Corona. 2022 wurde aus dem Traum Wirklichkeit, die beiden brachten Manoli's Café in der Hadergasse an den Start. Und holten sich gleich eine Auszeichnung: das Goldene Schörschle für die Ausgestaltung ihres Cafés. Die komplette Einrichtung hat Skafidas aus seinem Heimatland importiert: Griechenland.
Für Die Brille geht es weiter – mit zwei neuen Unternehmern
44 Jahre hat Ursula Gassmann-Dibal ihr Geschäft Die Brille am Albrecht-Dürer-Platz geführt, 2022 übergab sie den Staffelstab. Mit den Optikermeistern Klaus Keller (58) und Tobias Sterzinger (31) übernahmen im Oktober zwei Mitarbeiter als gleichberechtige Teilhaber das Traditionsgeschäft. Ex-Chefin Gassmann-Dibal zeigte sich gegenüber der Redaktion froh, dass Die Brille weiter inhabergeführt sein wird und nicht an eine Optiker-Kette übergeht.
Aus der Fleischerei in der Spitalstraße wurde die MainBar
Mit der Übernahme des Lokals in Schweinfurts Innenstadt hat sich Ramona Krines einen großen Wunsch erfüllt – und kam dafür in ihre Heimatstadt zurück. 15 Jahre hat sie in Würzburg gelebt und gearbeitet, im September 2022 die Fleischerei von Mike Mangold übernommen und daraus ihre MainBar in der Spitalstraße gemacht.
Weitere neue Geschäfte und Gastronomiebetriebe in Schweinfurt
Außerdem neu in der Innenstadt sind laut Wirtschaftsförderung der Stadt: der Friseursalon Nicole Bauer in der Rückertstraße, Sushi Circle in der Keßlergasse, Ledi di Cosmetics in der Krummen Gasse, BackWerk am Roßmarkt. Juwelier Beringer zog um, von der Wolfsgasse an den Markt.
