zurück
Schweinfurt
Schweinfurter Kneipenszene: Warum die Cinema-Bar dicht macht
Die 20 Jahre hätte Olli Zügel, Betreiber der Cinema-Bar, gerne vollgemacht. Das klappt nicht ganz – nicht nur wegen Corona. Was sind die Gründe für das Aus der Szene-Bar?
Oliver Zügel  hat in 19 Jahren viel Zeit hinter der Theke der Cinema-Bar verbracht. 'Die allermeiste davon war sehr schön', so der 44-Jährige. Dennoch schließt er die Bar in diesem Sommer und konzentriert sich auf sein Gasthaus 'Die neue Schranne'.
Foto: Helmut Glauch | Oliver Zügel  hat in 19 Jahren viel Zeit hinter der Theke der Cinema-Bar verbracht. "Die allermeiste davon war sehr schön", so der 44-Jährige.
Helmut Glauch
Helmut Glauch
 |  aktualisiert: 12.02.2024 22:10 Uhr

"Es waren unterm Strich 17 prima Jahre, die letzten beiden waren zum Vergessen." Olli Zügel (44) erinnert sich gerne vor allem an die erste Zeit, in der er die Cinema-Bar zwischen Marktplatz und Martin-Luther-Platz übernommen hatte. Er meint damit die Jahre 2003 bis etwa 2006, in denen "wir 7 Tage in der Woche geöffnet und immer volles Haus hatten". Die Cinema-Bar gab es schon lang vorher, wenn auch kleiner und sozusagen als "Vorzimmer" des Kinos mit Namen "Cinema", das vor 19 Jahren, als Zügel die Bar übernahm, schon geschlossen war.

Das Kino ging, die Bar, in der der Name weiterlebte, war ein angesagter Szene-Treff, ein Muss für Schweinfurter Partygänger und junge Leute, die sich zunächst dort zusammenfanden, um vielleicht anschließend eine der Schweinfurter Diskotheken zu besuchen. Bis zu 250 verschiedene Spirituosen waren zum "Vorglühen" und Genießen im Angebot. Auch die späteren Jahre waren geprägt von Festen, die sich von der Bar bis auf den Marktplatz zogen. Feste, die von den ansässigen Gastronomen mitorganisiert wurden. Spontan fallen Zügel diverse Honky Tonks, WM-Feiern, oder das neue Stadtfest ein, in dessen Rahmen die "Antenne-Bayern-Bühne" am Marktplatz aufgebaut war.

Das ist schon fast 14 Jahre her, aber immer noch unvergessen. Beim Honky Tonk spielte 2008 die Band 'Breitner' auf dem Pflaster vor der Cinema Bar. Der ganze Marktplatz war gut gefüllt.
Foto: Ruppert | Das ist schon fast 14 Jahre her, aber immer noch unvergessen. Beim Honky Tonk spielte 2008 die Band "Breitner" auf dem Pflaster vor der Cinema Bar. Der ganze Marktplatz war gut gefüllt.

"Donnerstag war in Schweinfurt 'Weggeh-Tag', der war bei uns stärker besucht als die Wochenenden" erinnert sich Olli Zügel an diese Zeit. "Im Sommer war es wie im Urlaub im Süden, die Gäste saßen draußen auf den Treppen und genossen die Sommernächte."

Oliver Zügel: Der Niedergang der Cinema-Bar kam schleichend

Diese Zeiten sind vorbei, nicht nur wegen Corona. Warum das so ist, lässt sich laut Olli Zügel nicht an einer Sache festmachen. "Es kam schleichend", sagt er, "und es fing mit dem Rauchverbot an". Auch die Sozialen Medien hätten ihren Beitrag geleistet. "Die Leute gehen heute nicht mehr so oft fort, um sich zu treffen und zu unterhalten, wenn sie sich schon vorher jede Kleinigkeit über einen Messenger mitgeteilt haben."

Dieses Bild stammt aus dem Jahr 2003. Oliver Zügel als Barkeeper hinter der Theke, der gerade von ihm übernommenen Cinema-Bar.
Foto: Waltraud Fuchs-Mauder | Dieses Bild stammt aus dem Jahr 2003. Oliver Zügel als Barkeeper hinter der Theke, der gerade von ihm übernommenen Cinema-Bar.

Ab 2013/14 sei es rapide abwärts gegangen mit den Gästezahlen, was auch daran lag, dass es die Diskotheken, die man nach dem Auftakt in der Bar gerne besuchte, nicht mehr in dem Umfang gab. Schweinfurt habe sich unterm Strich von seiner jungen Kulturszene her ungünstig entwickelt. So fehle es zum Beispiel der Stadt an Studentinnen und Studenten, die nicht nur hier studieren, sondern tatsächlich hier leben und abends ausgehen. "Die studieren und fahren abends wieder nach Hause", so seine Erfahrung. Dies sei in anderen Hochschulstädten mit entsprechendem Wohnangebot für junge Leute ganz anders.

Im Juni wird die Cinema-Bar ihre Pforten schließen

Aus dem sozusagen "rund-um-die-Uhr-Betrieb" wurde nach und nach die 5-, die 4- und dann die 3-Tage-Woche. Zuletzt, also vor Corona, war die Cinema-Bar immer an den Freitagen und Samstagen geöffnet. Im Juni wird die Cinema-Bar ihre Pforten nun ganz schließen. Olli Zügel konzentriert sich ganz auf sein zweites gastronomisches Standbein, das fränkisch/gutbürgerliche Gasthaus "Neue Schranne" in der Friedhofstraße.

Ralf Schander war lange Jahre Mixer und Barmann in der Cinema-Bar.
Foto: Eichler | Ralf Schander war lange Jahre Mixer und Barmann in der Cinema-Bar.

"Die Pacht, die Unterhaltskosten, es wäre auch ohne Corona wahrscheinlich früher oder später der Gedanke an Schließung gekommen, Corona hat diese Entwicklung extrem beschleunigt", bilanziert Zügel, der aber auch einräumt "die 20 Jahre hätte ich gerne voll gemacht". Auch wenn Bars und Kneipen wieder wie vor der Pandemie gewohnt zu nutzen sein werden, werden sie es schwer haben, ihr altes Publikum wiederzugewinnen, so seine Einschätzung. Zu sehr hätten sich die jungen Leute an Feiern im privaten Umfeld oder ans "Chillen zu Hause" gewöhnt.

Die 19. Saison wird die letzte sein. Anfang März hofft er im Rahmen der Lockerungen der Corona-Maßnahmen öffnen zu dürfen und mit den Gästen noch die eine oder andere Party feiern zu können. "Stand jetzt, wird Ende Juni mit dem Ende des Mietvertrages Schluss sein."

Bei der Rückschau überwiegt für Olli Zügel das lachende Auge, "denn ich möchte kein Jahr, eigentlich keinen Tag vermissen". Es seien Freundschaften entstanden, es habe ein beinahe familiäres Verhältnis unter den Gästen geherrscht. "Zu Glanzzeiten haben hier sechs Leute gearbeitet." Auch für die, teilweise jahrelang dabei, sei die Nachricht vom Ende der Cinema-Bar sehr traurig gewesen. "Die Zeiten haben sich geändert, deshalb der Schlussstrich", so Olli Zügel, der sich dennoch darauf freut, mit Freunden und Fans demnächst in die Abschlusssaison zu starten.

Wer zieht in die frei werdenden Räumlichkeiten ein?

Hans Richter, Besitzer der Räumlichkeiten, in denen das einstige Kino und die Bar untergebracht sind, berichtet auf Nachfrage, dass er sich bereits um eine Nachmieter-Lösung bemühe. Richter war selbst von 1973 an für 25 Jahre Betreiber des Kinos und des Barbetriebs. Noch sei nichts entschieden, aber es soll auf jeden Fall wieder ein gastronomischer Betrieb dort einziehen, so Richter. Einen weiteren Leerstand in Schweinfurt gelte es zu vermeiden.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Helmut Glauch
Bars
Hans Richter
Marktplätze
Studentinnen und Studenten
Zügel
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • RoMu
    Und genau so wird es weiter gehen. Bis in den Städten nur noch Döner und Asia Imbiss Läden stehen. Und die wenigen Standhaften Läden da kannste dich dann anstellen. Wie damals. Aber, da wollten wir ja schon seit 16 Jahren mit aller Gewalt wieder hin. Also dann, Vorwärts nimmer, abwärts immer. Los gehts.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • bernd_schuhmann@t-online.de
    War Stammgast im Cinema unter Hans Richter. Wieder eine Kult Kneipe weniger, was bleibt übrig ?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • SteffReni
    Danke Ollie, für die vielen schönen Stunden, die ich im Cinema verbringen durfte.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Schmetterling
    Nicht jammern - weitermachen, neu erfinden!
    Dranbleiben, sich interessieren und auch öffentlich Missstände anprangern, durch Leserbriefe, Besuch der Stadt Ratssitzungen etc.
    Wir lassen Schweinfurt nicht in einen Dornröschenschlaf fallen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mw.wehner@t-online.de
    Schweinfurt stirbt aus!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • lutterbeck
    Einfach nur traurig was aus dieser Stadt geworden ist.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Funkenstern
    Es ist mindestens genauso traurig, dass sich nichts mehr verbessert.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten