zurück
Schweinfurt
Nähen liegt im Trend: Warum der Stofftreff in Schweinfurt trotzdem nach 24 Jahren schließen muss
Junge, Alte, Frauen, Männer – Deutschland näht wieder, spätestens seit Corona und Alltagsmasken. Und doch sterben Stoffläden in Städten aus. Was ist der Grund?
Der Stoff-Treff in Schweinfurt schließt nach 24 Jahren. Im Bild Stefanie Fischer hat Kundschaft.
Foto: Anand Anders | Der Stoff-Treff in Schweinfurt schließt nach 24 Jahren. Im Bild Stefanie Fischer hat Kundschaft.
Katja Beringer
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:01 Uhr

Deutschland 2020: Wer kann, näht Masken. Die Geschäfte sind geschlossen, Lockdown. Als sie öffnen, beginnt der Ansturm – auf Gummibänder, Baumwollstoffe. Doch der war nicht von langer Dauer, sagt Stefanie Fischer. Das Alltagsmasken-Nähfieber hat ihrem kleinen Laden, dem Stofftreff in Schweinfurt, im ersten Jahr der Corona-Pandemie ein Mini-Hoch beschert. Danach ging es schleppend weiter.

Noch ein Lockdown, dann wieder Öffnungen, nach denen die Kundinnen und Kunden erst zäh oder gar nicht zurück kamen, dann die 2G-Regelung. Sie war am Ende das letzte i-Tüpfelchen auf dem Aus, das schon lange begonnen hatte.

Seit etwa drei Jahren beobachtet Fischer, wie das Internet zur übermächtigen Konkurrenz heranwächst. Gekauft wird online. In den kleinen Stoffladen marschieren viele nur noch, um etwas Zubehör zu holen. Einen Stoff für den Bund, Reißverschlüsse, bunte Bänder. Die Stoffe bleiben liegen. Besondere Ware aus Italien zu holen, hat Fischer schon länger aufgegeben. Manche der Kundinnen erzählen ihr sogar, wie angenehm sie es finden, im Internet zu kaufen. Das sei bequem, auch die Lieferung nach Hause. Einer Ladenbesitzerin wie Fischer, die vor fast 25 Jahren das kleine Geschäft An den Brennöfen übernommen hat, tut das weh.

Unscheinbar hinter einer gelben Fassade: Der Stoff-Treff in Schweinfurt.
Foto: Anand Anders | Unscheinbar hinter einer gelben Fassade: Der Stoff-Treff in Schweinfurt.

Wer profitiert letzten Endes wirklich vom Trend-Hobby Nähen?

Denn was bleibt, reicht nicht, um ein Geschäft am Laufen zu halten. Manchmal habe sie die Zahl der Kundinnen und Kunden an einer Hand abzählen können. "Manche Tage hab ich nur Reißverschlüsse und ein paar Bänder verkauft, das ist frustrierend." Vor allem, wenn man weiß, dass das Nähen in der Pandemie ein neuer Trend geworden ist. Viele, die am Anfang Masken nähten, haben das Hobby für sich entdeckt, manche haben wieder mit dem Nähen angefangen.

Davon profitieren Stoffhändler, die sich im Internet einen Preiskampf liefern, oder Messen wie der Holländische Stoffmarkt, bei dem sich auch in Schweinfurt zweimal im Jahr am Volksfestplatz die Menschen drängen. An den Stoffgeschäften geht der Trend, wieder selbst zu nähen, vorbei, sagt Fischer.

Immer mehr Internet, immer weniger Geschäfte in den Städten

Den Schritt ins Internet, einen eigenen Online-Shop zu eröffnen, hat sie nie gewagt. Das liege ihr nicht, meint Fischer. Ob es erfolgreich gewesen wäre, sei auch dahingestellt. Bei Call & Collect in Schweinfurt, bei dem Läden auch während der Schließungen Waren an der Ladentüre auf Bestellung verkaufen konnten, hat der Stofftreff jedenfalls mitgemacht. Der Erfolg: eher mäßig, sagt die Ladenbesitzerin.

Bis zum 25. Juni hat der Stofftreff noch geöffnet. Die Ware ist reduziert, um 50 bis 70 Prozent. Schließt der kleine Laden, wird es in Schweinfurt nur noch ein echtes Stoffgeschäft geben. Die Zahl der Läden wird allgemein dünner und dünner, meint die gelernte Schneiderin, die sich im September 1997 einen Traum erfüllte. Damals hatte sie das kleine Geschäft in dem alten Haus übernommen, in dem sie zuvor schon manchmal ausgeholfen hatte. Zehn Jahre war es ein Stoffladen gewesen, dann wurde es zu Fischers Stofftreff, in dem viel Herzblut und Erinnerungen stecken.

Ein großes Angebot an Stoffen.
Foto: Anand Anders | Ein großes Angebot an Stoffen.

Auch wenn der Stofftreff schließen wird, die Nähkurse laufen weiter

Zum Beispiel an die ersten Nähkurse, damals noch im Laden, mit ganz wenig Platz, aber viel Spaß. Heute hat Fischer einen Raum im Nachbarhaus angemietet. Kinder, Jugendliche und Erwachsene können dort das Nähen lernen. Von ihr und anderen Profis. Dabei soll es auch bleiben: Die Nähkurse will Fischer weiter anbieten. Auch dann, wenn das alte Haus, in dem der Stofftreff fast 25 Jahre existiert hat, in absehbarer Zeit abgerissen wird. Ein Neubau soll das verwinkelte Häuschen in Schweinfurts ältestem Teil, dem Fischerrain, ersetzen.

Noch ein Grund, den Laden aufzugeben, auch wenn die Entscheidung für Stefanie Fischer kein leichter Schritt war und sie lange alles versucht habe, um weiterzumachen. Ein Umzug, neue Räume, neue Einrichtung – das rechnet sich nicht, wenn der Laden ohnehin nicht läuft, sagt sie offen. Wie wird es sein, das letzte Mal die Türe zuzuschließen? Ein "komisches Gefühl", glaubt die 57-Jährige. Und weiß doch, dass es die richtige Entscheidung ist.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Katja Beringer
Covid-19-Pandemie
Handarbeit und Nähen
Lockdown
Preiskämpfe
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top