Zumindest gefühlt haben die Geschäftsschließungen in Schweinfurts Innenstadt zugenommen. Hier ein Schuhladen, dort ein Bekleidungsgeschäft, das sich mit Räumungsverkauf-Plakaten in den Schaufenstern auf den letzten Weg macht. Erst und irgendwie noch immer Corona, dann der Angriff auf die Ukraine, in dessen Windschatten die Energiepreise durch die Decke gehen. Und da wäre ja auch noch die Online-Konkurrenz, die "dank Corona" kräftig zugelegt hat. Was macht dieser Mix mit den Geschäften in Schweinfurt? Wir haben nachgefragt.
Axel Schöll: Die Stimmung bei den Schweinfurter Einzelhändlern ist im Keller
Ein Mix, der Konsumenten und Händler verunsichert, bestätigt Axel Schöll, Kreisvorsitzender des bayerischen Handelsverbandes in Schweinfurt (150 Mitglieder in Stadt und Landkreis Schweinfurt). Dennoch rät er genau hinzuschauen, warum ein Geschäft zumacht, oft seien es das Alter, fehlende Nachfolge oder, dass sich ein Filialist auf ein Geschäft konzentriert. Insgesamt habe Schweinfurt noch viele Fachgeschäfte, die durchwegs gute Noten von ihren Kunden bekommen.
Neben eingangs erwähnten Problemen machen allen Branchen Lieferschwierigkeiten zu schaffen, dazu belaste der höhere Mindestlohn die Geschäftsinhaber. Das größte Problem für Einzelhändler ist für Schöll die Kaufzurückhaltung. Die sei zwar angesichts der teuren Energie verständlich, lasse aber die Hoffnung auf ein gutes Weihnachtsgeschäft schwinden. "Zwei Drittel der Menschen wollen heuer weniger für Geschenke ausgeben", zitiert Schöll Ergebnisse von Branchen-Umfragen. Manches Geschäft mache in den Wochen vor Weihnachten bis zu einem Drittel seines Jahresumsatzes.
Impulse müssen aus dem Rathaus kommen
"Die Stimmung bei den Schweinfurter Einzelhändlern ist im Keller", resümiert Schöll die Situation. Dabei habe das Jahr ganz gut angefangen, denn es fanden wieder Events statt, die Menschen in die Stadt brachten. Nach zwei Jahren Corona hatten sich die Umsätze im Frühsommer einigermaßen erholt. Ein Effekt, der mit der Energiepreis-Diskussion und daraus resultierender Kaufzurückhaltung, verpufft sei. Schöll befürchtet, dass es nach Herbst und Winter zu weiteren Schließungen kommen könnte.
Axel Schöll hofft, dass es gemeinsam mit der Stadt gelingt, aus den Komponenten Leben, Wohnraum, Handel den "Erlebnisraum Innenstadt" zu schmieden. "Ziel muss sein, dass die Leute sagen, ich wohne hier gerne, ich arbeite hier gerne, ich gehe gerne hier in Gaststätten und zum Einkaufen". Dafür brauche es eine Leitidee, eine Strategie für die Innenstadt. "Diese Idee fehlt mir bisher im Rathaus." Impulsgeber für eine Innenstadt-Strategie, so Schöll, müsse Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) sein, doch bisher, seiner Meinung nach: "Fehlanzeige".
Positiv sieht Schöll die Arbeit der neuen Beratungsfirma Stadt+Handel. "Ich hoffe, dass die ihre Analysen etwas anders angehen und für Konzepte und Umsetzung neue Wege gehen", sagt er, kritisiert aber gleichzeitig, dass dies nicht schon vor Jahren gemacht wurde. "Uns fehlt ein Standort-Innenstadtmarketing und die aktive Leerstand-Vermarktung".
Große Sorgen bereite dem Handel schon heute der Abriss der Maxbrücke. Die Megabaustelle wird frühestens ab 2027 ein wichtiges Einfallstor nach Schweinfurt verschließen. Der Handelsverband befürchte den "Tod der Innenstadt", wenn diese Hauptschlagader in die Innenstadt für mindestens drei Jahre durchtrennt ist und keine Lösung für eine Ersatzbrücke gefunden wird. "Da jetzt eine tragfähige Lösung zu finden und zu erarbeiten ist wichtiger als die Konzentration auf die Landesgartenschau, die für den Einzelhandel nichts bringt", so Schöll. "Wir müssen weg vom Zaudern und Zögern und hin zur Aktion", fasst Schöll die Situation zusammen und hofft, dass in dieser Hinsicht Impulse von der Stadt kommen.
Werner Christoffel: Leerstände sind oft auch auf die Immobilieneigentümer zurückzuführen
Generell seien Einzelhandel und Gastronomie bedingt durch Rezession, Inflation und Online-Handel in einer schwierigen Situation, bestätigt Werner Christoffel, Vorsitzender von "Schweinfurt erleben". "Wie fast alle Städte haben wir seit Jahren mit Leerstand zu kämpfen und einige sehr ärgerliche Leerstände in 1A-Lagen wie Keßlergasse und Spitalstraße". Wobei die hauptsächlich auf die Immobilieneigentümer zurückzuführen seien, da die Läden in unvermietbarem Zustand seien, so Christoffel. Tatsächlich habe man aktuell sogar mehr Neueröffnungen als Schließungen, von Brautmoden über Mainbar bis zur Weinbar. Als Werbegemeinschaft tue man gemeinsam mit der Stadt einiges, von LED-Weihnachtsbeleuchtung bis Blumenampeln an den Laternen, um die Attraktivität der City zu verbessern und für Frequenz zu sorgen.
Derzeit laufe eine Image-Kampagne mit 160 Plakaten, die zu vier Terminen in den umliegenden Städten Veranstaltungen in Schweinfurt und deren Einkaufsmöglichkeiten bewerben. "Wir haben von unseren Schweinfurt-erleben-Gutscheinen über 400.000 Euro im Umlauf. Eine bundesweit fast einmalige Erfolgsgeschichte. Wir kümmern uns auch um Parktickets, die viele unserer Mitglieder kostenlos an Ihre Kunden ausgeben".
Thomas Herrmann: Nicht nur immer negative Entwicklungen im Blick haben
Teure Energie, Personalmangel, Kaufzurückhaltung, Internetkonkurrenz oder Probleme einen Nachfolger zu finden. Auch für Thomas Herrmann, im Schweinfurter Rathaus Amtsleiter für Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing, sind das die Probleme, die zu Schließungen in Handel, Gastronomie und bei Dienstleistern führen. "Ein bundesweites Problem für Innenstädte." Schweinfurt habe jedoch auch einiges an Neueröffnungen zu verzeichnen.
Um die Stadt mehr zum Erlebnisraum zu machen, werde derzeit eine Innenstadt-Konzeption erarbeitet. Dabei gehe es darum, wie man die City unter Berücksichtigung der Akteure den Erwartungen der Menschen anpassen könne. "Im Hinblick auf die sich verändernde Einzelhandelslandschaft, aber auch Themen wie Mobilität, Freizeit, Wohnen müssen Innenstädte neu gedacht werden."
Mit dem Projekt „Schweinfurt FABulous“ sei man auf gutem Weg, etwa leerstehende Gewerbeflächen durch alternative Nutzungen neu zu besetzen. "Wir wollen eine Präsenzstelle der Fachhochschule FHWS, einen Raum für sichtbares studentisches Leben schaffen. Zusätzlich sollen urbane Produktion, Reallabore und offene Ateliers die Innenstadt als Erlebnisraum unterstützen." Das neue Begrünungs-Konzept spiele dabei eine Rolle. "Uns ist klar, dass wir nicht von heute auf morgen die Innenstadt umbauen können, das ist ein Prozess, der von vielen Faktoren beeinflusst wird."
Grundsätzlich habe Schweinfurt die gleichen Probleme wie fast alle Städte. Hermann würde sich von den Medien wünschen, dass auf Neueröffnungen mindestens genauso viel Augenmerk gelegt werde, wie auf Geschäftsschließungen. "Positive Veränderungen in unseren Städten herausstellen" sei wichtig, denn auch das trage dazu bei, dass Kaufkraft nicht ins Internet abwandert.
Wir brauchen die ganzen Läden in unserer Innenstadt nicht mehr. Internet hat vieles verändert. Aber das will man im Rathaus wohl nicht wahrhaben sondern schimpft immer nur auf die leeren Ladenlokale. Internet macht einkaufen so einfach und bequem. Markenschuhe im Internet sind oftmals 30% günstiger als im Laden. Wer geht dafür noch in die Stadt? Das ist die Realität.
Damals liefen die Läden auch ohne übersteigerten Markteting-Firlefanz und hauptamtliche Wirtschaftsförderer bestens.
Der direkte Vergleich zum heutigen Zustand ist erschütternd. Ich bin jetzt zwar auch noch oft in Schweinfurt, aber weder die Stadtgalerie noch die verbliebenen Geschäfte in der Innenstadt reißen mich großartig vom Hocker.
Die Stadtgalerie ist oft genug eine hochglanzpolierte Insel der Stille und der Einsamkeit und in der Innenstadt herrscht das Flair des Verfalls und des Niedergangs vor.
Was konnte man anderes machen als ein Stadtbummel?
Zudem war und ist meine Generation aufgrund einer robusten Konstitution und einer gesunden Lebensweise auch weniger anfällig für Viren aller Art.
Corona wählt nicht nach Bildung oder "robusten Kondition" aus. Schauen Sie sich mal an wieviel Sportler Corona haben/hatten. Menschen ihrer Generation (ab 50-60 Jahren) gehören zu den Risikogruppen.
Man traf sich zum Einkaufsbummel, zum Abschluss evtl noch ein Getränk face to face!
Früher war vieles nicht besser, jedoch persönlicher.
Zu dem Bild des Ladens würde ich der Stadt empfehlen erst mal die Schandflecken/Schmierereien zu entfernen. In so einen Laden würde ich nicht rein gehen, auch wenn es da die schönsten Waren oder besten Speisen geben gäbe.
Es ist nicht zu verstehen warum die Stadtoberen nicht für Attraktivität u damit für Lebensqualität sorgen. Mal mit offenen Augen durch die Stadt laufen!
Sieht es bei Ihnen Zuhause auch so aus?