Mit dem Musikhaus Kreuzinger in der Friedrich-Stein-Straße tritt Mitte Februar ein weiteres Schweinfurter Traditionsgeschäft von der Bühne ab. Seit 1949, mehr als 70 Jahre lang, steht der Name Kreuzinger in der Region für serviceorientierten Musikalienfachhandel, Musikunterricht und die Reparatur von Instrumenten.
Kreuzinger, ein Name, der schon viel länger klingt und für Musik steht. "Wir sind eine uralte Geigenbauerfamilie", berichtet Susanne Kreuzinger. Die 58-jährige Inhaberin, die mit ihrer 77-jährigen Mutter Marianne den Laden führt, ist "etwas aus der Art geschlagen", wie sie schmunzelnd einräumt, denn sie ist Klavierbauerin und Handelsfachwirtin. Ansonsten sind Kreuzingers eine lupenreine Geigenbauer-Dynastie.
So wie ihr Großvater Willibald Kreuzinger, ein Geigenbaumeister, den es nach dem Krieg als Heimatvertriebenen vom Sudetenland nach Schweinfurt verschlagen hat. Er war schon die sechste Generation Kreuzingers, die einst in der alten Heimat in Schönbach bei Eger, das "Zentrum des nordböhmischen Geigenbaues" prägten und im "Verband der Geigenbauer in der österreichisch/ungarischen Monarchie" eine Rolle spielten.
"Ein Handwerker mit Leib und Seele", erinnert sich Susanne Kreuzinger an ihren Opa. "Damals bestand das Geschäft aus Dreiviertel Werkstatt und ein Viertel Laden." Das war erst ein kleiner Laden in der Judengasse, der bald in die Zehntstraße umzog. In diesem Geschäft brannte das Licht meist nur in der Werkstatt. Betrat ein Kunde den Verkaufsraum, wurde er von Willibald Kreuzinger erst einmal gefragt "Haben sie feste Kaufabsichten, wenn ja, dann mache ich das Licht an", erinnert sich Susanne Kreuzinger an eine in der Familie gerne erzählte Anekdote.
Das Licht ging immer häufiger an, denn Kreuzinger etablierte sich in der Region bei allen, die selbst gerne die Tasten bedienen oder in die Saiten greifen, auch weil die nachfolgenden Generationen in die musikalischen Fußstapfen traten. Susanne Kreuzingers Vater Manfred, der 1983 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, und ihre jüngere Schwester Julia wurden Geigenbauer. Seit dem frühen Tod von Manfred Kreuzinger waren es seine Witwe Marianne und Tochter Susanne, die den Laden gemeinsam mit wechselnden Mitarbeitern durch die Jahrzehnte brachten.
Goldene Zeiten in den 1970er- und 1980er-Jahren
Lange Zehntstraße, Kornmarkt, Obere Straße und die Rückertstraße waren weitere Adressen, an denen das Musikhaus für den guten Ton sorgte. Aus "Geigen und Zubehör", auf die sich der Großvater noch beschränkte, machte Manfred Kreuzinger ein komplettes Musikgeschäft mit Gitarren, Klavieren, Orgeln und mehr. Kreuzinger unterhielt eine Orgelschule mit Lehrkräften, es wurden Schülerkonzerte durchgeführt. "Die 70er und 80er-Jahre waren Goldene Zeiten", erinnert sich Susanne Kreuzinger. Auf fünf Etagen und 800 Quadratmetern Verkaufsfläche hatte das Musikhaus Kreuzinger in der Rückertstraße seine größte Ausdehnung. Zeiten, in denen nicht nur Bands gegründet und Hausmusik gemacht wurde, sondern auch viele Schulen ihren musikalischen Bedarf bei Kreuzinger bestellten.
Daneben waren es die Amateure, Hobbymusiker und Familien mit musikalisch ambitioniertem Nachwuchs, die sich bei Kreuzinger nicht nur ihre vor allem Saiten- und Tasteninstrumente, sondern auch Ersatzteile und Noten holten. Auch für die Instrumenten-Reparatur, vor allem für Geigen, war das Haus eine geschätzte Adresse. "Zeiten, in denen Kinder zur Kommunion oder Konfirmation ein Instrument und die Noten dazu bekamen und kein Notebook wie heute", erinnert sich Susanne Kreuzinger.
Diese Zeiten sind vorbei, es gebe heute nicht nur weniger Hobbymusiker, sondern vor allem Konkurrenz durch große überregionale Musikhäuser und den Online-Handel. Gründe, die schon 2014 eine Rolle beim Umzug in die kleineren Geschäftsräume in der Friedrich-Stein-Straße gespielt hatten und der damit verbundenen Rückbesinnung auf das Kerngeschäft.
Corona: Weniger Kunden und Lieferengpässe
Das alles wäre vielleicht verkraftbar gewesen. Aber dann kam Corona. Musiker haben kaum noch Möglichkeiten aufzutreten. Musikschüler seien nicht selten durch Online-Unterricht in ein Motivationstief gefallen, aus dem sie vermutlich nicht wieder rauskommen. "Alles Dinge, die nicht gerade förderlich sind für den Verkauf von Instrumenten, Noten und Zubehör", resümiert Susanne Kreuzinger.
Lockdowns und die 2G-Regelung für den Zutritt in Fachgeschäfte kämen dazu, denn sie hätten die Tendenz der Kunden hin zum Online-Handel noch einmal gehörig verstärkt. Zwar sei man auch mit einer Website in den Online-Handel eingestiegen, könne aber nicht mit den großen Musikhäusern mithalten.
Auch die pandemiebedingten Lieferengpässe betreffen den Musikalienfachhandel. Viele Ersatzteile, wie etwa Tasten für Klaviere und Keyboards, werden in China gefertigt, es kommt zu monatelangen Wartezeiten. Das ist für ein Musikhaus mit begrenzter Lagerkapazität ein großes Problem.
Am 19. Februar ist zum letzten Mal geöffnet
Unterm Strich sprechen Susanne Kreuzinger und ihre Mutter zwar voller Wehmut dennoch vom richtigen Zeitpunkt, das Geschäft zu schließen. Ganz wird der Name aber nicht verklingen, denn Klavierbauerin Susanne Kreuzinger wird als Klavier- und Flügelstimmerin weiter dafür sorgen, dass die Instrumente wieder sauber klingen. Ein Leerstand wird mit der Geschäftsaufgabe nicht produziert. In die Räume zieht eine Arztpraxis ein. Letzter Öffnungstag ist der 19. Februar.