Im Juni 2021 stand der Fußball-Regionalligist FC 05 Schweinfurt vor dem Sprung in die Dritte Liga, verlor die Aufstiegsrelegation gegen den TSV Havelse im Hin- und Rückspiel jeweils mit 0:1. Danach war von der Titelverteidigung die Rede beim Regionalliga-Meister. Seitdem geht es sportlich bergab. Es folgte eine durchschnittliche Saison 2021/22, in deren zweiter Hälfte und damit in der ersten des Kalenderjahres 2022 auf und neben dem Platz so einiges schiefging. Besser wurde es in der Spielzeit 2022/23 nicht: Die Nullfünfer, gestartet mit dezenten Erwartungen, oben mitspielen zu können, sind als Tabellenzehnter mit nur drei Punkten Vorsprung auf die Relegationsplätze vom Abstieg bedroht. 2022 war kein gutes Jahr für den Verein.
In der von einer beispiellosen Verletzungsmisere samt vier Langzeitverletzten und phasenweise bis zu zehn Ausfällen pro Spieltag geprägten Saison haben sich zeitig alle Hoffnungen zerschlagen. Konstanz gab es zu keinem Zeitpunkt und dementsprechend auch nie mehr als zwei Siege am Stück – und das auch nur zweimal. Stattdessen gab es vor der Winterpause den größten Negativlauf mit fünf sieglosen Partien am Stück. Die Schweinfurter Fans hatten dementsprechend viel zu diskutieren. Das waren die 7 emotionalsten Momente:
1. Und plötzlich ist eine Saison im Februar gelaufen
Es sollte eine beispiellose Aufholjagd im Titelrennen werden, doch sie ist bereits mit dem ersten Spiel nach der Winterpause beendet – am 20. Februar. 0:2 beim 1. FC Nürnberg II. 16 Punkte Rückstand haben die Schweinfurter auf Spitzenreiter Bayreuth. Als Tabellendritter, der mit einem Sieg und einem weiteren im ausstehenden Nachholspiel den Abstand auf zehn Zähler reduzieren wollte. Und dann ja noch den direkten Vergleich ... – nix, es hat sich ausgerechnet.
Zu heftig sitzt die Watsche vom Valznerweiher. Leichtsinnsfehler, leichte Gegentore, zu wenig Biss und Mut – es ist ein Desaster, auch wegen erkennbarer Konzeptlosigkeit. Der FC 05 spielt hohe Bälle bei heftigen Windböen und wird verblasen. Und Luis Zwick läutet mit einem haarsträubenden Fehler eine Saison der Pannen Schweinfurter Torhüter ein. "0,0 Bedenken, dass wir einbrechen und spielen, als ginge es um nichts mehr" hat Trainer Tobias Strobl und täuscht sich gewaltig. Die Idee "neuer Motivationsansätze" findet den Weg in die Realität nicht. Es folgt das Pokal-Aus gegen die Kickers und am Saisonende sind's 31 Miese auf Bayreuth.
2. Kein Aprilscherz: Der Abschied von Trainer Tobias Strobl
Paukenschlag drei Tage vor dem Spiel beim FC Bayern München II: Am 1. April trennen sich die Schweinfurter von Cheftrainer Tobias Strobl. "Wir haben in zwei Spielzeiten hintereinander unsere Ziele verpasst", sagt Geschäftsführer Markus Wolf. "Ein neuer Anfang ist unumgänglich, auch auf der Trainerbank." Und er macht klar: Ausschlaggebend seien neben der Talfahrt "die unterschiedlichen Vorstellungen, wie die neue Saison vorzubereiten ist". Die sportliche Leitung will bleibende Spieler sehen, Strobl stellt fleißig Abwanderungswillige auf – es kracht.
Auch der Tag der Entlassung ist kein leiser: Strobl sitzt am Freitagvormittag als Trainer in der Pressekonferenz. Eine gute Stunde später ist er kein Trainer mehr. Die Medienvertreter fragen ein zweites Mal, diesmal den Nachfolger und bisherigen Co Jan Gernlein. Der lapidar: "Ihr könnt Tobis Antworten nehmen." Strobl, mit 34 Jahren ein junger Coach und erstmals mit so einer Situation konfrontiert, ist tieftraurig: "Ich habe Fehler in der Aufarbeitung der verlorenen Drittliga-Relegation gemacht." Letztlich ist er auch über seine fürs Fußballgeschäft ungewöhnliche Herzlichkeit gestolpert. "Aber so bin ich, ich kann keine Rolle spielen. Selbst wenn es für den ganz großen Schritt nicht reichen sollte." Heute trainiert er die U 23 des FC Augsburg.
3. Krankes System: FC-05-Boss Markus Wolf platzt der Kragen
Anfang Juli, der FC 05 hat in der Vorbereitung auf die Saison fünf Siege in den bisherigen fünf Testspielen eingefahren. Alle sind bester Dinge – das Sportliche betreffend auch Geschäftsführer und Hauptsponsor Markus Wolf. Dennoch brodelt es in dem emotionalen Geschäftsmann, dessen Vision es ist, mit den Schweinfurtern in die Dritte Liga aufzusteigen. Im Interview mit dieser Redaktion spricht Wolf über dieses Ziel, aber auch über Einsparungen.
Er lädt seinen Frust über die Entwicklung im deutschen Profifußball ab. Sein Wunsch: eine zweigeteilte Dritte Liga. "Finanziell macht das nur Sinn, wenn es eine bessere Verteilung der TV-Gelder gibt. Jeder Verein bräuchte aus dem DFL-Topf zweieinhalb bis drei Millionen Euro. Aber lieber stopfen sich die Erst- und Zweitligisten die Taschen voll. In der Regionalliga kommt nichts an. Die Amateurvereine können ja durchrechnen, ob sie unter Profibedingungen arbeiten, einen Etat von 1,5 Millionen Euro stemmen und eine Unterstützung von vielleicht 300.000 Euro bekommen. Das sind Kalkulationen, die von der DFL nicht registriert werden. Die Kluft wird immer größer. Dieses System ist krank." Inzwischen deutet einiges darauf hin, dass der FC 05 zur Saison 2023/24 wieder auf Amateurstatus umstellen könnte.
4. Na also, geht doch: Der Schweinfurter Lichtblick gegen die kleinen Bayern
Nicht nur Nico Stephan grinst übers ganze Gesicht: Soeben hat er mit 2:0 gegen den FC Bayern München II gewonnen und dabei ganz nebenbei sein Liga-Saisondebüt im Schweinfurter Tor gegeben. Zuvor hatte Stammkeeper Bennet Schmidt seinen Platz nach mehreren Fehlern räumen müssen. Jetzt dieser Triumph, zu Null gespielt zu haben, für den 21-jährigen Poppenhäuser Stephan. Und seine Mannschaft, der die Erleichterung nach drei vorangegangenen Tiefschlägen (2:3 in Heimstetten, 3:4 in Illertissen, 1:1 gegen Burghausen) guttut.
An diesem Freitagabend am 19. August fühlt sich einiges plötzlich wie gewünscht an: Fünf Punkte Rückstand auf Unterhaching, okay, nur drei auf die Kickers, Tabellensechster, einen Rang vor dem Vorjahreszweiten Bayern II. Dessen Trainer Martin Demichelis, der für die Münchner in der Champions League und für die argentinische Nationalelf bei den Weltmeisterschaften 2010 und 2014 verteidigte, sich verbal verneigt vor dem FC 05: "Von dieser Truppe hat meine sehr junge Mannschaft heute gelernt." Sein Schweinfurter Kollege Christian Gmünder genießt das Lob, auch weil sein Kniff mit einer mannorientierten Defensive funktioniert hat: "So hab ich sie als Trainer in der U 19 mal geschlagen", verrät der 42-Jährige.
5. Abseits vom Bengalo-Irrsinn: Das Derby gegen die Kickers als Wegweiser
Eigentlich hat das Regionalliga-Derby am 2. September zwischen dem FC 05 und den Würzburger Kickers, das zweite im Jahr 2022 nach dem Schweinfurter 1:4-Pokal-Aus im März, alles, was ein Fußballspiel braucht: Kampf, Leidenschaft, viele Tore, viele Fehler. Die größten Fehler machen Fans aus beiden Lagern: Sie zünden reihenweise Bengalos, was sich zum Jahresende in höherem vierstelligen Bereich angesiedelten Geldstrafen für beide Klubs niederschlägt. Zudem attackieren einige 05-Chaoten die Polizei körperlich. Großer Mist.
Sportlich wird den Nullfünfern ausgerechnet vom Rivalen aus Würzburg vorgeführt, in welche Richtung es in dieser Saison gehen wird. Der im Sommer aus Ulm gekommene FC-05-Trainer Gmünder erinnert sich an seine eigene Laufbahn, in der er nicht nur beim FC Heidenheim als harter Hund, "als Drecksau" gegolten habe. Eine Tugend, die er im Derby vermisst: "Wir müssen härter zu unseren Gegnern werden. Uns fehlt Dreckigkeit." Sie kommt auch in den nächsten Monaten nicht. Die Schweinfurter spielen hie und da gut (wie beim 2:0 gegen Bayern München II), werden von limitierten Gegnern aber öfter mit simplen Mitteln düpiert.
6. Der Dauerbrenner: Adam Jabiri trifft auch noch mit 38 Jahren wie am Fließband
Er ist so etwas wie die sportliche Lebensversicherung des FC 05: Ohne die Tore von Adam Jabiri stünden die Schweinfurter auf einem direkten Abstiegsplatz. Am 15. Oktober erzielt der 38-Jährige, der nebenher als Architekt arbeitet, beim 2:1-Sieg in Vilzing seinen vierten Liga-Doppelpack der Saison, dreht mit seinen Toren einen 0:1-Rückstand. Zuvor hat es schon je zwei Treffer beim 2:0 in Pipinsried, beim 2:0 gegen den FC Augsburg II und bei der 2:3-Niederlage in Heimstetten gegeben.
Insgesamt liegt der Mittelstürmer, der für die TSG Hoffenheim ein Bundesliga-Spiel absolviert hat und mit den Würzburger Kickers bis in die Zweite Liga aufgestiegen war, aktuell bei 17 Treffern und damit vor dem Würzburger Sliou Sané auf Platz eins in der deutschlandweiten Regionalliga-Torschützenliste. Im Regionalliga-Podcast "Dauer-Derby", dem Audioformat dieser Redaktion, spricht der Marktbreiter in Folge 7 auch über seine Zukunft und warum das Architekturbüro, für das er tätig ist, womöglich noch ein bisschen auf die Vollzeit-Kraft Jabiri warten muss. Für den FC 05 zieht er augenzwinkernd einen architektonischen Vergleich: Dieser sei "ein Reihenhaus, so mittendrin, kein Luxus, Durchschnitt". Aber definitiv "keine Bruchbude".
7. Die Demütigung: Niederlage gegen Strobls Augsburger und akute Abstiegsgefahr
Es wird an diesem nasskalten Nachmittag über Katastrophen geredet, über Impulse, über fehlende Qualität. Am 26. November kurz vor Vier beginnt die Aufarbeitung der 2:4-Niederlage beim FC Augsburg II. Und die lässt nur einen Schluss zu: Die Schweinfurter sind nicht nur eben von der Mannschaft von Ex-Trainer Tobias Strobl mit einfachen Kniffen gedemütigt worden, sie stecken endgültig knietief im Abstiegskampf. Die Fans debattieren über Konsequenzen, stellen in den Sozialen Medien die sportliche Leitung, insbesondere Trainer Christian Gmünder, in Frage.
Doch der Verein stellt sich, wie schon nach dem 2:2 in Buchbach, als der Coach selbst seine mögliche Demission in den Raum geworfen hatte ("ich stehe in der Verantwortung und muss mit den Konsequenzen leben"), hinter Gmünder und schenkt ihm das Vertrauen, den FC 05 auch in die Restrunde 2023 zu führen. Sportleiter Robert Hettich sagt zwei Tage nach Augsburg: "Chris Gmünder ist und bleibt unser Trainer. Er hat ja einen Vertrag nicht nur bis Weihnachten." Nach dem 2:0-Sieg im darauf folgenden letzten Spiel des Jahres 2022 gegen Schlusslicht Heimstetten wissen aber sowohl Hettich wie Gmünder, dass sehr viel von einem guten Start 2023 abhängen wird: Dann steht voraussichtlich als Erstes das nachgeholte Rückspiel gegen Kellerkind Illertissen an.
Profifußball schön und gut, aber wenn es derart peinlich aufgezogen wird so dass man bei vielen Fußballern, Fußballfans und Vereinen in der Umgebung zur Lachnummer verkommt das ist das eher kontraproduktiv.
Sowohl bei den Schnüdeln als auch bei den Kickers kennt man dieses Gefühl mindestens seit der Jahrtausendwende mit wenigen Jahren Unterbrechung.
Wenn man Seriosität lernen will muss man eher nach unten als nach oben schauen, zumindest wenn man das notwendige Kleingeld nicht hat und nicht Gefahr laufen will sich windige Spieler und Funktionäre an Land zu ziehen oder sich von einem Sponsor abhängig machen zu wollen der sich in den laufenden Spielbetrieb einmischt.
Da lieber unterklassiger Fußball als billige Werbesprüche wie z.B. "Wir arbeiten Fußball"