Der Schweinfurter Trainer Christian Gmünder wollte gar nicht mehr damit aufhören, sich seiner eigenen Fußballer-Laufbahn zu erinnern. In der er seine erfolgreichste Zeit beim FC Heidenheim in der Dritten Liga hatte. Ein harter Hund, "eine Drecksau" sei er gewesen. Tugenden, die er am Freitagabend bei einigen seiner Spieler vermisst hatte in diesem Derby, dem so schmerzhaften 2:5 des FC 05 gegen die Würzburger Kickers, das ihn "mit einer großen inneren Leere" zurückgelassen hatte. "Da ist nichts als Unverständnis. So kann man sich in einem Derby nicht präsentieren. Wir müssen härter zu unseren Gegnern werden. Uns fehlt Dreckigkeit."
Im März dieses Jahres gab es im BFV-Pokal-Viertelfinale eine 1:4-Schlagppe für die Nullfünfer, jetzt waren's wieder drei Tore Unterschied. Damals waren die Kickers Drittligist, diesmal sah's nur nach Klassenunterschied aus. Nicht immer, der FC 05 hätte in den ersten 20 Minuten mit 2:0 in Führung gehen können, nach dem 0:2 vor der Pause gleichziehen, hätte Adam Jabiri nicht erst beim 1:2 nach der Pause getroffen - oder Schiedsrichter Patrick Hanslbauer das nicht zu übersehende Handspiel von Ex-Nullfünfer Thomas Haas geahndet, der im Fallen erkennbar mit dem Oberarm zum Ball gegangen war (45.).
Dass ihm im Schweinfurter Fanblock das Transparent "die HAASenjagd ist eröffnet" gewidmet war, war nur eine von mehreren Geschmacklosigkeiten hüben wie drüben. Und vielleicht auch Motivation für Haas, nach dem Kickers-Sieg das "Humba" mit den Fans mit einem "Scheiß Schweinfurt" anzustimmen. Ein bisschen solcher Galligkeit, freilich im sportlichen Rahmen, hätte sich Gmünder von seiner Elf gewünscht, musste stattdessen anerkennen, dass ein Teil seines Personals nicht wirklich den Maßstäben einer Regionalliga-Spitzenmannschaft genügt.
Auch Kapitän Lukas Billick reiht sich in den Fehler-Reigen ein
Dass Nicolas Pfarr bei 0:0 aus fünf Metern das Tor nicht trifft, dass Jannis Rabold mit einem katastrophalen Rückpass das 0:1 einleitet, dass die von der Bank gekommenen Geogios Spanoudakis und Kevin Fery überhaupt keinen frischen Impuls setzen konnten, dass Pascal Moll keine einzige Torszene hatte, der angeschlagene Oldies Jabiri indes ganz viele - alles mehr als nur Momentaufnahmen.
Auch Kapitän Lukas Billick erfüllte die Ansprüche diesmal nicht, war an drei Gegentoren durch fehlende Spitzigkeit und Annahmefehler beteiligt. Dennoch sprach er, sich nicht ausschließend, Tacheles: "Wir müssen uns langsam überlegen, wie es weitergeht. Wir sind nicht gut aus den englischen Wochen gekommen. Und natürlich schauen wir auf die Tabelle", die den FC 05 nur noch als Zehnten führt, gerade mal drei Punkte vor dem ein Spiel weniger aufweisenden Drittliga-Absteiger Türkgücü München als aktuell erstem Releganten.
Der BFV-Pokal könnte die bisher enttäuschende Saison retten helfen
Plötzlich gewinnt das BFV-Pokal-Achtelfinale am Dienstagabend (19 Uhr) bei Viktoria Aschaffenburg eine viel größere Bedeutung: Der Wettbewerb könnte angesichts der acht Miesen auf Unterhaching und sechs auf Würzburg auf längere Zeit, ein Weiterkommen vorausgesetzt, der einzig relevante für den FC 05 werden - und womöglich als Aufbauhilfe für die Liga dienen. "Das ist extrem wichtig für uns", so Billick. "In Aschaffenburg weiß hoffentlich jeder von uns, was auf uns zukommt."
Sein Coach wollte noch nicht so weit denken, versprach aber eine mit Blick auf Dienstag rasche und "knallharte Aufarbeitung des Derbys". Wo sicher auch der rapide Leistungsabfall von Tim Kraus, der eine halbe Stunde lang überragend gespielt hatte, um dann völlig abzutauchen, ein Thema sein wird. "Wir müssen hinterfragen, warum viele die Leistung nicht über 80 oder 90 Minuten bringen. Da wird es nötig sein, viel zu reden. Da ist jetzt Psychologie gefragt." Denn der Freitag hat schonungslos offenbart: Als Mannschaft sind die Schweinfurter nicht in der Lage, individuelle Fehler aufzufangen.
Ex-Bundesliga-Spieler Benjamin Hadzic könnte der neue Stürmer sein
Selbst die Defensive nicht, in der zwar Lukas Zeller, Torschütze zum 2:3 (89.), erneut Fels in der Brandung war und auch Neuzugang Ivan Mihaljevic ein starkes Debüt hinlegte - und in der Lukas Aigner fehlte, nachdem beim Aufwärmen eine muskuläre Blessur aufgebrochen war. Dass es ein zu großes Risiko gewesen sein könnte, hinten komplett umzustellen, Zeller in der Innenverteidigung von rechts auf links zu schieben, Billick auf die Sechs, den Neuen ("er wird uns noch weiter helfen") gleich im Derby zu bringen, dementierte Gmünder entschieden.
Weniger entschieden dementierte er, wie auch Sportleiter Robert Hettich, dass der lang ersehnte Stürmer gefunden sei. Es dürfte sich dabei um Benjamin Hadzic handeln, der womöglich schon am Montag vorgestellt werden könnte. Der 23-jährige in Dinslaken geborene Bosnier spielte für Hannover 96 in der Saison 2018/19 dreimal in der Bundesliga und zuletzt für den österreichischen Bundesligisten Austria Klagenfurt. Der in der Jugend des FC Bayern München ausgebildete, 1,85 Meter große Mittelstürmer absolvierte zudem 25 Einsätze für bosnische Junioren-Auswahlen.