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Würzburg
Argentinien ist Weltmeister, doch diese 30 Unterfranken haben die Fußball-WM in Katar boykottiert
Die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ist beendet: 30 Menschen, 30 Geschichten, 30 Boykotts der Weltmeisterschaft und die mehr als 30 Gründe dahinter.
Argentinien ist Weltmeister, doch diese 30 Unterfranken haben die Fußball-WM in Katar boykottiert
Aurelian Völker
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:24 Uhr

Die deutsche Fußballnationalmannschaft ist nach ihrem dritten Spiel gegen Costa Rica bei der umstrittenen Fußball-WM in Katar bereits in der Gruppenphase ausgeschieden. Unterdessen trafen Argentinien und Frankreich am 18. Dezember im Finale aufeinander, bei dem sich Argentinien den Titel holte. Begleitet wurde die Weltmeisterschaft von weltweitem Boykott. Ob Betrug bei der Vergabe, die Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten in Katar, die Austragungszeit im Winter oder die fortschreitende Kommerzialisierung im Fußball: Die Gründe, die Fußball-WM in Katar zu boykottieren, waren vielschichtig.

Und auch nicht alle, die die WM nicht gutheißen, haben sie komplett boykottiert: Einige wollten zumindest die Spiele der deutschen Nationalmannschaft anschauen. Die Redaktion der Main-Post wollte dem Boykott einen Raum geben. Vom Tag vor dem Beginn bis zum WM-Finale haben wir an dieser Stelle fortlaufend jeden Tag eine Person aus Unterfranken vorgestellt, die die WM ganz oder teilweise boykottiert - und ihre ganz persönlichen Gründe. Alle 30 Personen zum Nachlesen:

1. Aurelian Völker ist Volontär der Main-Post und hat in den letzten Wochen zahlreiche Statements zur Fußball-WM gesammelt

Jeder einzelne tote Gastarbeiter ist einer zu viel, sagt Main-Post-Volontär Aurelian Völker.
Foto: Thomas Obermeier | Jeder einzelne tote Gastarbeiter ist einer zu viel, sagt Main-Post-Volontär Aurelian Völker.

"Ich boykottiere die Fußball-WM in Katar, weil die Vergabe einer WM nach Katar dem gesunden Menschenverstand widerspricht. Es kann nicht sein, dass in der Wüste Stadien gebaut werden, die nach der WM leer stehen. Stadien, die während der WM klimatisiert werden mussten, während wir in Deutschland die Heizung möglichst wenig aufdrehen und an allen Ecken Energie sparen sollen. Das ist ökologischer Irrsinn. Noch größer ist allerdings die Schande, dass für den Bau Sklaven eingesetzt wurden und viele Bauarbeiter zu Tode kamen. Wie viele es genau sind, kann keiner von uns beziffern. Aber ob es nun zehn sind, 100, 1000, 10.000 oder 100.000 - jeder einzelne ist einer zu viel. Dieses Blut klebt an den Geldscheinen der FIFA.

In den letzten Tagen und Wochen habe ich Statements von 29 Menschen aus Unterfranken eingeholt, die die WM aus unterschiedlichsten Gründen ganz oder teilweise boykottiert haben. Und ich habe mich mit noch weit mehr Personen unterhalten, die sich gegen die WM positioniert haben, das aber nicht öffentlich in der Zeitung tun wollten. Natürlich habe ich auch mit Menschen gesprochen, die die WM nicht boykottiert haben. Menschen, denen es egal ist, dass die WM in Katar stattgefunden hat. Menschen, die gesagt haben, sie finden die Vergabe nach Katar nicht gut, aber am Ende schauen sie es doch. Oder Sportler, die selbst schon in Katar gespielt haben und die eine Verurteilung Katars aus ihrer Sicht jetzt heuchlerisch fänden. Das kann ich nachvollziehen.

Für mich aber stand früh fest: Ich werde diese WM boykottieren. Dennoch hätte ich unserer deutschen Nationalmannschaft mehr Erfolg gewünscht. Noch mehr gewünscht hätte ich mir aber, dass die Mannschaft ein klares und deutliches Zeichen setzt. Und auch von anderen Mannschaften, Spielern, und WM-Teilnehmenden aus aller Welt hätte ich mir ein Zeichen gegen die Katar-WM gewünscht - in welcher Form auch immer. Davon gab es am Ende bei dieser WM leider viel zu wenig.

2. Frieder Gretzmacher aus Würzburg

Frieder Gretzmacher empfahl seinen Freunden während der WM Filme, die 'rein zufällig' genau die Länge eines Fußballspiels haben.
Foto: Frieder Gretzmacher | Frieder Gretzmacher empfahl seinen Freunden während der WM Filme, die "rein zufällig" genau die Länge eines Fußballspiels haben.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil es vermutlich nie einfacher war, gleich mehreren zweifelhaften Akteuren das richtige Signal zu senden. Die FIFA, Katar sowie alle Werbefirmen versprechen sich von der WM aus verschiedenen Gründen weltweite Aufmerksamkeit: Der FIFA geht es darum, ihre Stellung zu sichern, sowie durch Vermarktung und mit WM-Produkten Umsatz zu machen. Katar möchte sich mit der Aufmerksamkeit als weltoffenes Land präsentieren und die Werbefirmen erhoffen sich gutes Marketing und Rekordumsätze.

Mit jeder WM-Vergabe gehen die Organisatoren eine Wette ein, dass in den Wochen des Turniers mehr Menschen als bisher im Fußballfieber sein werden. Noch bis zum 18. Dezember ist es unsere Aufmerksamkeit, die über Erfolg und Misserfolg dieser Wette entscheidet und ich denke, es ist an der Zeit zu sehen, was geschieht, wenn sie einmal nicht aufgeht. Zeitgleich zu den Spielen empfehle ich daher seit Beginn der WM meinen Freunden Filme, die rein zufällig genau die Länge eines Fußballspiels überdauern."

3. Burkard Hose ist Hochschulpfarrer der Katholischen Hochschulgemeinde Würzburg

Burkard Hose wünscht sich, dass Sport und Menschenrechte nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden.
Foto: Aurelian Völker | Burkard Hose wünscht sich, dass Sport und Menschenrechte nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil sich mit dieser WM für mich tatsächlich massive menschenrechtliche Fragestellungen verbinden. Und ich arbeite hier in der Katholischen Hochschulgemeinde mit vielen Studierenden zusammen, für die gerade menschenrechtliche Fragen eine große Rolle spielen. Ob bei uns im Amnesty-Arbeitskreis oder in Arbeitskreisen, die mit Menschen auf der Flucht arbeiten oder die gerade sich jetzt auch um die Frage der Geschlechtergerechtigkeit bemühen - tatsächlich auch in der katholischen Kirche. Von daher habe ich da eine erhöhte Sensibilität und all diese Fragen. Fragen, die queere Menschen betreffen, Fragen, die die Rechte von Frauen betreffen oder auch Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten betreffen, verbinden sich ja mit dieser Katar-WM.

Ich glaube, dass es möglich ist, in Zukunft Sport und Menschenrechte miteinander zu verbinden. Nicht nur möglich, sondern auch dringend geboten. Das wird ja auch für immer mehr Sportlerinnen und Sportler zum Thema. Vielleicht ist es ein positiver Nebeneffekt dieser umstrittenen WM in Katar, dass tatsächlich im Sport das Thema Menschenrechte massiv diskutiert wird. Ich würde mir wünschen, dass Sport und Menschenrechte nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden, auch Menschenrechte und ökonomische Interessen nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden. Ich hoffe, dass das durch Diskussionen, aber auch durch bewusste Boykottierungen in Gang gesetzt wird."

4. Julian Heim engagiert sich bei Fridays For Future Würzburg

Julian Heim von Fridays For Future kritisiert die Klimabilanz der Fußball-WM in Katar.
Foto: Julian Heim | Julian Heim von Fridays For Future kritisiert die Klimabilanz der Fußball-WM in Katar.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil die Klimabilanz des gesamten Sportereignisses extrem schlecht ist. Selbst die Organisatoren der Fußball-WM sprechen von einem CO2-Ausstoß von circa 3,6 Millionen Tonnen. Derartige Sportveranstaltungen werden in letzter Zeit auffällig häufig an Länder vergeben, in denen die nötige Infrastruktur mit großen Kosten für die Umwelt aus dem Boden gestampft werden muss. Zusätzlich sind auch die Arbeitsbedingungen und die Missachtung der Menschenrechte bei den Gastarbeitern, insbesondere beim Bau der Stadien in Katar, ein Grund für meinen Boykott."

5. Charlotte Ritzmann spielt Fußball bei der DJK Schweinfurt

Charlotte Ritzmann liebt den Fußball, doch die Fußball-WM in Katar kann sie nicht mit gutem Gewissen anschauen.
Foto: Charlotte Ritzmann | Charlotte Ritzmann liebt den Fußball, doch die Fußball-WM in Katar kann sie nicht mit gutem Gewissen anschauen.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil die menschenrechtliche Lage in dem Land inakzeptabel ist. Seit ich vier Jahre alt bin, spiele ich Fußball. Ich liebe den Sport und genieße es, den Profis beim Spielen zuzusehen, dennoch boykottiere ich die diesjährige WM in Katar. Die Gründe hierfür werden den meisten Lesern vermutlich bekannt sein: in diesem Land herrscht eine inakzeptable Menschenrechtslage, die Bewohner haben keinerlei Meinungs- oder Pressefreiheiten und ebenso keine Versammlungsrechte; aber vor allem die gesetzliche und systematische Unterdrückung der Frauen und LGBTQ+ Community kann ich nicht ignorieren und werde ich mir auch nicht schönreden lassen.

Auch die Arbeitsbedingungen, unter denen die Stadien für die WM gebaut wurden, sind schlicht nicht vertretbar und eine Beschämung für den Fußball und alles, wofür er steht. Falls Sie sich näher informieren möchten, empfehle ich den Beitrag von Amnesty International über die WM. An der Situation kann man nichts mehr ändern. Es würde sicherlich auch keinen Unterschied machen, ob ich mich, während meine Eltern ein Spiel schauen, auf die Couch dazu geselle oder nicht. Ich kann mich jedoch guten Gewissens nicht dazu bringen ein Spiel zu schauen, mit der Kenntnis, dass das gezeigte Stadion auf Leichen gebaut ist, das konnte ich auch nicht bei einem Deutschland-Spiel.

Auch der Fakt, dass ich als Mädchen in diesem Land nicht nur sehr eingeschränkt Fußball spielen dürfte, sondern auch sehr benachteiligt leben müsste, hindert mich daran. Es erschüttert mich zutiefst, wie die FIFA es zulassen konnte, dass eine WM in einem Land abgehalten wird, in dem moderne Sklaverei existiert."

6. Dietlinde Weinberger ist seit Jahrzehnten im Amnesty International Arbeitskreis Würzburg aktiv

Seit Jahrzehnten setzt sich Dietlinde Weinberger bei Amnesty International Würzburg für mehr Menschenrechte ein. Sie hofft, dass die FIFA zu neuen Erkenntnissen kommt.
Foto: Ivana Biscan | Seit Jahrzehnten setzt sich Dietlinde Weinberger bei Amnesty International Würzburg für mehr Menschenrechte ein. Sie hofft, dass die FIFA zu neuen Erkenntnissen kommt.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil... Nein, ich kann nicht sagen, ich boykottiere - ich will sagen, ich hätte dringendst einen Boykott aller teilnehmenden Länder gewünscht, nachdem die WM 2022 an Katar vergeben wurde. Ein Land, in dem nicht nur die Bälle demnächst mit Füßen getreten werden, sondern seit langer Zeit auch die Menschenrechte. Sportliche Aktivitäten sind immer zu begrüßen, gar nie jedoch menschenverachtende Handlungen wie etwa Ausbeutung, Schläge, Folter und dergleichen, kurz: die übelsten Menschenrechtsverletzungen. Diese klagt Amnesty International gemeinsam mit Tausenden anderer Menschen an.

Auch der DFB schloss sich vor einiger Zeit den Forderungen an und verlangt Entschädigungszahlungen für die etwa 20.000 Arbeitsmigranten, die für die Erstellung der Infrastruktur bei der WM eingestellt wurden. Man hat sie fast nie bezahlt, in unzumutbaren Behausungen untergebracht, wie Sklaven behandelt, ihre Gesundheit und ihr Leben zählen nicht. Amnesty International fordert ein Zentrum für Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten, das gegen die genannten Menschenrechtsverletzungen vorgeht. Im Übrigen gibt es in Katar noch eine weit größere Arbeitsgruppe, die unter den gleichen Bedingungen ihren Dienst verrichten muss: etwa 170.000 Hausangestellte, Arbeitsmigrantinnen meist aus Asien und Afrika.

Die Fußball WM wird wieder einmal die Hälfte der Weltbevölkerung begeistern und interessieren, die oben genannten Fakten tun dies leider nicht. Auch ich finde Fußball bisweilen spannend, bin ich doch als Tochter eines fußballspielenden Vaters aufgewachsen, war Fußball-Mutter und habe als ehemalige Sportlehrerin unter anderem auch Fußball unterrichtet. Ich werde die Berichterstattung über die WM und die Spiele nicht boykottieren, im Gegenteil, ich verfolge sie gespannt und hoffe auf äußerst kritische und exakte Berichte. Da ist die Presse gefragt. Vielleicht kommen die FIFA und das Land Katar nicht nur zu sehr viel Geld dank der Meisterschaften, sondern auch zu Erkenntnissen, die sie längst hätten haben müssen."

7. Nadine Becker aus Würzburg bloggt über Werder Bremen

Obwohl der Bremer Niclas Füllkrug mit zur WM gefahren ist, boykottiert Werder-Fan Nadine Becker die Fußball-WM in Katar.
Foto: Aurelian Völker | Obwohl der Bremer Niclas Füllkrug mit zur WM gefahren ist, boykottiert Werder-Fan Nadine Becker die Fußball-WM in Katar.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil es die Spitze des Eisbergs ist, der zeigt, wie kaputt das System Fußball ist. Es sind viele Menschen für die WM in Katar gestorben - da gibt es nichts schönzureden. Ich bin Werder-Fan und seit ich sechs Jahre alt bin, steht Fußball für mich im Mittelpunkt. Darum geht es auch in meinem Blog aufeinspiel.com. Aber diese WM hat ihren Reiz verloren. "Wer Katar 2022 sponsert, macht sich mitschuldig." Ein Banner mit dieser Aufschrift wurde kürzlich in unserem Werder-Block hochgehalten. Was für ein Statement! Dem ist nichts hinzuzufügen.

Ich vertrete klar die Meinung, dieses Event zu boykottieren und komme dem selber nach. Selbst jetzt, wenn der Bremer Niclas Füllkrug mit zur WM gefahren ist. Die FIFA wusste, worauf sie sich einlässt und hat für Geld und noch mehr Geld die menschenunwürdigen Bedingungen beim Bau und die fehlenden Menschenrechte billigend in Kauf genommen - war es das wert?"

8. Andreas Kleider trainiert die Eishockey-Mannschaft des ERV Schweinfurt

Andreas Kleider kritisiert die Vergabe der Fußball-WM nach Katar, meint aber auch, dass das Thema Menschenrechte auch in den deutschen Fußballstadien eine Rolle spielt.
Foto: Anand Anders | Andreas Kleider kritisiert die Vergabe der Fußball-WM nach Katar, meint aber auch, dass das Thema Menschenrechte auch in den deutschen Fußballstadien eine Rolle spielt.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil man sich schon fragen kann, warum die WM in Katar stattfinden muss oder überhaupt dorthin ausgelost worden ist. Und ich glaube schon, dass die Öffentlichkeit darauf schauen sollte, was in den Ländern passiert, dass sich dann vielleicht auch was zum positiven ändert. Aber jetzt kann man sowieso nichts mehr ändern. Ich habe die deutschen Spiele auch angeschaut, ich würde jetzt nicht dorthin fliegen wollen, das ist auch klar.

Und beim Thema Menschenrechte müssen wir nicht nur nach Katar schauen, da kann man in Deutschland bleiben, wenn man jedes Wochenende die Spiele der Bundesliga verfolgt, was da für Rauchbomben gezündet werden, in einem Fanblock, in dem 10.000 Leute stehen. Da sind Kinder im Block, Frauen im Block. Die Leute können nicht abhauen und müssen den Rauch einatmen. Das hat auch damit zu tun, wie man miteinander umgeht. Auch hier muss man sich fragen, ob das alles so in Ordnung ist."

9. Manfred Dülk, langjähriger Fußballtrainer und Fraktionssprecher im Kürnacher Gemeinderat

Manfred Dülk kauft keine Produkte von Firmen, die die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar unterstützen.
Foto: Manfred Dülk | Manfred Dülk kauft keine Produkte von Firmen, die die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar unterstützen.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil das Ganze einen üblen Beigeschmack hat. Die Gründe sind bekannt, aber wir dürfen nicht so tun, als wären sie neu. Eigentlich sind Korruption und Bestechungen bei der Vergabe und Durchführung von solchen Sportveranstaltungen schon meistens ein übler Standard. Und Menschenrechtsverletzungen gibt und gab es auch in China und Russland. Ich bin mir auch bewusst, dass ich als Fernsehverweigerer kaum einen Effekt erzielen würde und somit letztlich nichts ändern kann.

Sicher würde ich kein zusätzliches Geld für eine Übertragung ausgeben, aber als begeisterter Fußballfan schaue ich mir die interessanten Spiele an. Aber was ich ändern werde, ist mein Kaufverhalten. Ich werde keine Produkte von Firmen wie zum Beispiel Adidas kaufen, die für ein solches korruptes System werben und es durch ihre Gelder unterstützen."

10. Israel Sauer ist Jugendtrainer beim SV Heidingsfeld und in der Rosa-Hilfe engagiert

Israel Sauer ist Jugendtrainer beim SV Heidingsfeld. Er genießt es, dass der Fußball alle Menschen verbindet - in Katar sei das aber nicht gegeben.
Foto: Aurelian Völker | Israel Sauer ist Jugendtrainer beim SV Heidingsfeld. Er genießt es, dass der Fußball alle Menschen verbindet - in Katar sei das aber nicht gegeben.

Ich boykottiere die WM in Katar, weil ich der Meinung bin, dass wir im Profifußball in den vergangenen Jahren in Bezug auf Diversität sehr große Fortschritte gemacht haben, sei es die Frauen-WM diesen Sommer, die echt krassen Zuwachs hatte, das haben wir so noch nie gehabt, oder sei es die Tatsache, dass wir mittlerweile mehrere geoutete aktive Profi-Fußballer haben. Noch nicht in Deutschland, sondern in Australien oder England, aber wer weiß.

Und ich bin der Meinung, dass durch Katar davon ganz, ganz viel wieder kaputtgeht, da dort Frauen deutlich weniger Rechte haben als wir hier in Europa und vor allem in Deutschland. Und das finde ich sehr, sehr schade. Ich finde, wenn wir jetzt uns die WM in Katar angucken, würden wir einen krassen Rückschritt machen, da dort beispielsweise Homosexualität gesetzlich verboten ist. Dass der Präsident von Katar sagt, man soll deren Kultur auch beachten, dass sie Homosexuelle vielleicht nicht in den Knast schicken, wenn sie das Land besuchen, aber dass sie dort die Kultur achten sollen, kann ich nicht verstehen. Und Frauenrechte sind auch ein schwieriges Thema in Katar.

Das sind für mich die wichtigsten Gründe, obwohl es noch massiv viele andere gibt. Aber das Thema Diversität ist mir persönlich besonders wichtig als Jugendcoach einer U-15, weil ich finde, dass gerade Fußball dafür da ist, Menschen zu verbinden und nicht voneinander zu trennen. Wenn ich mir überlege, wenn ich sonntagnachmittags auf den Sanderrasen gehe, und dort kicke ich dann mit einem Geflüchteten, mit einem 15-Jährigen, mit einem 65-Jährigen zusammen. Alle Leute kommen zusammen und werden durch den Fußball verbunden, und in Katar ist es irgendwie nicht so. Warum sollte dann Katar das Recht haben, einen so großen Wettbewerb wie die Weltmeisterschaft auszutragen?

11. Claudia Stamm war Abgeordnete im bayerischen Landtag

Die ehemalige Landtagsabgeordnete Claudia Stamm boykottiert die Fußball-WM in Katar.
Foto: Susie Knoll | Die ehemalige Landtagsabgeordnete Claudia Stamm boykottiert die Fußball-WM in Katar.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil das für mich seit Monaten klar war. Und dafür habe ich mir gleich etwas Ärger eingehandelt, innerfamiliär. Denn bei uns ist es gute Tradition, ein Tipp-Spiel zu jedem internationalen Turnier anzusetzen und zunächst war da kein Verständnis, dass ich da dieses Mal nicht mitmachen will. Als alle Welt gegen Ungarns Spieler mit Regenbogen-Fahnen oder FFP-2-Masken mit dem Regenbogen drauf protestierte und dies auf Social Media zur Schau stellte, fragte ich im Gegenzug, ob "wir" dann denn nicht nach Katar fahren. Ich fand den Protest gegen Ungarn verglichen mit einer Weltmeisterschaft in Katar scheinheilig, wenn nicht sogar schlicht verlogen. Es wäre nur konsequent gewesen, mit dem deutschen Team nicht in Katar teilzunehmen - ich weiß, ein wenig naiv, aber angesichts der FIFA-Welt und der des Austragungsort die einzige sinnvolle Antwort.

Weil eins war ja klar: Die Rechte von queeren Menschen werden in einem Staat wie Katar mit Füßen getreten. Ganz zu schweigen von dem Skandal, dass man nicht ansatzweise weiß, wie viel Menschen im Zusammenhang mit dem Bau der Stadien oder der Infrastruktur für die WM gestorben sind. Nein, so macht es keinen Spaß, bei einer Fußball-WM mitzufiebern."

12. Gerhard Krämer aus Abtswind (Lkr. Kitzingen) ist freier Journalist

Als Journalist kritisiert Gerhard Krämer unter anderem die eingeschränkte Pressefreiheit in Katar.
Foto: Aurelian Völker | Als Journalist kritisiert Gerhard Krämer unter anderem die eingeschränkte Pressefreiheit in Katar.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil ich mir keine Spiele in Stadien anschauen möchte, wofür Menschen geknechtet wurden und sogar gestorben sind. Außerdem hat für mich der Reiz der WM alles verloren, denn es steht nur Profit und Profilierung im Vordergrund, und nicht mehr das sportliche. Zudem ist natürlich auch für mich als Journalist wichtig, dass die Pressefreiheit gewährleistet ist - in Katar ist sie sehr eingeschränkt worden. Seitens Katar gibt es immer mehr Auflagen. Zudem bezweifle ich, dass die WM nachhaltig ist. Sie ist vielmehr unökologisch, weil viele Leute aus Dubai und anderen Ländern eingeflogen werden müssen."

13. Thomas Herter aus Würzburg ist Spitzenkandidat der Partei "Die Humanisten"

Der Würzburger Humanist Thomas Herter fordert im Zuge der Fußball-WM in Katar alle dazu auf, 'den Geldhahn für Unterstützer diskriminierender Regime zuzudrehen'.
Foto: Aurelian Völker | Der Würzburger Humanist Thomas Herter fordert im Zuge der Fußball-WM in Katar alle dazu auf, "den Geldhahn für Unterstützer diskriminierender Regime zuzudrehen".

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil ich einem Land, welches Menschenrechte mit Füßen tritt, nicht den sportlichen Deckmantel des Schweigens überwerfen möchte. Die Geschichte hat gezeigt, dass große Sportevents gerne als Propaganda instrumentalisiert werden, wie beispielsweise die olympischen Spiele 1936. Bei über 15.000 Todesfällen von Gastarbeitern in Katar, wovon etwa 70 Prozent ungeklärt sind und nicht ausreichend untersucht werden, darf ich als Humanist nicht wegschauen. Solange die FIFA keine Verantwortung übernimmt, werde ich kein Spiel dieser WM anschauen und fordere alle auf, den Geldhahn für Unterstützer diskriminierender Regime zuzudrehen."

14. Lysander Laier ist Stadtrat in Würzburg

Der Würzburger Grünen-Stadtrat Lysander Laier kritisiert, dass Reformen in Katar nicht umgesetzt werden. 
Foto: Thomas Obermeier | Der Würzburger Grünen-Stadtrat Lysander Laier kritisiert, dass Reformen in Katar nicht umgesetzt werden. 

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil es nicht sein kann, dass wir Wasser predigen und Wein trinken. Wir können nicht ein Regime unterstützen, dass Menschenrechte mit Füßen tritt. Mindestens 6500 Menschen sind allein beim Stadienbau in Katar gestorben. Amnesty International geht von insgesamt bis zu 15.000 Toten aus. Bis heute gelobt die FIFA und das WM-Komitee in Katar Besserung, was Arbeitsschutz und Menschenrechte angeht, doch die Reformen werden meistens nicht umgesetzt.

Es kann auch nicht sein, dass man einerseits sagt, dass LGBT-Rechte respektiert werden, man diese aber doch bitte hinter verschlossenen Türen auslebt. Es ist nicht in Ordnung, dass man einerseits sagt, dass queere Fans Regenbogenfahnen in den Stadien mitbringen dürfen und jeder willkommen ist, auf der anderen Seite aber Kataris, die mit Regenbogenfahnen gesehen werden, bis zu sieben Jahre Gefängnisstrafe droht. Aufgrund der Scharia droht theoretisch sogar die Todesstrafe. Frauen dürfen nicht ohne die Zustimmung eines Vormundes oder ihres Ehemanns verreisen, sind nicht voll geschäftsfähig, die Vergewaltigung in der Ehe und häusliche Gewalt sind straffrei.

Ein solches Regime können wir nicht unterstützen. Die WM ist ein massiver Wirtschaftsfaktor für das Gastgeberland. Wir können nicht der katarischen Regierung einen Platz auf der Weltbühne geben, und den Staat massiv wirtschaftlich durch ein Großevent unterstützen, andererseits akzeptieren, dass Reformen nur auf dem Papier geschehen, Besserung gelobt wird, allerdings nichts davon umgesetzt wird."

15. Ines Procter aus Leinach ist Kabarettistin und bekannt als "närrische Putzfraa", unter anderem aus Fastnacht in Franken

Als 'närrische Putzfraa' ist Ines Prcoter unter anderem von 'Fastnacht in Franken' bekannt.
Foto: Aurelian Völker | Als "närrische Putzfraa" ist Ines Prcoter unter anderem von "Fastnacht in Franken" bekannt.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil ich schließlich für Sauberkeit stehe. Und ich bin total bunt, weil ich auch für eine bunte Welt stehe. Gerade im Sport sollte man das berücksichtigen und hier ein deutliches Zeichen setzen. In einer geradezu unmenschlichen Welt wäre es gerade im Sport jetzt ein extrem wichtig, mehr Menschlichkeit zu signalisieren und vor allem auch zu zeigen, dass es bunt zugeht."

16. Thomas Eschenbacher ist Pfarrer in Hammelburg und leidenschaftlicher Club-Fan

Der Hammelburger Pfarrer Thomas Eschenbacher ist leidenschaftlicher Club-Fan. Die WM in Katar ist für ihn aber ein Abgesang auf den Weltfußball und eine Riesenschande für alle Verantwortlichen.
Foto: Simon Snaschel | Der Hammelburger Pfarrer Thomas Eschenbacher ist leidenschaftlicher Club-Fan. Die WM in Katar ist für ihn aber ein Abgesang auf den Weltfußball und eine Riesenschande für alle Verantwortlichen.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil Ich boykottiere die WM in Katar, wie ich als leidenschaftlicher Fußballfan schon seit langem die immer schlimmer werdende Kommerzialisierung des Fußballs für eine Katastrophe erachte. Die Fußball-WM nun in Katar stattfinden zu lassen, hat das Ganze endgültig auf die Spitze getrieben. Zum einen findet die Fußball-WM in Katar in einem Land ohne irgendein besonders herausstechendes Interesse an Fußball statt. Selbst Fans werden aus manchen Ländern eingekauft, mit der Maßgabe, nur positiv zu berichten. Da vor Ort kaum eine Basis für ein großes Fußballfest vorhanden ist, musste ein vielfaches dessen investiert werden, als es bisher bei Weltmeisterschaften üblich war.

Klimatechnisch ist eine Fußball-WM in der Wüste ohnehin eine Farce, da kann man sich auch nicht von den schönsten Greenwashing Versuchen der Kataris blenden lassen. Am schlimmsten aber ist für mich, dass für ein solches Fußballfest Tausende von Arbeitern sterben mussten und bis heute noch zahllose Arbeiter ohne Geld für ihre Arbeit dastehen. Es ist dabei gar nicht relevant, ob es 6500 oder gar 15.000 Tote waren. Das sind bereits unfassbare Zahlen. Die Krönung dazu ist am Ende noch die Verlogenheit der Verantwortlichen vor Ort, die die nachweisbaren Probleme einfach leugnen oder als überzogene Kritik der westlichen Kultur markieren.

Die Fußball-WM in Katar ist nur schöner Schein und Hochglanzfassade vor einer erbärmlichen Menschenverachtung. Für mich ist das ein Abgesang auf den Weltfußball und eine Riesenschande für alle Verantwortlichen."

17. Jonathan Zimpel spielt Fußball bei der TG Höchberg und arbeitet neben seinem Studium beim 1. FC Nürnberg

Es gibt viele Gründe, die WM zu boykottieren, sagt Jonathan Zimpel. Seine drei wichtigsten sind die eingeschränkte Pressefreiheit, der Klimaaspekt und die Situation der Menschen vor Ort.
Foto: Aurelian Völker | Es gibt viele Gründe, die WM zu boykottieren, sagt Jonathan Zimpel. Seine drei wichtigsten sind die eingeschränkte Pressefreiheit, der Klimaaspekt und die Situation der Menschen vor Ort.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil ich keine Lust habe, an einem Sportfest teilzuhaben, für das in der Vorbereitung schon viele Menschen leiden mussten oder sogar sterben mussten. Außerdem ist es absolut fragwürdig, dass die Berichterstattung in Katar für die Medien sehr eingeschränkt sein wird. Zusätzlich halte ich es in Zeiten des Klimawandels für absolut fragwürdig, in klimatisierten Stadien Fußball zu spielen. Wir sollen hier auf Strom und Gas achten und dann wird in solchen Stadien gespielt. Das sind drei Aspekte, warum ich keine Lust habe, die WM anzuschauen."

18. Kerstin Celina aus Kürnach ist Grünen-Abgeordnete im Bayerischen Landtag

'Fußball soll ein Freudenfest für alle sein', sagt die Landtagsabgeordnete Kerstin Celina aus Kürnach. Das sei in Katar nicht möglich.
Foto: Moritz Kienast | "Fußball soll ein Freudenfest für alle sein", sagt die Landtagsabgeordnete Kerstin Celina aus Kürnach. Das sei in Katar nicht möglich.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil es mir so auf den Keks geht, dass die FIFA Millionen scheffelt, während die Arbeiter, die die Stadien erbaut haben, noch heute auf ihren Lohn warten. Die Entscheidung für die WM in Katar war von Anfang an eine Fehlentscheidung. Fußball soll ein Freudenfest für alle sein, Fußball ist ein Fest, wo die Menschen miteinander feiern, die Menschen auf Augenhöhe miteinander kommunizieren können. Fußball soll ein Fest sein für alle, ein fairer Wettbewerb, eine sportliche Begegnung. Und all das ist in Katar nicht gegeben.

Katar ist eine Klassengesellschaft mit klarem oben und unten. Und in Katar werden Menschen ausgegrenzt, werden homosexuelle Paare mit dem Gefängnis bedroht, mit der Todesstrafe bedroht. Katar hat heute noch die Todesstrafe. Katar ist als Austragungsort für eine fröhliche Fußball-WM und eine faire Weltmeisterschaft nicht geeignet.

Darüber hinaus müssen in Katar Stadien errichtet werden, mit enormem Rohstoffeinsatz, die mit fossilen Energien gekühlt werden, weil das Klima vollkommen ungeeignet ist für eine Fußball-Weltmeisterschaft. In Zeiten von Rohstoffmangel und Energieknappheit ist das eine gigantische Verschwendung und das völlig falsche Signal, an diesem Ort eine Fußball-Weltmeisterschaft zu machen.

Schon bevor die WM begonnen hat, steht sie für mich nicht für ein Freudenfest, nicht für ein fröhliches gemeinsame Miteinader, sondern sie steht für mich für Ausgrenzung und Ausbeutung, für Korruption, Macht und Geld, und deswegen kann ich eine Fußball-WM in Katar nicht unterstützen."

19. Boris Haigis ist Rechtsanwalt in Würzburg und Mitglied im Institut für Fankultur

Der Anwalt Boris Haigis aus Würzburg sieht mit der Fußball-WM in Katar den Sündenfall der FIFA endgültig erreicht.
Foto: Aurelian Völker | Der Anwalt Boris Haigis aus Würzburg sieht mit der Fußball-WM in Katar den Sündenfall der FIFA endgültig erreicht.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil aus meiner Sicht damit der Sündenfall der FIFA endgültig erreicht ist. Die Stadien, die da gebaut werden, werden vermutlich recht schnell wieder abgerissen, daher ist aus dem Aspekt der Nachhaltigkeit keinerlei Nutzen aus dieser WM zu ziehen. Außerdem ist die bekannte Menschenrechtslage in Katar Anlass, um ein Turnier dorthin nicht zu vergeben. Auch die Rechte von Homosexuellen werden in Katar nicht berücksichtigt.

Insgesamt glaube ich, dass der Sport sich nicht von den politischen Gegebenheiten abgrenzen lässt und dass man deswegen ein Zeichen setzen sollte und grundsätzlich die Vergabepraxis von großen Turnieren für die Zukunft nur noch in Demokratien auf dem Schirm haben sollte. Man muss bedenken, dass sich für diese WM zum Beispiel auch Australien beworben hat, ein Land, dass noch nie ein Weltmeisterschafts-Turnier ausgetragen hat, das wäre sicherlich ein sinnvollerer Vergabeort gewesen."

20. Stephanie Böhm ist Leiterin der Akademie Frankenwarte in Würzburg

Die Akademie Frankenwarte unter Leitung von Stephanie Böhm hat sich mit der Fußball-WM in Katar auseinandergesetzt.
Foto: Katrin Heyer | Die Akademie Frankenwarte unter Leitung von Stephanie Böhm hat sich mit der Fußball-WM in Katar auseinandergesetzt.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil mich die Entscheidung über den Ausrichtungsort als Leiterin einer politischen Bildungseinrichtung sehr betroffen gemacht hat, obwohl ich nicht verschweigen will, dass mein Interesse an Fußball  insgesamt sehr gering ist. Wie mit autoritären Systemen umgehen? Diese Frage stellt sich nicht nur im Bereich von Außen- und Wirtschaftspolitik, Rüstungsfragen oder Entwicklungszusammenarbeit. Menschenrechte sind in allen Bereichen unverhandelbar. Doch wie gelangen wir weltweit zu Verbesserungen?

Persönlich werde ich kein Spiel verfolgen, als Bildungsträger aber haben wir mit Franz Maget genauer hingeschaut und zur Auseinandersetzung mit wichtigen und komplexen Fragen eingeladen, die gerade bei diesem Großereignis nicht verdrängt werden dürfen. Die Teilnehmenden waren sich einig: Boykottieren oder nicht, ist nicht entscheidend. Durch das Fußballevent kann die Aufmerksamkeit genutzt werden, um Menschenrechtsfragen in den Fokus zu rücken. Und dabei sollte der eigene Standpunkt und das eigene Handeln auch überprüft werden und Druck auf internationale Organisationen aufgebaut werden."

21. Ludwig Bauer aus Gerbrunn ist seit 59 Jahren als Schiedsrichter aktiv

Schiedsrichter Ludwig Bauer aus dem Landkreis Würzburg hat bisher mehr als 3333 Fußballspiele gepfiffen. Er will immer noch etwas dazu lernen.
Foto: Aurelian Völker | Schiedsrichter Ludwig Bauer aus dem Landkreis Würzburg hat bisher mehr als 3333 Fußballspiele gepfiffen. Er will immer noch etwas dazu lernen.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil ich mich frage, warum die WM in einem Land stattfindet, in dem Fußball nicht Volkssport ist. Wenn ich überlege, was mit den Stadien danach geschehen soll. Wenn ich überlege, dass Menschen die Stadien unter menschenunwürdigen Bedingungen bauen mussten. Wenn 15.000 gestorben sind? Muss das sein? Es waren andere Länder zur Wahl gestanden, da wäre die WM besser angebracht gewesen, weil sie wirklich fußballbegeistert sind.

Andererseits, wenn man überlegt, man möchte zum Weihnachtsmarkt gehen zum Glühweintrinken - geht nicht, du musst ja die WM gucken. Ich bin ein Fan von Fußball, habe seit 54 alle WMs verfolgt, ich war bei zwei Eröffnungsspielen im Stadion, bei der letzten WM habe ich sieben Spiele live erlebt, ich denke immer noch an das Public Viewing in Berlin, das war ein tolles Erlebnis. Das wird alles wegfallen, wer setzt sich bei minus 10 Grad hin? Wenn ich an die Fans denke, die müssen anreisen, ein Flughafen, der überlastet sein wird, Fans müssen ausweichen und werden dann nach Katar gekarrt. Das kostet alles Geld und muss nicht unbedingt sein.

Es stellt sich auch die Frage, wie die Wahl auf Katar gefallen ist, ob da nicht irgendwas gelaufen ist. Und wenn ich an die Sportler denke, die haben zusätzlich die WM, dann müssen die Spiele in den Ligen in Europa nachgeholt werden. Es gibt bloß einen Samstag und Sonntag, dann muss während der Woche gespielt werden. Da ist die Verletzungsgefahr der Spieler besonders groß, es sind auch nur Menschen, keine Maschinen. Also die WM nach Katar hätte echt nicht sein müssen.

Ich gucke zu, weil es dazu gehört, ich bin 59 Jahre Fußball-Schiedsrichter, gucke mir immer die guten Schiedsrichter an, will noch etwas davon lernen. Und da bleibt nichts anderes übrig, auch wenn ich nicht für Katar bin, dass ich daheimsitze und mir die Spiele angucke. Wer gewinnt, das ist egal. Ich freue mich auf den Sport, aber nicht auf die Austragungsstätte, weil das ist eine Fehlplatzierung, genau wie eine Winter-WM in der Wüste. Und ich habe sogar noch mitbezahlt über den Ölpreis, wo dann diese Stadien gebaut werden."

22. Lena Lotzen ist Ex-Nationalspielerin aus Würzburg und Assistenz-Coach der U 16 des 1. FC Köln

Zwei Mal Deutsche Meisterin, einmal DFB-Pokalsiegerin und 2013 der EM-Titel: Diese Karriere als aktive Fußballerin liegt hinter der Würzburgerin Lena Lotzen.
Foto: Matthias Lotzen | Zwei Mal Deutsche Meisterin, einmal DFB-Pokalsiegerin und 2013 der EM-Titel: Diese Karriere als aktive Fußballerin liegt hinter der Würzburgerin Lena Lotzen.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil Katar die Menschenrechte missachtet. Menschenrechte gelten als universell und dürfen nicht über die Vorstellungen einer Kultur gestellt werden, um politische Interessen zu vertreten. Des Weiteren kritisiere ich die fehlende Gleichberechtigung und die Verfolgung von homosexuellen Menschen in Katar."

23. Thomas Eberth ist Landrat im Landkreis Würzburg

Landrat Thomas Eberth kritisiert die Vergabe der Fußball-WM nach Katar, will aber trotzdem Spiele der deutschen Nationalmannschaft schauen.
Foto: Aurelian Völker | Landrat Thomas Eberth kritisiert die Vergabe der Fußball-WM nach Katar, will aber trotzdem Spiele der deutschen Nationalmannschaft schauen.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil Fußball eigentlich die schönste Nebensache der Welt ist. Es ist Begeisterung für einen Sport, es ist Begeisterung für eine Mannschaft, und es ist Begeisterung für die Nation, die man unterstützt. Und da haben wir natürlich in Katar einige dicke, dicke Probleme. Die diskutieren wir erst jetzt, aber bekannt waren sie leider tatsächlich schon länger. Darum ist die Frage "Katar Ja Nein" ja eigentlich eine, die schon vor vielen Jahren hätte gestellt werden müssen.

Nichtsdestotrotz werde ich kein Fußball gucken, ich gestehe, das ein oder andere Spiel der deutschen Nationalmannschaft natürlich, da zählt Lokalpatriotismus, aber zum anderen ist es schon wichtig, auch ein Zeichen zu setzen: Fußball ist ein Sport für die Menschen aller Bevölkerungsgruppen, aller Nationen. Deswegen ist es wichtig, dass auch alle teilhaben dürfen an diesem Sport. Dass Menschenrechte, dass Freiheit, dass Frieden, dass Wohlstand, Demokratie auch beim Fußball erlebt werden kann und darf. Wenn Menschlichkeit fehlt, wenn Miteinander fehlt, wenn unmenschliche Bedingungen herrschen, dann ist das kein Grund zur Freude, sondern ein Grund zur Sorge.

Und Fußball ist ein Sport für die Welt. Ein Sport für alle Generationen, ein Sport für alle Nationalitäten und für alle Hautfarben. Fußball soll Spaß machen und Freude bringen - für die die Spielen, aber natürlich auch für die, die es gucken. Und deswegen wird es dieses Jahr tatsächlich sehr scher schwierig, Begeisterung für die WM zu entwickeln. Die WM ist ein falsches Signal an die Welt. Denn die Welt muss für Frieden, für Freiheit, für Wohlstand, für Demokratie, für Miteinander, für Nächstenliebe stehen und eben nicht für betrügerische Machenschaften und Unmenschlichkeit und über 15.000 verstorbene Helferinnen und Helfer beim Bau der Stadien.

Und eins kommt noch dazu: Wer will an einem vierten Advent ein WM-Spiel als Finale gucken? Da gehen wir auf die Weihnachtsmärkte, da stimmen wir uns auf die besinnliche Zeit ein und freuen uns auf Weihnachten. Darum: Schade, schade, schade. Schade, dass wir diesen Fußballsport nicht so genießen können, wie wir es sonst einfach tun können."

24. Kerstin Hofmann spielt Fußball beim TSV Prosselsheim

'Als lesbische Frau wäre ich wahrscheinlich im Gefängnis und würde mit Peitschenhieben traktiert', sagt Kerstin Hofmann, die beim TSV Prosselsheim Fußball spielt.
Foto: Kerstin Hofmann | "Als lesbische Frau wäre ich wahrscheinlich im Gefängnis und würde mit Peitschenhieben traktiert", sagt Kerstin Hofmann, die beim TSV Prosselsheim Fußball spielt.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil ich genug davon habe, dass die FIFA und andere große Sportverbände bedeutende Sportereignisse meistbietend verkaufen, ohne Rücksicht auf Sportler und Fans, geschweige denn auf die Situation der Menschen in den Ländern.

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Ich liebe Fußball. Ehrlich. Ich spiele selbst beim TSV Prosselsheim und schaue auch gern und viel Fußball. Sowohl Frauen als auch Männer. Am TV oder im Stadion. Aber diese WM kann ich nicht guten Gewissens schauen. Als Frau dürfte ich in Katar nicht Fußball spielen, als lesbische Frau wäre ich wahrscheinlich im Gefängnis und würde mit Peitschenhieben traktiert. Es geht nicht nur um Homophobie, es geht um universelle Menschenrechte, die für bestimmte Personengruppen in Katar eingeschränkt sind.

Die FIFA betont, dass es sich um eine Sportveranstaltung handelt. Aber wer eine WM an einen autokratischen Staat verkauft, macht sie politisch. Glücklicherweise geht die Frauen-Bundesliga und Champions-League bis Weihnachten weiter. Eine sehr gute Alternative zu dieser WM."

25. Jan Schneider ist einer der Verantwortlich im 1. FC Nürnberg Fanclub SuperGau Euerhausen (Lkr. Würzburg)

Jan Schenider ist Fan des 1. FC Nürnberg und Mitglied im Club-Fanclub 'Supergau Euerhausen'.
Foto: Jan Schenider | Jan Schenider ist Fan des 1. FC Nürnberg und Mitglied im Club-Fanclub "Supergau Euerhausen".

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil sie für mich der Inbegriff dessen ist, was in unserem einstigen Volkssport und in unserer Welt falsch läuft. Menschenrechtsverletzung, Unterdrückung, Korruption, das Kapital regiert. Diese Schlagworte treffen in Bezug auf dieses fragwürdige Turnier den Nagel auf den Kopf und die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 steht somit für alles, wofür ich nicht stehen kann.

Wie verwerflich es ist, Fans täglich mit dem Flugzeug zu den Spielen zu fliegen, während überall der Klimaschutz ein großes Thema ist, oder die üblen Machenschaften der Verantwortlichen in Katar zu relativieren und sogar Partnerschaften mit ihnen einzugehen, wie es ein prominenter deutscher Verein tut, brauche ich hier gar nicht anführen. Lieber erzähle ich, wie ich mit dieser Weltmeisterschaft umgehe: Ich boykottiere sie auf allen Ebenen!

Des Weiteren konnte ich gemeinsam mit meiner Fangruppe einen Beitrag zum weltweiten Protest gegen die WM leisten. Hierfür startete ich gemeinsam mit meinen Leuten eine Aufkleber-Verteilaktion, die unter dem Motto "Glubbfans gegen Katar2022 - Support Glubb, boycott the World Cup" läuft. Dieses Statement taucht seit einigen Wochen auch optisch bei jedem Spiel des 1. FC Nürnberg in der Nordkurve Nürnberg und in den Auswärtssektoren der Bundesrepublik auf. Ich bin mir sicher, dass durch den breiten Protest von Fußballfans aus aller Welt viele Menschen auf die mit dem Turnier verbundenen Missstände aufmerksam wurden. Außerdem bin ich sehr stolz darauf, dass sich alle Liebhaber des Volkssportes Fußball aufeinander verlassen können und sich für einen Boykott starkmachen.

Abschließend würde ich gerne zugegebenermaßen sehr plakativ aber aussagekräftig ein paar Zahlen in den Raum werfen… In Verbindung mit der WM in Katar ist die Rede von 15.000 Toten. Bei 64 auszutragenden Spielen entspricht das einer Quote von 235 toten Menschen pro Partie. Der Weltmeister wird dementsprechend nach dieser Rechnung für über 1600 Tote verantwortlich sein… Möchtest du hierbei zusehen und womöglich noch den Sieger des Turniers bejubeln? Ich jedenfalls nicht! Bejubeln wir stattdessen lieber unsere Jugendmannschaften in den Hallen der Region. Hier lebt der Fußball noch!"

26. Rena Schimmer aus Würzburg ist Vorsitzende der Jungen Union Würzburg-Stadt und Mitglied im Würzburger Stadtrat

Die Würzburger Stadträtin Rena Schimmer veranstaltet mit der Jungen Union Würzburg in diesem Jahr kein Public Viewinig.
Foto: Johannes Kiefer | Die Würzburger Stadträtin Rena Schimmer veranstaltet mit der Jungen Union Würzburg in diesem Jahr kein Public Viewinig.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil sie auf ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen basiert. Die FIFA hat die WM an einen Ort vergeben, bei dem sie sich größtmögliche Einnahmechancen erhofft, hat dabei aber völligst die Rechte der Arbeiter, insbesondere der Gastarbeiter, die klimatischen Bedingungen und besonders die politische Lage außer Acht gelassen.

Normalerweise hätten wir als Junge Union ein Public Viewing organisiert, um so die WM mitzuverfolgen. Darauf werden wir in diesem Jahr allerdings verzichten. Dennoch werde ich mir wahrscheinlich die Spiele der deutschen Nationalmannschaft anschauen und wünsche unserem Team viel Erfolg und drücke die Daumen."

27. Joseph Degefa ist vor vielen Jahren aus Äthiopien nach Würzburg geflüchtet 

Der Schwager von Joseph Degefa machte als Gastarbeiter in Katar schlechte Erfahrungen.
Foto: Ivana Biscan | Der Schwager von Joseph Degefa machte als Gastarbeiter in Katar schlechte Erfahrungen.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil ein Mitglied meiner Familie persönlich sehr schlimme Erfahrung als Migrationsarbeiter in Katar gemacht hat. Ich bin Äthiopier und ich wohne seit mehr als zehn Jahren in Deutschland. Mein Schwager war über längere Zeit als Bauarbeiter bei der Errichtung von Stadien in Katar tätig, er wurde ausgebeutet, musste unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten und hausen. Er bekam sein Geld nicht und wurde geschlagen. Wegen körperlichen Misshandlungen musste er viele Wochen in Krankenhaus verbringen. Katar und die FIFA scheinen nicht zu wissen, was Menschenrechte sind!"

28. Luis-Fernando Peralta aka stiftzumpapier aus Würzburg ist Rapper und Schauspieler

Unter dem Künstlernamen stiftzumpapier tritt der Würzburger Luis-Fernando Peralta als Rapper auf.
Foto: Aurelian Völker | Unter dem Künstlernamen stiftzumpapier tritt der Würzburger Luis-Fernando Peralta als Rapper auf.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil für mich Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Umweltrechtsverletzungen nichts mit Sportsgeist und Fußball zu tun haben. Ich bin stiftzumpapier vom Projekt rg6, wir haben auch eine Aktion dazu. Wir haben einen neuen Song geschrieben, "Boykott", auf allen Streaming-Plattformen verfügbar ist, wir haben auch ein YouTube-Video dazu. Wir würden uns freuen, wenn ihr mal reinschaut und hoffen, dass ihr bei unserer Aktion dabei seid und mit uns gemeinsam die WM 2022 in Katar boykottiert."

 29. Jojo Schulz, Geschäftsführer der Würzburger Posthallen

Jojo Schulz ist Geschäftsführer der Würzburger Posthallen.
Foto: Thomas Obermeier | Jojo Schulz ist Geschäftsführer der Würzburger Posthallen.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil auch König Fußball sich nicht über Menschenrechte hinwegsetzen darf! Die Vergabe der WM an das Land Katar erachten wir für äußerst problematisch. Ohne verifiziert eine Aussage darüber treffen zu können, müssen wir davon ausgehen, dass wir eine andere Vorstellung davon haben, was Menschenrechte, die Rolle der Frau oder der Umgang mit Gastarbeitern angeht. Deshalb veranstalten wir dieses Jahr zur WM auch kein Public Viewing in der Posthalle."

30. Tobi Grimm, Stadionsprecher der Würzburger Kickers, Radiomoderator, DJ und SPD-Kreisrat

Tobi Grimm ist Radiomoderator, DJ, Stadionsprecher der Würzburger Kickers und SPD-Kreisrat im Landkreis Würzburg.
Foto: Silvia Gralla | Tobi Grimm ist Radiomoderator, DJ, Stadionsprecher der Würzburger Kickers und SPD-Kreisrat im Landkreis Würzburg.

"Ich boykottiere die WM in Katar, weil ich selten weniger Bock auf eine Fußball-WM gehabt habe. Das liegt an vielen Dingen. Dem kompletten Überfluss von Fußball im Fernsehen, dem vollkommen falschen Zeitpunkt in der stressigen Weihnachtszeit, aber auch an den schrecklichen Begleitumständen. Und Katar tut ja auch alles dafür, dass man grundsätzlich keine Lust hat. Verunglückte Gastarbeiter, Missachtung von Menschenrechten, Beschränkungen für Fans vor Ort.

Ekelhaft! So werde ich mir ausgewählte Spiele anschauen, den Rest aber nicht. Gänzlicher Boykott finde ich den Sportlern gegenüber nicht fair, und vor allem ist es ein Tropfen auf den heißen Stein. Vielmehr hoffe ich, dass die TV-Sender eine ähnlich offen kritische begleitende Berichterstattung liefern wie ARD/ZDF zu den Olympischen Spielen in Peking. Das hätte viel mehr Gewicht."

Hinweis: Dieser Artikel wird bis zum Finale der WM am 18. Dezember täglich aktualisiert.

 
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