Am Schluss war es Béla Réthy dann bei aller Rührung doch sichtlich unangenehm, im Mittelpunkt zu stehen. Als Per Mertesacker, mit dem er zuletzt das Champions-League-Finale kommentiert hatte, den Rudi-Völler-Klassiker zu "Es gibt nur einen Béla Réthy" umdichtete und die Zuschauer im ZDF-Studio dazu animinierte, aufzustehen und es ihm gleich zu tun. Mertesacker hatte zuvor verraten, zuerst an den Schlager "Mit 66 Jahren" von Udo Jürgens gedacht zu haben, wenige Stunden vor Rethy 66. Jubeltag. Ist halt auch ein bisschen komplizierter, der Refrain.
Für Réthy, der je nach Sichtweise als "Idol" (wenn es um seine Fans geht), "Dinosaurier" (das sagen die, die ihn nicht so gerne mögen) oder "Möbelstück" (das sagt Réthyüber sich selbst) rangiert, markiert der Geburtstag zugleich den Abschied von der großen Fernsehbühne. Über 40 Jahre schilderte der in Wien als Sohn eines ungarischen Paares geborene und danach in Sao Paolo aufgewachsene Réthy das, was es von den großen Sportereignissen der Welt zu sehen gab, den TV-Zuschauern.
Béla Réthy bildete mit Sandro Wagner viel zu spät ein kongeniales Duo
Mit dem 2:0 der Franzosen gegen das Überraschungsteam aus Marokko ist nun Schluss damit. Fast schien es, als ob die beiden Mannschaften Réthy den Gefallen getan hatten, ein maximal überraschungsfreies Spiel zu bieten, damit schon während der Partie der Fokus auf dem lag, der eigentlich nur der Vermittler und folglich Nebendarsteller sein sollte. Selbst Réthy selbst gab zu: "Die Gefühle fahren Karussell, aber ich habe sie noch gut im Griff." Sandro Wagner, der leider erst viel, viel zu spät mit Réthy ein kongeniales Kommentatoren-Duo bildete, würdigte seinen Kollegen am Mikrofon in aller Ausführlichkeit und Herzlichkeit. Réthy, so der Ex-Bayern-Spieler, sei ein Vorbild, eine Legende und habe sich selbst nie allzu wichtig genommen. "Von dir und deiner Generation können wir viel mitnehmen", so der 31 Jahre jüngere Wagner.
Dass Wagner dem Altmeister zu Spielbeginn als Zeichen der Anerkennung und "um den Kreislauf auf Touren zu bringen" eine Packung Gummibärchen geschenkt habe, gehört zu den Preziosen dieser Kommentierung, die meist unterhaltsamer war als das Spiel selbst. Ebenso wie der Dialog zwischen Wagner und Réthy, in dem es um die Verletzung des französischen Linksverteidigers Lucas Hernandez ging, der nach seinem Kreuzbandriss kurzerhand und gleichwertig von seinem Bruder Theo vertreten wurde. Wagner fragte, als das Gespräch auf die Hernandez-Brüder kam, Rethy: "Hast du auch einen, der dich ersetzen kann?" Réthy antwortete trocken: "Nein, ich bin Einzelkind." Wagner daraufhin: "Schade fürs ZDF. Es macht Spaß mit Dir. Echt schade, dass Du aufhörst." Wer hier keine Rührung verspürt, sollte einen Termin beim Psychologen vereinbaren.
Das ZDF zeigte Béla Réthy bei Olympia, Fußball-WM und in der Karaoke-Bar
Der ins Studio zugeschaltete Réthy verfolgte die nach Schlusspfiff erfolgte Würdigung der ZDF-Kollegen mit Rührung: Sein Kollege Nils Kaben hatte in einem Film die Stationen der Karriere des Mannes gezeigt, der mit elf Jahren aus Südamerika nach Deutschland gekommen war und bis dahin kein Wort jener Sprache konnte, mit der er später sein Geld verdienen sollte. Réthy von den Olympischen Spielen. Réthy frierend und sichtlich leidend beim Wintersport. Réthy ungewohnt ausgelassen in der Karaoke-Bar. Réthy natürlich beim Fußball, beim EM-Sieg 1996, der WM-Finalpleite 2002, dem legendären 7:1 gegen Brasilien im Jahr 2014. Und Réthy beim Interview mit Leon Goretzka, der gestand, dessen erste Frage nicht verarbeitet zu haben, weil er so von der prägnanten Stimme des Fragestellers abgelenkt war.
Jene Stimme, über die ZDF-Experte Christoph Kramer im Studio sagte: "Ich verbinde mit dieser Stimme ganz, ganz große Events. Tausend Dank für ganz viel Gänsehaut." Jene Stimme, die es zumindest vorerst nicht mehr zu hören geben wird. Dass er "irgendetwas Medienmäßiges" noch mal macht, wie Réthy der dpa sagte, sei schon mal möglich. Nun will er aber entspannen, die Zeit ohne Termine genießen, sie mit seinem Enkel oder in einem französischen Straßencafé verbringen. Und zum Abschluss des letzten Spiels gab es einen Gruß an all jene, die ihn verfolgt haben in dieser Zeit, auch an jene, die vielleicht froh sind, dass jetzt Schluss ist mit Réthy:"Ich habe versucht, alle Zuschauer zu unterstützen und mitzunehmen. Es freut mich, wenn es gefallen hat. Sorry an die, die ich nicht erreichen konnte. Das ist nicht immer einfach. Liebe Zuschauer, es war mir eine große, große Ehre. Tschüss und adieu."