
Oliver Bieber wohnt in Gerbrunn und erlebt aktuell seine zweite Amtszeit als Trainer des TSV Gerbrunn. Der 54-Jährige, der zwei Kinder hat, ist seit 1999 als Trainer aktiv und erfreut sich besonders am Vereinsleben. Im Steilpass-Interview spricht Bieber über notwendige Reformen im Fußball, die Nationalmannschaft bei der Heim-EM und erklärt, welchen der großen Würzburger Vereine er unterstützt: die Würzburger Kickers oder den FV 04 Würzburg.
Oliver Bieber: Der Steilpass kam von meinem Freund und ehemaligen Co-Trainer Dominik Friesacher. Er war während meiner ersten Ära in Gerbrunn Co-Trainer und wir kennen uns schon ein halbes Fußballerleben. Wir sind von Anfang an auf derselben Wellenlänge geschwommen. Weil er in Gerbrunn wohnt, sehen wir uns immer wieder.
Bieber: Nach mehreren Stationen als Spieler beim ETSV Würzburg, dem SC Lindleinsmühle und dem SV 09 Würzburg wurde ich mit 29 Jahren Spielertrainer bei den Freien Turnern Würzburg. Das ist jetzt 25 Jahre her. Weitere Trainerstationen waren Randersacker, Euerfeld, Gerbrunn, Grombühl, Uettingen, Biebelried, Mainsondheim und seit 2019 wieder in Gerbrunn. Parallel habe ich 2008 angefangen, eine Jugendmannschaft mit meinem Sohn zu trainieren. Das zahlt sich jetzt langsam aus.
Bieber: Von den zehn Spielern, die ich 2008 mit meinem Sohn trainiert habe, sind sieben jetzt in der ersten oder zweiten Mannschaft. Das ist das Ziel des Vereins. Wir wollen die Jugend fördern und dann in die Männermannschaften integrieren. Da kann es auch sein, dass Spieler in der Jugend mal zu den Würzburger Kickers oder dem FV 04 Würzburg gehen, aber später wieder zu ihrem Heimatverein zurückkehren.
Bieber: Ich bin Bundesbeamter bei der Deutschen Bahn im 38. Dienstjahr, gehöre als zum Inventar. Ich arbeite da im Projektmanagement und mache den Einkauf für Infrastrukturprojekte bei der Bahn.
Bieber: Wir sind eine Bahnfamilie. Mein Vater und Opa waren auch schon bei der Bahn. Früher war das so. Die Kinder der Post-Mitarbeiter spielten alle beim Post SV. Es war aber eine tolle Zeit damals.
Bieber: Wir müssen im Fußball in Deutschland neue Wege gehen. Wir müssen die Kinder wieder mehr spielen lassen. In den letzten Jahren haben wir sie in ein System hineingepresst. Lasst die Kinder spielen. Das Wichtigste ist, dass die Kinder lernen, Spielsituationen zu lösen.
Bieber: Ja, für mich ist das der richtige Ansatz. Nur mit diesen Maßnahmen kommen wir weiter. Im jungen Alter finde ich es auch okay, dass es keine Tabellen gibt, aber ab dem U13-Alter sollte es schon auch um den Wettkampf gehen.
Bieber: Mir ist nicht bange vor der Europameisterschaft im Sommer, weil ich jetzt bei der Handball-EM gesehen habe, welche Euphorie entstehen kann. Ich bin mir sicher, dass wir da mindestens bis ins Halbfinale kommen und es wieder ein Fußball-Märchen entsteht wie im Jahr 2006 bei der Heimweltmeisterschaft. Ich wünsche mir, dass das Land wieder zusammensteht, weil der Fußball kann verbinden wie nur wenig andere Dinge.
Bieber: Aufstiege sind schön, aber die sportlichen Ziele sind für mich nicht das Wichtigste. Es gibt Vereine, denen das Umfeld, das Training und das Menschliche gut passen. Die Vereine wollen die Liga halten und ihren Verein zusammenhalten. Sportlicher Erfolg kommt dann sozusagen als Zusatz obendrauf. Wenn wir einen Mittelfeldplatz erreicht haben, aber fünf Jugendspieler integriert haben, kann das auch eine erfolgreiche Saison gewesen sein. Beim Fußball muss im Amateurbereich der Spaß im Vordergrund stehen, dann kommt auch der Erfolg.
Bieber: Ich versuche der Gesellschaft meinen Teil mitzugeben, am besten im Vereinsleben. Das bedeutet für mich mehr als zwei Stunden Training. Da gehören gemeinsame Feiern dazu. Im Verein hilft jeder dem anderen und leistet seinen Beitrag zur Gesellschaft, damit alle profitieren. Das vermittle ich meinen Kindern. Nur dann wird unsere Gesellschaft in Zukunft funktionieren, unabhängig von Hautfarbe und Religion sollte da jeder dazugehören. Dann hätten wir schon viel erreicht.
Bieber: Momentan nicht. Ich bin froh, dass ich meine Freizeit auf dem Fußballplatz mit jungen Leuten verbringen darf. Es ist ein guter Ausgleich zum Beruf. Wenn es irgendwann mal so weit wäre, würde ich noch mehr aufs Rad steigen, weil mein Knie nicht mehr viel anderes zulässt.
Bieber: Faules Fahrradfahren nenne ich es immer. Aber es macht riesig Spaß und ist eine tolle Ablenkung an der frischen Luft. Wer in Gerbrunn wohnt, darf die Hilfe am Berg auch nutzen.
Bieber: Ich tendiere da zu unserem aktuell erfolgreicheren Klub der Stadt, den Würzburger Kickers. Ich habe mit Bernd Hollerbach in der Auswahl gespielt und bin auch viel bei Heimspielen, manchmal sogar auswärts. Würzburg ist für mich rot. Ich glaube aber, dass die Rivalität früherer Tage nicht mehr so ernst genommen wird. Mir geht es darum, möglichst guten Sport zu sehen. Da schaue ich auch ab und zu auch beim FV 04 Würzburg zu. Auch wenn beide Klubs nur eine Liga trennt, sind es sportlich aktuell Welten. Ich wünsche mir, dass die Kickers wieder aufsteigen, weil es im Profi-Bereich absolute Höhepunkte gibt.
Bieber: Ich spiele den Ball an Sven Kaiser weiter. Er ist seit zwei Jahren Stützpunktleiter in Erlabrunn. Er ist, genauso lang Trainer wie ich. Wir kennen uns schon sehr lange und wurden 2008 gemeinsam deutscher Meister bei den internen Eisenbahn-Meisterschaften.
Das Interview-Format "Steilpass"
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