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Steilpass
"Nach Siegen gab es bei mir Bierchen und Kippchen" - Der Rimparer Alf Mintzel kam ohne NLZ in den Profi-Fußball
Alf Mintzel ist beim SV Wehen Wiesbaden eine Vereinsikone. Der außergewöhnliche Weg des Rimparers ging bis in die Zweite Bundesliga. Was er heute beim SVWW macht.
Aus Rimpar in die mittelgroße Fußballwelt. Alf Mintzel ist beim SV Wehen Wiesbaden zur Vereinsikone geworden.
Foto: Frank Scheuring | Aus Rimpar in die mittelgroße Fußballwelt. Alf Mintzel ist beim SV Wehen Wiesbaden zur Vereinsikone geworden.
Tim Eisenberger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:34 Uhr

Mit 37 Jahren beendete Alf Mintzel (41) 2019 seine aktive Fußball-Karriere. Der ehemalige Rimparer spielte in der zweiten und dritten Liga für die Kickers Offenbach, den SV Sandhausen und dann lange Jahre für den SV Wehen Wiesbaden, wo er heute auch im Marketing und Vertrieb arbeitet. Im Interview spricht der Ex-Profi über seine Zeit als Profi, seinen Ruf und seine schönsten Momente.

Frage: Wer hat Sie angespielt?

Alf Mintzel: Björn Auer hat mich angespielt. Wir haben eine sehr enge Verbindung und telefonieren eigentlich fast wöchentlich, manchmal sogar mehrfach. Das hat auch teilweise berufliche Hintergründe, weil wir beide im weitesten Sinn im Vertrieb arbeiten. Wir haben immer wieder berufliche Überschneidungen und nutzen da unsere gemeinsamen Kontakte. Er ist auch Patenonkel meines ältesten Sohnes.

Wie war Ihr Laufweg?

Mintzel: Angefangen habe ich beim ASV Rimpar. Nach dem ersten Herrenjahr bin ich zum Würzburger FV gewechselt. Nach zwei Jahren mit Ab- und Aufstieg ging ich zu Greuther Fürth, wo ich mich aber mit Benno Möhlmann nicht verstand. Also wechselte ich in die Regionalliga Süd zum SC Feucht.

Wo Sie nur ein halbes Jahr blieben.

Mintzel: Ja, tatsächlich wurde ich schon in der Winterpause weggekauft. Der Wechsel stand auch schon früh fest. Wir hatten unser erstes Saisonspiel in Offenbach. Trotz der Niederlage habe ich wohl überzeugt, denn schon auf dem Heimweg im Bus riefen mich die Verantwortlichen an und sagten mir, dass ich in der Rückrunde bei ihnen spielen werde. Und das, obwohl ich in Feucht für zwei Jahre unterschrieben hatte.

Kam es auch so?

Mintzel: Ja, sie haben eine ordentliche Ablösesumme für mich hingelegt. Wir sind direkt in die zweite Liga aufgestiegen und ich blieb insgesamt zweieinhalb Jahre dort. Es folgte der Wechsel nach Sandhausen, wo wir uns nach einem Jahr Regionalliga für die neu eingeführte Dritte Liga qualifizierten. Dort spielte ich dann noch zwei Jahre, ehe ich zum SV Wehen Wiesbaden ging. Nach neun Jahren hab ich meine Karriere 2019 mit dem Aufstieg in die zweite Liga beendet.

Was macht die Karriere neben der Karriere?

Mintzel: Ich habe mit Mitte 20 gemerkt, dass ich nicht mehr Nationalspieler werde oder in der Bundesliga landen werde. Dann habe ich begonnen, Sportmanagement und dann Sportmarketing zu studieren. Ich wollte nicht in den Trainerbereich, weil ich raus aus dem Tagesgeschäft Fußball wollte. Ich wollte nicht mehr diesen Rhythmus mit Training und Spielen haben. Der Verein und ich sind auch der Meinung, dass ich so besser auf die Geschicke des Vereins Einfluss nehmen kann, als zum Beispiel als U-17-Trainer.

Sie haben kein Nachwuchsleistungszentrum durchlaufen. Das gibt es heute nur noch selten.

Mintzel: Sascha Mockenhaupt spielt hier bei uns in Wiesbaden. Miroslav Klose war auch so ein Beispiel. Aber das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Es liegt auch daran, dass es damals einfach weniger Scouts gab.

Sie waren immer ein Vollblut-Fußballer und wurden deshalb auch von den Fans geliebt. Was bedeutet Ihnen Vereinstreue?

Mintzel: Ich habe nie vorgegeben, jemand zu sein, der ich nicht bin. Nach Siegen gab es bei mir Bierchen und Kippchen. Einer meiner Leitsprüche war auch: Fürs Laufen muss ich nicht gut drauf sein. Auch wenn ich dreimal über den Ball gestolpert bin, war es mir wichtig, dass keiner im Stadion denkt, ich hätte keinen Bock auf das Spiel gehabt. Vereinstreue ist mir auch wichtig. Nur in Fürth habe ich aktiv den Verein verlassen. In Offenbach wollte Wolfgang Frank, der ein überragender Trainer war, mich nicht mehr.

Was er später bereut hat.

Mintzel: Fußball war für mich nie mein absoluter Lebensmittelpunkt. Für mich gibt es deutlich wichtigere Dinge. Damit kam er nicht klar. In Sandhausen kam mit Frank Leicht einer dieser ersten Trainer der neuen Generation, der erfahrene Spieler klein halten wollte und viel auf die Jugend gesetzt hat. Der Verein hat mehrere von mir gesetzte Fristen zur Vertragsverlängerung verstreichen lassen. Ich wollte immer früh Klarheit haben. Nachdem ich dann in Wiesbaden zugesagt hatte, waren sie in Sandhausen sauer, weil sie doch mit mir verlängern wollten.

Sie hielten aber Ihr Wort?

Mintzel: Ja, obwohl ich sogar noch ein lukrativeres Angebot aus Ingolstadt von einem Zweitligisten bekam. Ich stand zu meinem Wort und 2019 stiegen wir gegen Ingolstadt auf. So fügen sich Dinge dann irgendwann. Identifikation ist extrem wichtig für mich und deshalb wurde mir auch irgendwann klar, dass ich in Wiesbaden heimisch werde.

Gab es jemals den Gedanken oder Kontakte, zurück nach Würzburg zu gehen?

Mintzel: Meine Frau kommt wie ich aus Rimpar. Wir haben natürlich darüber gesprochen, zurückzukehren. Aber meine Kinder sind in Wiesbaden aufgewachsen. Ich bin mittlerweile seit 13 Jahren hier und wir fühlen uns sehr wohl.

Ein Wechsel zu den Würzburger Kickers war nie ein Thema?

Mintzel: Mit Daniel Sauer, der lange Vorstandsvorsitzender bei den Kickers war, habe ich in der Jugend gespielt. Wir hatten immer mal Kontakt, aber er hat verstanden, welchen Status ich in Wiesbaden hatte und wie wohl ich mich dort fühlte. Deshalb habe ich einige Angebote ausgeschlagen, bei denen ich mal ein paar Euro mehr verdienen hätte können.

Der Moment in Ihrer Karriere, den Sie sicher nie vergessen werden, war das Tor in der Nachspielzeit gegen den VfB Stuttgart II, mit dem sie den Klassenerhalt sicherten. Wie haben Sie diesen Tag in Erinnerung behalten?

Mintzel: Das war sehr verrückt. Ich hätte gerne einen Mathematiker gehabt, der mir die Chancen auf den Klassenerhalt ausgerechnet hätte. Wir hatten drei Punkte Rückstand auf die Stuttgarter Kickers und Energie Cottbus sowie das schlechtere Torverhältnis.

Und es sah bis zur 80. Minute nicht gut aus.

Mintzel: Stimmt. Weil Cottbus führte, in Stuttgart stand es 0:0 und bei uns 1:1. Aber drei Minuten später lag Cottbus auf einmal hinten, Stuttgart auch und wir gingen in Führung. Es war dann nicht ganz klar, ob das schon für uns reicht. In der letzten Minute der Nachspielzeit bekamen wir noch mal einen Freistoß an der Mittellinie, der zu mir verlängert wurde. Ich musste das Ding mit meinem schwächeren rechten Fuß aufs Tor bringen. Es hätte wirklich alles passieren können. Ich wollte ihn nur aufs Tor bringen. Das war wahrscheinlich der beste Rechtsschuss meines Lebens, der zum 3:1 ins Tor ging.

Es bedeutete Torgleichheit, aber Ihre Mannschaft hatte mehr Tore geschossen und hat deshalb die Liga gehalten. Haben Sie heute noch Gänsehaut, wenn Sie das erzählen?

Mintzel: Ja, das war auch nicht greifbar. Und es ist ein Erlebnis, das einen erdet. Später am Abend kam ich in die Katakomben, wo sich Mitarbeiter und ihre Familien bei mir bedankt haben, denn bei einem Abstieg wären auch viele Jobs verloren gegangen.

Auch dieses Jahr gab es für den SV Wehen Wiesbaden ein solches Herzschlagfinale. Dieses Mal erzielte Osnabrück zwei späte Treffer und stiegt direkt auf, während der SVWW in die Relegation gegen Bielefeld musste.

Mintzel: Dieses Jahr musste ich runter auf den Platz. Wir haben aus Sicherheitsgründen die Tore aufgemacht und ich musste die LED-Banden schnell umlegen. Der Unterschied war, dass wir unseren Job erledigt und uns für die Relegation qualifiziert haben. Es war etwas Positives, auch wenn es natürlich dramatisch war. Wir hatten keinen Einfluss auf das, was in der Nachspielzeit in Osnabrück passierte. Und in der Relegation hat die Mannschaft dann das beste Spiel abgeliefert, das ich hier in der Arena je gesehen habe.

Haben Sie diesen sensationellen Aufstieg schon realisiert?

Mintzel: Ich muss immer noch lachen, wenn ich darüber nachdenke, dass wir auf Schalke und im Olympiastadion in Berlin spielen.

Ihr Steilpass-Vorgänger Björn Auer war der Meinung, es sei Zeit geworden, dass Sie die Schuhe an den Nagel gehängt haben.

Mintzel: Er soll froh sein, dass ich mal mit ihm gespielt hab. Da hat er wenigstens Tore gemacht, weil ihm jemand den Ball auf den Kopf geschossen hat. Aber ganz ehrlich: Die Mannschaft beim FV damals war einzigartig, genauso wie die in Offenbach, als wir zweimal die Klasse hielten, und schließlich die Wiesbadener Aufstiegs-Mannschaft 2019. Das sind meine drei Lieblingsteams.

Sie haben die drittmeisten Spiele in der Dritten Liga. Wussten Sie das?

Mintzel: Das kann sein. Ich achte nicht auf solche Dinge. Ich habe auch nie meine Kicker-Noten nachgelesen, weil ich nach solchen Kriterien nie meine eigene Leistung bewertet habe. Das war mir tatsächlich nie wichtig. Da bin ich eher stolz auf die Anzahl, weil ich schon 27 war, als die Dritte Liga überhaupt erst eingeführt wurde. Ob das nun Platz eins, drei oder acht ist, ist mir relativ egal.

Wie sieht ein Tag als Vertriebsleiter bei einem Profi-Klub aus?

Mintzel: Aktuell haben wir natürlich viel zu tun, weil das Interesse an der zweiten Liga sehr groß ist. Ich habe viel mit dem Lizenzierungsverfahren zu tun und bin beim Marketing involviert. Wiesbaden besteht zu 75 Prozent aus zugezogenen Menschen. Deshalb haben wir eine Kampagne gemacht, bei der wir Fans angeworben haben, die zum Beispiel den 1. FC Nürnberg als Herzensverein haben, aber wir sind ihr Zweitverein. "Wir sind der beste Zweitverein Deutschlands", war das Motto damals. Im näheren Umfeld haben wir mit Eintracht Frankfurt oder Kaiserslautern Traditionsvereine und auch den FSV Mainz 05 als Bundesligisten. Aber wenn diese Teams auswärts spielen, haben wir Platz für Fußballfans. Das war sehr spannend.

Wen spielen Sie an?

Mintzel: Wir haben ja vorhin schon über Daniel Sauer gesprochen. Ihm würde ich gerne den Ball zuspielen, ob wir auf dem Rasen bleiben oder der Fußball zum Handball wird, kann er entscheiden.

Das Interview-Format "Steilpass"

In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als Nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.
(cam)

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Kommentare
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  • letsgo101
    Es war eine schöne Zeit mit Alf Mintzel beim WFV. Es war damals eine Supertruppe beim WFV
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