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Würzburg
Prozess um Messerangriff in Würzburg: Wie die Verhandlungen verliefen und was vor Gericht geschah
Am 25. Juni 2021 tötete der 31-jährige Abdirahman J. am Würzburger Barbarossaplatz drei Frauen und verletzte mehrere Menschen schwer. Jetzt fiel das Urteil. Die Chronologie des Prozesses.
Prozess zur Messerattacke in Würzburg: Der Täter am ersten Tag vor Gericht auf dem Weg zur Anklagebank in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg).
Foto: Thomas Obermeier | Prozess zur Messerattacke in Würzburg: Der Täter am ersten Tag vor Gericht auf dem Weg zur Anklagebank in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg).
Benjamin Stahl
,  Jonas Keck
 und  Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:53 Uhr

Am 22. April 2022 stand der Messerangreifer von Würzburg erstmals vor dem Landgericht Würzburg. Jetzt ist die Entscheidung gefallen. Es ist erwiesen, dass der zur Tatzeit schuldunfähige Mann am 25. Juni 2021 in der Würzburger Innenstadt wahllos Menschen mit einem Küchenmesser angriff. Drei Frauen starben, neun Menschen wurden verletzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Generalstaatsanwaltschaft München und die Verteidigung deuten aber nach Prozessende an, keine Rechtsmittel einlegen zu wollen. Die 15 Verhandlungstage im Überblick:

26. Juli 2022: Das geschah am 15. Prozesstag

Das Urteil ist gefallen. Das Gericht wertet die Taten von Abdirahman J. unter anderem als dreifachen Mord, versuchten Mord in fünf Fällen und versuchten Totschlag in fünf Fällen. Wegen der Messerattacke auf arglose Passanten ordnet das Landgericht Würzburg die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Dafür plädierte zuvor auch der Pflichtverteidiger des Beschuldigten, Tilman Michler. Im Namen des Beschuldigten sprach er den Opfern und Angehörigen sein Mitgefühl aus und entschuldigte sich bei ihnen. Pflichtverteidiger Hanjo Schrepfer ist an Corona erkrankt und konnte daher nicht anwesend sein.

25. Juli 2022: So verlief der 14. Prozesstag

Die Generalstaatsanwaltschaft München wirft dem Beschuldigten nach der Beweisaufnahme Mord durch Heimtücke in drei Fällen, versuchten Mord in sechs Fällen, versuchten Totschlag in vier Fällen sowie gefährliche und schwere Körperverletzung vor. "Es waren vier Minuten, in denen der Beschuldigte ein Blutbad angerichtet hat", sagte Oberstaatsanwältin Judith Henkel. Er habe die Arg- und Wehrlosigkeit seiner Opfer ausgenutzt. In ihrem Plädoyer sprach sie sich dafür aus, den Messerangreifer in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die sieben Vertreterinnen und Vertreter der Nebenkläger schlossen sich dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft an.

22. Juli 2022: So verlief der 13. Prozesstag

Die zwei psychiatrischen Gutachter Hans-Peter Volz und Kolja Schnitz sind einer Meinung: Der Beschuldigte war bei der Tat nicht Herr seiner Sinne und ist damit aus ihrer Sicht schuldunfähig. Abdirahman J. habe sich in "einer eigenen Realität" befunden und müsse zur Behandlung seiner paranoiden Schizophrenie dauerhaft in eine Klinik – auch deshalb, weil er weiterhin als gefährlich gilt.

14. Juli 2022: Das geschah am 12. Prozesstag

Der psychologische Sachverständige Maximilian Wertz vom Klinikum der Universität München führte mit dem Beschuldigten im August 2021 mehrere Tests durch, um dessen intellektuelle Leistungsfähigkeit festzustellen. Der Gutachter stellte bei dem Somalier "kognitive Einschränkungen" fest, die auf Symptome einer möglichen Schizophrenie zurückzuführen sind. Außerdem hörte das Gericht zwei Kriminalbeamte an. Sie zeigten auf, wo sich der Somalier in den Stunden vor der Tat aufgehalten hat.

27. Juni 2022: So verlief der 11. Prozesstag

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) war offenbar falsch informiert, als er kurz nach der Festnahme des Messerangreifers den Ermittlungen den Weg wies - in die falsche Richtung: Vieles spreche für eine "islamistisch motivierte Tat", sagte Hermann in Interviews. Nichts hat dies in den bislang elf Prozesstagen auch nur andeutungsweise bewiesen. Die Aussage des Ministers habe unter den Fachleuten für Staunen gesorgt, sagte ein Würzburger Ermittler im Zeugenstand. Außerdem zeigte das Gericht ein Interview, das die Deutsche Welle im Jahr 2018 mit Abdirahman J. führte, nachdem Geflüchtete mutmaßlich von rechtsextremen Schlägern in Chemnitz verfolgt wurden.

24. Juni 2022: Das geschah am 10. Prozesstag

Ausführlich äußerte sich Professor Dominikus Bönsch zu Wort, Direktor der Psychiatrischen Klinik in Lohr und des Zentrums für seelische Gesundheit (ZSG) in Würzburg. Dort war der Beschuldigte vor der Tat viermal untergebracht und Ärzte stellten "Psychose-artige Zustände" fest. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten den Beschuldigten "nicht als herausstechenden Patienten wahrgenommen". Dr. Markus Benz aus der psychiatrischen Klinik in Haar bei München schilderte die Wahnvorstellungen, die der Festgenommene nach seiner Tat äußerte: Besuche von einem großen, schwarzer Vogel, Kontakt zu Agenten und Angst davor, dass ihn der deutsche Geheimdienst zu einer Frau machen will.

23. Juni 2022: So verlief der 9. Prozesstag

Unter somalischen Landsleuten habe man den Beschuldigten "den Verrückten" genannt, schildert ein Zeuge. Auch andere Zeugen, die Abdirahman J. vor der Messerattacke gekannt haben, berichten von seltsamen Verhaltensweisen des Geflüchteten. Einblicke in den Lebensweg des Beschuldigten lieferte das Gericht, als es seinen Asylantrag verlas. Er habe den Zorn der islamistischen Miliz Al Shabaab erregt. Viermal habe man ihm mit Ermordung gedroht, daraufhin sei er geflohen.

14. Juni 2022: Das geschah am 8. Prozesstag

Weitere Zeuginnen und Zeugen kamen zu Wort. Sie haben gemeinsam, dass sie den Beschuldigten schon vor der Tat gekannt haben. Abdirahman J. lebte zum Zeitpunkt der Messerattacke in einem Obdachlosenwohnheim in Würzburg. Dort bedrohte er zwei Sozialarbeiter im Januar 2021 mit einem Küchenmesser. Zeugen schildern: Ein paar Wochen oder Monate vor der Tat auf dem Barbarossaplatz habe sich der Zustand des Bewohners verschlechtert. Er habe in der Unterkunft mit niemandem mehr gesprochen, sei oft barfuß gewesen und habe schmutzige Kleidung getragen.

1. Juni 2022: So verlief der 7. Prozesstag

Das Landgericht zeigte das 80-minütige Video der ersten ausführlichen Vernehmung des Beschuldigten durch Ermittler. Der Messerangreifer berichtet darin von Stimmen, die ihm befohlen hätten, Menschen zu töten. Er sagte bei der Vernehmung auch, dass ihm die Tat leid tue. Zudem hörte das Gericht Rechtsmediziner Dr. Thomas Tatschner, der den Beschuldigten noch in der Tatnacht untersucht hatte. Der Somalier habe auf ihn "keinen völlig wirren Eindruck gemacht", sagte der Gutachter. Auch wenn er anfangs gezappelt und Unverständliches gerufen habe. Die Verletzungen aller Opfer weisen laut Tatschner ein ähnliches Muster auf: Stiche in Nacken- und Rückenbereich. Das weise auf ein "zielgerichtetes Vorgehen" hin, sagt der erfahrene Rechtsmediziner.

30. Mai 2022: Das geschah am 6. Prozesstag

Der Polizist, der den Messerangreifer in den Oberschenkel geschossen hat, sagte als Zeuge aus. Der Vorsitzende Richter Thomas Schuster bezeichnete das Vorgehen des Polizisten als "vorbildlich". Außerdem kamen zwei Opfer zu Wort, die bei der Tat schwer verletzt wurden. Ein 17-jähriger Schüler saß auf einer Parkbank als er von hinten angegriffen wurde. Eine 74-jährige Rentnerin kam aus der Sparkasse am Würzburger Barbarossaplatz und spürte plötzlich einen Stich im Rücken. Beide Opfer können einen ihrer Arme nur noch eingeschränkt bewegen.

27. Mai 2022: So verlief der 5. Prozesstag

Weitere Augenzeugen und Passanten, die sich dem Messerangreifer in den Weg stellten, kamen am Freitag vor dem Landgericht zu Wort. Auch eine Polizistin wurde befragt, die zu den ersten Einsatzkräften vor Ort zählte und den von ihrem Kollegen abgegebenen Schuss in den Oberschenkel des Täters sah. Als Zeugin gehört wurde auch Gabi M.. Die Verkäuferin bei Woolworth hatte Kundinnen und Kunden geraten, sich in Sicherheit zu bringen. Sie stellte sich auch schützend vor das elfjährige Mädchen, das nach dem Tod seiner Mutter hilflos vor der Tür des Kaufhauses gestanden hatte. Das Kind wurde von dem Täter schwer verletzt – die Verkäuferin auch.

10. Mai 2022: Das geschah am 4. Prozesstag

Um die Menschen, die sich dem Messer schwingenden Abdirahman J. mutig entgegenstellten oder die Tat mit ansehen mussten, drehte sich der vierte Verhandlungstag. Unter den Zeugen war auch Chia Rabiei. Er war in Würzburg beim Einkaufen gewesen, hatte einen Rucksack bei sich. Als er sah, dass der Messerangreifer auf einen jungen Mann einstach, habe er helfen wollen. Ein für den Freitag zuvor angesetzter Verhandlungstag fiel aus, weil der Vorsitzende Richter erkrankt war.

27. April 2022: So verlief der 3. Prozesstag

Das Gericht zeigte die Videovernehmung des elfjährigen Mädchens, das bei der Attacke seine Mutter verlor hatte und das selbst von dem Täter angegriffen worden war. Seine Aussage war so umfassend, dass das Gericht auf eine Vernehmung während der Verhandlung verzichtete, um das Kind nicht zu traumatisieren. Rechtsmediziner Dr. Thomas Tatschner berichtete als Gutachter über die Obduktion der drei getöteten Frauen. Keine von ihnen wies ihm zufolge Abwehrverletzungen auf, sie wurden alle unversehens von hinten attackiert. Ihre Verletzungen seien so schwer gewesen, dass sie "keine realistischen Überlebenschancen hatten", so der Rechtsmediziner.

25. April 2022: Das geschah am 2. Prozesstag

Das Gericht zeigte Videos der Tat, die die Überwachungskameras des Kaufhauses Woolworth sowie  Passanten mit Handys aufgenommen hatten. Als Zeugin schilderte eine Geschädigte, dass sie infolge von Stichen in den Nacken durch den Messerangreifer nun auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Ein Kaufhausdetektiv sagte aus, dass er sich dem Angreifer entgegengestellt hat.

22. April 2022: Das geschah am 1. Prozesstag

Zum Auftakt der Verhandlung räumte der Messerangreifer über seinen Anwalt die Taten ein und entschuldigte sich bei den Opfern. Zudem gab der Beschuldigte an, im Dezember 1989 geboren zu sein. Demnach wäre er heute 32 und nicht 33 Jahre alt. Oberstaatsanwältin Judith Henkel verlas die Antragsschrift, in der die Ermittler den Ablauf der Messerattacke detailliert zusammengefasst haben.

 
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  • reutjo
    Alles geht weiter...

    so wird direkt über diesen Artikel ( weil er sicherlich oft geklikt wird ) eine rote Kochschau-
    werbung von der "M-P" geschaltet..... ; weil ja alle am 01.05.22 etwas zu essen brauchen.

    Ob man sich in Verbindung mit der Artikelgegenwart " Mahlzeit " wünschen soll, weiss ich auch nicht ? !
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  • Blauwal
    Jeder Täter/Mensch hat die gleichen Rechte vor Gericht. Auch Er. Und das ist auch gut so! Über die Strafe und ob Psychiatrie eine gerechte Strafe ist, darüber kann man sich streiten. Aber....... dieser Täter war bereits vor der Tat mehrfach auffällig. Und deshalb kann ich es nicht akzeptieren, dass er weiterhin in Deutschland bleiben konnte! Ich bin der Meinung, dass Asylbewerber, die gegen die hiesigen Gesetzte verstoßen, sofort abgeschoben werden. Jemand der das Gastrecht missbraucht, kann nicht willkommen sein. Wahrscheinlich hat der Täter eine Krankheit und wurde vielleicht traumatisiert, aber das hat Deutschland nicht zu verantworten, geschweige denn seine Opfer. Der deutsche Staat ist in erster Linie für seine eigenen Bürger verantwortlich und somit auch für deren Sicherheit! Wäre der Täter nach ersten Auffälligkeiten abgeschoben worden, würden die Getöteten noch leben und die Verletzten wären gesund. Auch sie sind jetzt traumatisiert und krank. Es hätte nicht sein müssen!
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Warum wird ständig der Täter verpixelt und eigentlich unbeteiligte Justizangestellte und Justizbeamte die diese Arbeit durchführen müssen nicht?

    Sicher ist der Prozess auch für diese Beamte belastend auch wenn es deren Beruf ist.

    Vielleicht möchten diese, ebenso wie die nicht abgelichteten Zeugen selbst entscheiden mit wem sie über den Prozess sprechen den sie miterleben müssen!

    Dafür ist es sicherlich nicht hilfreich wen diese ständig unverpixelt gezeigt werden und so Gefahr laufen von Nachbarn, Bekannten, Vereinskollegen etc. angesprochen werden "du, ich hab dich in er Zeitung gesehen, erzählt doch mal..."
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  • sanduhr
    Ich finde es nicht korrekt, dass man soviele Prozesstage für diesen Täter durchführt. Wir alle wissen doch, dass er der Täter ist und wir alle bezahlen für diesen Ausländer / Asylant Lebenslang die Unterbringung in einer Anstalt, wo er so ein schönes Leben darin verbringen kann. Er muss nicht arbeiten, bekommt Verpflegung und ein Dach über Kopf - was will man mehr!!! Mit Sicherheit kann er in der Anstalt auch Sport treiben, Hobby nachgehen, etc. Was für ein tolles Leben - auf jeden Fall deutlich besser als in seinem Land Somalia!!! Wir Deutschen sind die Deppen. Zahlen für ihn alle Kosten (Gericht, Gerichtsmediziner, Anwalt, etc). Das ist einfach unglaublich. Der nächste Täter ist sicher bald im Umlauf, denn Sie werden ja nicht abgeschoben!!!
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  • MDV
    Ich hoffe, dass Sie sich nicht weiter in Ihrer Wut steigern und Amok laufen...
    Für diesen Fall wünschen Sie sich sicherlich auch einen kurzen Prozess.?
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  • thomvolkmann@aol.com
    Was heißt hier Amok laufen! Ich teile voll die Ansichten von "sanduhr"! Weil man hier eine andere Meinung hat läuft man nicht deswegen gleich Amok!
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