Sie hätten sich über sein seltsames Verhalten gewundert, teilweise schon lange vor der Messerattacke von Würzburg vor einem Jahr. Unter somalischen Landsleuten habe man ihn "Den Verrückten" genannt. So schilderte es einer der Zeugen an diesem Donnerstag vor dem Landgericht Würzburg im Prozess um die Bluttat vom 25. Juni 2021.
Einzelgänger mit Winterjacke mitten im heißen Sommer
Am neunten Verhandlungstag ließen sich die Richter ließen sich von ihm und fünf weiteren Flüchtlingen schildern, welchen Eindruck Abdirahman J. vor dem Messerangriff am Barbarossaplatz auf sie gemacht hatte. Bei allen war der Beschuldigte als Einzelgänger bekannt, der wenig über seine Vergangenheit erzählte und merkwürdige Verhaltensweisen zeigte. Der heute 32-Jährige habe über Schlaflosigkeit geklagt, Selbstgespräche geführt und sich - mitten im heißen Sommer - schwitzend in eine dicke Winterjacke gepackt, wofür er keine Erklärung hatte.
Ein Zeuge aus Somalia, der heute im Landkreis Main-Tauber wohnt, hatte den Beschuldigten bereits 2016 kennengelernt. Mithilfe der Dolmetscherin erklärte der 21-Jährige am Donnerstag in der Verhandlung: "Ich hätte nie für möglich gehalten, dass er zu so etwas fähig ist." Abdirahman J. hatte am 25. Juni 2021 in der Würzburger Innenstadt mit einem Messer drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren getötet und weitere sechs Personen, darunter ein elfjähriges Mädchen, schwer verletzt.
Der Beschuldigte klagte: "Ich bin im Kopf krank"
Schon 2019 seien ihm und einem 33-jährigen Landsmann massive Veränderungen an Abdirahman J. aufgefallen. Ihr Landsmann habe erzählt: "Ich bin im Kopf krank." Seine Medikamente würden nicht helfen gegen Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit. "Er lag nächtelang wach", sagte der Geflüchtete im Zeugenstand.
Und immer wieder habe der Beschuldigte von Verfolgung durch einen Geheimdienst erzählt. Bezeichnend die Schilderung eines syrischen Flüchtlings, der mit Abdirahman J. - etwa zwei Monate vor der Bluttat - zu Hilfsarbeiten in einer Küche eingeteilt gewesen war. Er habe nach dem Trinken seine Wasserflasche etwas heftig abgesetzt, schilderte der Zeuge. Ein paar Tropfen Wasser seinen in Richtung des Somalis gespritzt. Der sei sofort aggressiv geworden: "Du bist vom russischen Geheimdienst geschickt worden, um mich umzubringen", habe der Beschuldigte gerufen.
Einem Nachbarn in der Unterkunft wegen eines vollen Mülleimers mit Mord gedroht
Im Mai 2021 – also vier Wochen vor der Messerattacke – sei das Verhalten des Beschuldigten noch auffälliger geworden, schilderte ein Nachbar aus der Unterkunft in der Würzburger Sedanstraße: "Er schrie in seinem Zimmer laut herum, hämmerte gegen die Wand, schimpfte auf die Deutschen, brüllte Beleidigungen auf Somalisch."
Er habe den damals 31-Jährigen aufgefordert, einen stinkenden Mülleimer zu leeren. Da sei dieser völlig ausgeflippt, so der Zeuge: Er habe den Mülleimer mitten ins Zimmer geworfen. Und gedroht: "Wenn du nochmal kommst, bringe ich dich um."
Angaben im Asylantrag: Flucht aus Somalia nach vier Morddrohungen
Wichtige Einblicke in den Lebensweg des Beschuldigten lieferte das Gericht am Donnerstag, als es seinen Asylantrag verlas. Er sei in Somalia Lehrer für Englisch an einer Koranschule gewesen, hatte der Geflüchtete beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) angegeben. Als er in seinem Heimatland der Polizei 2015 eine herumliegende Handgranate nahe seiner Schule meldete, habe das den Zorn der islamistischen Miliz Al Shabaab erregt. Vier Mal habe man ihm mit Ermordung gedroht. Da habe seine Mutter ihm mit Geld aus dem Verkauf eines Grundstückes die Flucht ermöglicht, so die Angaben im Asylantrag. Über den Sudan, Libyen und Italien sei er nach vier Monaten nach Deutschland gekommen.
Ob Prof. Dominikus Bönsch das Verhalten deuten kann? Mit Bönsch kommt an diesem Freitag einer der wichtigsten Zeugen des Prozesses zu Wort: Der ärztliche Direktor der Psychiatrischen Klinik in Lohr und des Zentrums für seelische Gesundheit in Würzburg könnte erklären, warum eine dauerhafte Einweisung des Beschuldigten in die Psychiatrie vor der Tat trotz seiner schweren psychiatrischen Erkrankung nicht möglich war.
Der Prozess wird um 9 Uhr im Vogel-Convention Center in Würzburg fortgesetzt.