Das Urteil im Prozess um die Messerattacke auf dem Barbarossaplatz in Würzburg ist gefallen. Das Landgericht Würzburg hat im Sicherungsverfahren am Dienstag entschieden: Der Täter wird im sogenannten Maßregelvollzug, also in einer geschlossenen Abteilung einer forensischen Klinik, untergebracht werden. Am Abend des 25. Juni 2021 hatte der damals wohl 31-Jährige in der Würzburger Innenstadt mit einem Küchenmesser drei Frauen getötet. Weitere Menschen, darunter ein elfjähriges Mädchen, wurden schwer verletzt.
Zwei Gutachter gelangten nach Untersuchungen zu der Einschätzung, Abdirahman J. sei paranoid schizophren. Stimmen in seinem Kopf hätten ihn zu der Tat getrieben. Deshalb war er nicht Angeklagter, sondern Beschuldigter. Es gab keine Anklageschrift, sondern eine Antragsschrift zu einem Sicherungsverfahren.
Dauer der Unterbringung ist ungewiss
"Der Beschuldigte war krankheitsbedingt in seinem Wahnsystem gefangen und konnte diesem nicht entkommen", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Schuster bei der Urteilsbegründung. Der heute wohl 32-jährige Täter sei "prognostisch hochgefährlich" und es werde "viele Jahre dauern" bis man über Lockerungen überhaupt nachdenken könne. Die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik ist dem Richter zufolge "vielleicht das schärfste Schwert im Strafrecht", da Insassen hinsichtlich der Länge der Unterbringung in "absoluter Ungewissheit" leben müssen.
Die übrigen Bedingungen würden sich von einer Haftstrafe im Gefängnis – von therapeutischer Behandlung und Betreuung abgesehen – nicht wesentlich unterscheiden. Externe Gutachter untersuchen den Verurteilten künftig in regelmäßigen Abständen. Solange die Erkrankung des Mannes fortbesteht und er als gefährlich eingestuft wird, ist eine Freilassung ausgeschlossen.
Schuster trägt die einstündige Begründung mit gedämpfter Stimme vor. Er spricht langsam, um einer Dolmetscherin Zeit zu verschaffen, die jedes Wort für den Somalier übersetzt – und findet auf diese Weise auch bei Nicht-Juristen im Zuschauerraum Gehör. "Dieses Verfahren kann nichts ungeschehen machen", dämpft er zu hohe Erwartungen an die Justiz. "Aber wir haben den Betroffenen eine Stimme gegeben."
Würzburger Messerstecher hat die Morde im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen
Die Generalstaatsanwaltschaft München warf dem Beschuldigten Mord an drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren sowie versuchten Mord in sechs Fällen, versuchter Totschlag in vier Fällen sowie gefährliche und schwere Körperverletzung vor – begangen im Zustand der Schuldunfähigkeit. "Seine Absicht war es, so viele Menschen wie nur möglich zu töten", sagte Oberstaatsanwältin Judith Henkel am Montag in ihrem Plädoyer. Der damals wohl 31-Jährige habe die Taten aufgrund einer psychischen Erkrankung begangen. Henkel forderte, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen.
Der Pflichtverteidiger des Beschuldigten, Tilman Michler, plädierte am Dienstagmorgen ebenfalls für die Unterbringung seines Mandanten in einer forensischen Klinik. Im Namen des Beschuldigten sprach er den Opfern und Angehörigen sein Mitgefühl aus und entschuldigte sich bei ihnen. "Danke für ein rechtsstaatliches und faires Verfahren", sagte Michler den Richtern zugewandt.
Kritik äußerte er in Richtung des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU), der kurz nach der Tat von möglichen terroristischen Hintergründen sprach. Hinweise darauf fanden Ermittler nicht. Der Verteidiger stellte klar, dass auch behandelnden Ärzten keine Schuld gegeben werden könne. Sie hätte auf Grundlage der geltenden Gesetze keine andere Möglichkeiten gehabt, den Beschuldigten festzuhalten.
Beschuldigter äußert sich am letzten Prozesstag nicht zur Messerattacke in Würzburg
Von seinem Recht, das letzte Wort zu ergreifen, machte der Beschuldigte keinen Gebrauch. Er schloss sich den Ausführungen seines Verteidigers an. Pflichtverteidiger Hanjo Schrepfer ist an Corona erkrankt. "Der Prozess muss ohne mich zu Ende gehen", ließ er am Montag auf Anfrage mitteilen. Michler sprach das Plädoyer auch in seinem Namen.
Mit dem Urteilsspruch geht in der Weißen Mühle in Estenfeld (Lkr. Würzburg) ein Verfahren zu Ende, welches am 22. April begann und 15 Verhandlungstage in Anspruch nahm. Das Gericht tagte an wechselnden Orten: in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim, der Weiße Mühle in Estenfeld und dem Vogel Convention Center (VCC) in Würzburg. Ursprünglich waren 27 Prozesstage angesetzt.
Bislang keine Rechtsmittel eingelegt
Nach dem Urteil herrschte zunächst vor allem Erleichterung, dass das Verfahren zu Ende ist. Resigniert klangen die Angehörigen des elfjährigen Mädchens, das seine Mutter verloren hatte und nur haarscharf selbst verletzt dem Täter entkam. "Sein Herz ist gebrochen", beschrieb ein Angehöriger. "Seine Augen suchen jeden Tag nach der Mutter, wenn es von der Schule heimkommt." Überdies sei es finanziell eng für sie. Zwar seien auf dem Konto der Elfjährigen Spenden eingegangen, aber die seien bis zu ihrem 18. Geburtstag festgelegt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Generalstaatsanwaltschaft München und die Verteidigung deuten aber nach Prozessende an, keine Rechtsmittel einlegen zu wollen. Auch mehrere Vertreter von Nebenklägern zeigten sich zufrieden mit dem Urteil. Aufgrund der vorgezogenen Urteilsverkündung konnten nur wenige Opfer und Angehörige persönlich anwesend sein.
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