Nach der Corona-Infektion von Verteidiger Hanjo Schrepfer will das Landgericht Würzburg den Prozess jetzt schnell zu Ende bringen - und schon am Dienstag entscheiden: "Angesichts des Risikos" hat der Vorsitzende Richter Thomas Schuster an diesem Montag für den nächsten Verhandlungstag das Urteil angekündigt - zwei Tage früher als es der jüngste Plan vorsah. Schuster hat die begründete Sorge, dass weitere Prozessbeteiligte sich infiziert haben könnten und ausfallen. Dann müsste der Prozess kurz vor dem Abschluss eine Zwangspause einlegen.
Schrepfer war am Montag der dritte Prozessbeteiligte, der in dem seit drei Monaten laufenden Prozess ausfiel. Zuvor hatte bereits ein Richter zwangspausieren müssen, eine Hilfsschöffin war in der vergangenen Woche aus dem laufenden Verfahren ausgestiegen. "Der Prozess muss ohne mich zu Ende gehen", teilte der Anwalt auf Anfrage mit. Er müsse mit hohem Fieber das Bett hüten.
Ungeachtet dieser Ungewissheit durch Corona standen am Montag die Plädoyers im Mittelpunkt vor dem Würzburger Landgericht. Zum 14. Mal saß die Münchner Oberstaatsanwältin Judith Henkel dem Messerangreifer Aug' in Auge im laufenden Prozess gegenüber, der in den vergangenen Wochen meist an ihr vorbei ins Leere gestarrt hatte.
Mit Henkels Vorwürfen aus der Antragsschrift hatte am 22. April der Prozess begonnen. Mit ihrem Plädoyer wurde drei Monate später nun auch das Ende eingeleitet. Außerhalb dieser beiden formalen Vorträge hatte die Oberstaatsanwältin nur selten Grund, mit präzisen Nachfragen das Wort zu ergreifen. Nach dem Geständnis des Beschuldigten gleich zu Beginn gab es dafür auch kaum Anlass.
Henkel wirft dem Beschuldigten Mord in drei Fällen, versuchten Mord in sechs Fällen, versuchten Totschlag in vier Fällen sowie gefährliche und schwere Körperverletzung vor. In ihrem Plädoyer lässt sie noch einmal die tragischen Szenen am 25. Juni 2021 anschaulich werden: Es ist ein Sommernachmittag, der Würzburger Barbarossaplatz mit seinen Läden, Gaststätten und Banken voller Menschen. Kurz nach 17 Uhr betritt der Beschuldigte das Kaufhaus Woolworth. Nach rund 80 Sekunden sind drei Menschen tot.
Oberstaatsanwältin sieht Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt
"Die Arg- und Wehrlosigkeit der Geschädigten nutzte der Beschuldigte bewusst aus und handelte in feindseliger Willensrichtung gegen das Opfer", sagt Henkel am Montagmorgen in der Weißen Mühle in Estenfeld (Lkr. Würzburg). Nacken, Kopf, Oberkörper – mit unvorstellbarer Wucht soll der Somalier das Messer immer wieder in die ihm unbekannten Menschen gerammt haben. "Es waren vier Minuten, in denen der Beschuldigte ein Blutbad angerichtet hat", sagt Henkel mit klarer Stimme.
Sie habe sich bei ihrem ersten Besuch in Würzburg selbst in dem wieder geöffneten Kaufhaus umgesehen, um sich ein Bild von dem Tatort verschaffen können. Daher wisse sie, wie eng die Regale am Tag der Bluttat standen. Die Opfer hätten keine Chance gehabt, dem niedersausenden Messer von Abdirahman J. auszuweichen.
"Ein Großteil der Tatopfer hatte keine Möglichkeit, den Angriff durch den Beschuldigten vorauszuahnen, sondern wähnte sich in völliger Sicherheit", sagt die Juristin. "Die natürliche Abwehrbereitschaft und Abwehrfähigkeit fehlten deshalb gänzlich." Es handle sich um Mord durch Heimtücke.
Der Mann soll seine Opfer willkürlich ausgesucht haben, "um seinem Plan entsprechend möglichst viele Menschen zu töten und sich für die von ihm empfundene Ungerechtigkeit zu rächen", betont Henkel. Der Beschuldigte soll Stimmen gehört haben und unter Verfolgungswahn leiden. "Er war trotz der bei ihm vorliegenden paranoiden Schizophrenie von Rachsucht beherrscht", sagt die Oberstaatsanwältin. Sie schließt sich damit der Meinung an, die zwei psychiatrische Gutachter unabhängig voneinander vertreten haben.
Nach ihrem rund 90-minütigem Plädoyer bekräftigt die Oberstaatsanwältin: Der Beschuldigte habe die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit verübt. Er stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, "ähnliche Gräueltaten" seien wieder zu erwarten. Deshalb, so ihre Feststellung, sei die Unterbringung in einem forensischen Krankenhaus notwendig.
Juristische Feinheiten für Opfer "weitgehend unerheblich"
Rechtsanwalt Bernhard Löwenberg setzte am Montag dann als erster der sieben Anwälte der Nebenkläger ein Zeichen mit einem kurzen, präzisen Plädoyer im Namen seiner Mandanten und Mandantinnen. Die rechtliche Würdigung - ob nun versuchter Mord oder versuchter Totschlag - sei für die Opfer "weitgehend unerheblich". Für die Geschädigten sei viel entscheidender, was mit dem Beschuldigten geschehen wird.
Die Feststellung, dass eine Psychose der Auslöser für die Tat war, nicht die Herkunft des Beschuldigten aus einem vom Bürgerkrieg geschüttelten Land, sei wichtig, betonte Löwenberg. Er und alle sechs weitere Vertreterinnen und Vertreter der Nebenkläger schlossen sich deshalb dem Antrag der Oberstaatsanwältin an.
Am Dienstag plädiert die Verteidigung - dann soll das Urteil fallen
Am Nachmittag bot das Gericht dann sogar Verteidiger Tilman Michler an, gleich sein Schlusswort zu sprechen. Er ließ sich aber nicht drängen, sondern will sich angemessen auf seinen Vortrag vorbereiten. Nach seinem Plädoyer wird der Beschuldigte Gelegenheit zu letzten erklärenden Worten haben. Am Dienstagnachmittag soll dann das Urteil fallen – zwölf Verhandlungstage (und damit zwei Monate) früher als ursprünglich geplant.
Der 14. Verhandlungstag am Dienstag, 26. Juli, beginnt um 9.15 Uhr in der Weißen Mühle in Estenfeld (Lkr. Würzburg).
Psychopaten nicht mehr gegenüber stehen müssen. Hoffentlich können die Angehörigen
dann auch wieder nach vorne blicken wenn noch einige Zeit der Trauerbewältigung verarbeitet worden ist. Man müsste doch den Täter dahin schicken, wo er her gekommen ist. Da ginge es ihm bestimmt nicht so gut wie in Old Germany!
Gruß
Manfred Schweidler, Main Post
Waren Sie schon mal in irgendeiner Form Prozessbeteiligter?
Anscheinend nein.
Es könnten noch mehr Menschen erkranken und das verzögert den Prozess.
Alles Gute für alle Beteiligten.