Im Prozess um die Messerattacke sind am Freitag weitere Zeugen zu Wort gekommen. Am Abend des 25. Juni 2021 hatte der damals 31-jährige Abdirahman J. in der Würzburger Innenstadt mit einem Messer drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren getötet. Weitere sechs Personen, darunter ein elfjähriges Mädchen, wurden schwer verletzt. Am fünften Verhandlungstag hörte das Würzburger Landgericht in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim (Lkr. Würzburg) eine Geschädigte, eine Polizistin und mehrere Passanten.
Unter ihnen der 20-jährige Zeitsoldat Elvis Dick, der an jenem Freitagnachmittag mit zwei Kollegen gerade am Barbarossaplatz aus der Sparkasse gekommen war und sah, wie der Täter vor dem Kaufhaus Woolworth von hinten auf eine Frau einstach. "Die ersten zwei Sekunden war es in meiner Welt still", sagt der Zeitsoldat vor Gericht. Vage erinnert er sich, aus der Richtung des Täters einen Ruf gehört zu haben: "Allahu Akbar" – Gott ist groß. Menschen hätten geschrien, er hätte andere Passanten laut aufgefordert, wegzurennen.
Ein Soldat beschreibt die Attacke als "hinterlistig"
Elvis Dick musste auch zusehen, wie der Täter einen Junge auf einer Parkbank angriff. Als "hinterlistig" bezeichnet er die Attacke. Und schildert, wie er sich sich eine rot-weiße Warnbake von einer Baustelle griff und damit auf den Täter einschlug, um ihn von anderen Passanten abzulenken. "Dann hat das Katz-und-Maus-Spiel angefangen", sagt der 20-Jährige. Zusammen mit anderen Umstehenden trieb er den Angreifer mit dem Messer vor sich her und warf mit Gegenständen nach ihm, darunter ein Fahrrad und eine Plastikflasche. Immer wieder sei der Täter mit gezücktem Messer auf sie zugesprungen. Sie wichen aus, rückten wieder vor und trieben ihn in die Enge.
Auf dem Weg zur Sparkasse sei er kurz vorher am Woolworth vorbeigelaufen – und habe nichts gehört, was darauf hätte schließen lassen, war im Kaufhaus passierte. Erst später habe er begriffen, dass die Frau, die er von der Sparkasse gegenüber aus dann sah, nicht das einzige Opfer war. "Während für die Leute vor Woolworth noch Friede-Freude-Eierkuchen war, hat er drinnen schon auf Leute eingestochen", sagt der Zeuge im Gerichtssaal mit Blick in Richtung Abdirahman J..
Wie der Täter bei seinen Angriffen auf ihn wirkte? Dick nimmt sich bei jeder Frage des Gerichts ein paar Sekunden Zeit für seine Antworten und überlegt. "Er war sich sicher in dem, was er tut", sagt der 20-Jährige dann. Der Mann habe "emotionslos" und "eiskalt" nach Menschen gesucht, die unterlegen erschienen, sagt der Zeitsoldat im Zeugenstand. Er selbst rannte am Barbarossaplatz zu einer Dönerbude in der Nähe, um sich zu bewaffnen. Als er mit einem Spieß zum Tatort zurückkam, sei gerade die Polizei eingetroffen und habe den Messerangreifer angeschossen.
Zeuge hatte den Eindruck einem "geisteskranken" Menschen gegenüberzustehen
Ein Kollege von Dick, auch Soldat, hatte sich dem Angreifer ebenfalls in den Weg gestellt. Er beschreibt den Blick des Somaliers als "hasserfüllt". Das habe sich geändert, nachdem der Mann angeschossen und festgenommen worden war. "Als er am Boden lag, sah er glücklich aus", sagt der Zeuge. Er habe den Eindruck gehabt, einen "geisteskranken" Menschen zu erleben.
Eine Polizistin, die als eine der ersten Einsatzkräfte am Tatort war, beschreibt vor Gericht, wie sich der Blick des Täters nach der Überwältigung von "Wahnsinn" zu "gleichgültig" veränderte. Der Somalier habe nach dem Schuss in den Oberschenkel die Arme zur Seite ausgestreckt und das Messer fallenlassen. "Wir hätten nicht besser reagieren können und nicht anders handeln können", sagt die Polizistin.
Zu Beginn des Verhandlungstags verfolgt der Somalier am Freitag das Geschehen im Saal mit wachem Blick. Gegen Mittag legt er immer wieder den Kopf auf den Tisch und verschränkt die Hände im Nacken.
Im Zeugenstand hört das Landgericht dann auch die Verkäuferin, die bei Woolworth Kunden warnte, sich in Sicherheit zu bringen. Und die sich selbst schützend vor das elfjähriges Mädchen gestellt hatte, das nach dem Tod seiner Mutter hilflos vor der Tür des Kaufhauses stand. Das Mädchen wurde von dem Täter schwer verletzt – die Verkäuferin, die es schützen wollte, auch. Der Angreifer stach ihr dreimal in Nacken und Rücken. Sie überlebte.
Junge Augenzeugin noch immer in Angst
Auch eine Schülerin hatte von der Sparkasse aus den Messerangriff beobachtet. Sie hatte gerade ihren Kontostand überprüfen wollen, als sie außen Schreie hörte und den Mann sah. Die Bilder davon verfolgten sie lange, berichtet sie vor Gericht. In den Wochen nach dem Angriff, vermied sie es völlig, ihr Zuhause zu verlassen. Auch heute noch geht sie nur in Begleitung vor die Tür.
Die Verhandlung wird voraussichtlich am kommenden Montag, 30. Mai, um 10 Uhr in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim fortgesetzt. Für den Prozess gegen den Messerangreifer sind insgesamt 27 Tage angesetzt.