Die 25-jährige Simone Strobel aus Rieden (Lkr. Würzburg) bricht zusammen mit ihrem Freund Tobias nach Australien auf. Geplant ist ein einjähriger Aufenthalt mit einem Work-Holiday-Visum.
26. Januar 2005
Die beiden Deutschen bekommen Besuch von Kathrin, der Schwester von Tobias, und Jens M., einem Studienfreund. Deren Rückflug ist für den 17. Februar 2005 vorgesehen.
Die Gruppe ist im Osten Australiens unterwegs, im Bundesstaat New South Wales. An diesem Tag kommt Simone Strobel mit ihren drei Begleitern rund 700 km nördlich von Sydney in der 40.000-Einwohner-Stadt Lismore auf dem Campingplatz an. Abends sind die vier in Kneipen unterwegs, was durch eine Überwachungskamera dokumentiert ist. Gegen 23.30 Uhr kehren sie zum Campingplatz zurück. Tobias will alleine im Van schlafen, es soll Streit gegeben haben. In der Nacht verschwindet Simone angeblich und kommt nicht wieder. Wer wann nach ihr gesucht haben will, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen.
Gegen 2 Uhr nachts wollen Zeugen einen Streit gehört haben, bei dem eine Frau etwas schrie, das so klang wie "Leave me alone": Lass mich in Ruhe. Das kam aus der Nähe vom späteren Fundort der Leiche.
Gegen 10.45 erscheinen Tobias und Jens auf der Polizeiwache und melden Simone als vermisst – nachdem sie auf dem Campingplatz bezahlt und ausgecheckt hatten. Im Laufe des Tages ruft Tobias bei Simones Eltern an und sagt: Simone sei verschwunden. Auf die Frage ihres Vaters Gustl Strobel, ob sie Streit gehabt hätten, sagt er: "Nein."
Gegen 22 Uhr: Die Polizei befragt Tobias zu seinem Verhältnis zu Simone. Er nennt es "eine sehr, sehr schöne Beziehung". Auch hier schweigt er über den tagelangen Streit zwischen Simone und ihm vor ihrem Verschwinden.
In Würzburg bestätigt die Staatsanwaltschaft, dass in Australien nach der vermissten 25-jährigen Simone gesucht wird. "Wir haben auf Bitten des deutschen Konsulats in Sydney die Ermittlungen bei den Eltern aufgenommen und über ihren Zahnarzt ihren Zahnstatus erfahren. Das Ergebnis wird in einer DNA-Analyse ausgewertet", sagt Polizeisprecher Wolfgang Glücker.
Über 100 Polizisten, Helfer und Hunde suchen die Umgebung des Campingplatzes in Lismore ab. Auf einem nahen Sportgelände finden sie eine nackte Frauenleiche, versteckt unter abgerissenen Palmzweigen. Simones Bruder sowie Onkel und Schwager fliegen nach Australien
Die Leiche wird in Australien obduziert.
Die Leiche wird anhand des zahnärztlichen Materials als Simone Strobel identifiziert. Es wird laut Würzburger Polizei von einem Tötungsdelikt ausgegangen. Am Fundort liegt mittlerweile ein Meer von Blumen, mit dem die Bevölkerung von Lismore ihrer Anteilnahme Ausdruck gibt.
Die Polizei sucht per Phantombild nach einem Zeugen, der etwas gesehen haben soll. Die Aktion wird ohne Erfolg bleiben. Hunderte Einwohner von Lismore gedenken am Fundort der Ermordeten.
Während sich die Polizei in Schweigen hüllt, tritt Simones trauernder Freund Tobias vor die australische Presse. Er bittet die Öffentlichkeit um Hilfe bei der Suche nach dem "blutig-bösen Monster", das verantwortlich für Simones Tod sei.
Die Familie hat den Leichnam nach Deutschland überführt. In einer bewegenden Trauerfeier wird Simone Strobel in ihrem Heimatort Rieden (Lkr. Würzburg) beigesetzt.
Die Ergebnisse der rechtsmedizinischen Untersuchung liegen vor. Über Einzelheiten hüllen sich die Ermittler in Schweigen.
Die Würzburger Staatsanwaltschaft bestätigt: Simones Freund Tobias ist unter Verdacht geraten, die junge Frau getötet zu haben.
Der Würzburger Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager und die Ermittlerin Susanne Grimm fliegen nach Australien, um sich vor Ort in Lismore über den Stand der Ermittlungen dort zu informieren.
In Lismore beginnt die Anhörung zu Simones Tod. Die Ermittler präsentieren ihre Ergebnisse. Jens M. reist als einziger der Reisegruppe nach Australien zurück, um eine Aussage zu machen. Darin beschuldigt er Tobias, Kathrin und ihn gezwungen zu haben, in ersten Vernehmungen über den Streit mit Simone zu schweigen.
Ein Reporter der australischen Zeitung "Daily Mail" spürt Tobias in Südafrika auf. Er hatte sich geweigert, zur Anhörung nach Lismore zurückzukehren. Im Wald hinter seiner Hütte hat er einen Schrein mit Andenken an Simone gebaut. Aber dem Reporter sagt er: Der Tag sei zu schön, um über Simones Tod zu reden.
Ein Team um den Würzburger Oberstaatsanwalt Erik Ohlenschlager recherchiert in Japan bei Zeugen, die ebenfalls auf dem Campingplatz in Lismore gewesen waren.
Simones Eltern, die bisher zu dem Fall öffentlich geschwiegen hatten, empfangen den Main-Post-Reporter Manfred Schweidler zu einem Gespräch. Darin äußern sie die Sorge, dass der Fall ihrer Tochter ungeklärt bleibt. Vater Gustl Strobel sagt: "Alles, was jetzt noch passiert, bringt Simone nicht wieder. Die Zeit spielt keine Rolle mehr. Aber wir wollen wissen, was passiert ist. Wichtig wäre, dass endlich ein Ende wäre – und wir nur noch trauern könnten."
Die Redaktion hört aus dem Heimatort von Tobias im Landkreis Main-Spessart: Er ist überraschend aus Südafrika zurück und will eine Australierin heiraten. Die Redaktion versucht, ihn zu einer Stellungnahme zu bekommen, doch der Reporter wird aufgefordert, das Grundstück der Familie zu verlassen.
Standesamtliche Hochzeit von Tobias mit Samantha auf Schloss Saaleck bei Hammelburg mit etwa 50 Gästen. Wegen der vor der Burg lauernden Reporter verlässt das Brautpaar die Feier heimlich durch den Hinterausgang. Er nimmt den Namen seiner Frau an: Aus Tobias S. wird Tobias M.
Tobias wird am Bahnhof in Schweinfurt verhaftet, als er einen Drogenkurier abholt. Der sollte ihm 200 Gramm Marihuana für die Hochzeitsfeier bringen. Der Haftbefehl wird außer Vollzug gesetzt, damit der Bräutigam heiraten kann.
Kirchliche Hochzeit von Tobias und Samantha in seinem Heimatort im Landkreis Main-Spessart.
Das Amtsgericht Würzburg verurteilt Tobias wegen des Drogenhandels im Juni zu 22 Monaten auf Bewährung.
Die Ermittler geben nicht auf – und nehmen nach neun Jahren einen weiteren Anlauf, um den Fall zu klären: Ermittlungsbehörden in Würzburg setzen 10.000 Euro Belohnung zur Lösung des Falles aus.
In Australien erscheint das Buch: "Haben Sie Simone gesehen?" von Virginia Peters, nachdem die Autorin Interviews mit Tobias und seiner Frau, seinen Eltern und Simones Eltern geführt hat. Peters äußert darin klar den Verdacht, Tobias könnte für Simons Tod verantwortlich sein.
Simones Vater Gustl ist zu Gast in der RTL-Fernsehsendung "Stern-TV" bei Steffen Hallaschka und ermuntert die Ermittler, nicht aufzugeben.
Die australische Polizei beschlagnahmt in Tobias' Haus in Perth 100 Seiten mit Notizen zu dem Fall. Der Verdächtige war bereits vor Jahren zusammen mit seiner Ehefrau nach Australien zurückgekehrt und lebt in der Millionenstadt an der Südwestküste. Der Würzburger Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen sagt ein Jahr später: Die Papiere hätten nichts enthalten, was die Ermittler noch nicht wussten.
Der Oberste Gerichtshof von Westaustralien schmettert die Klage von Tobias über eine Million Dollar gegen Virginia Peters und ihr Buch ab. Tobias muss ihr 120.000 Euro Gerichtskosten erstatten.
Die Behörden in Australien setzen im ungeklärten Mordfall Simone Strobel eine Belohnung von einer Million australischer Dollar für den entscheidenden Tipp aus.
In Australien soll eine zweite Untersuchung mit allen neuen Beweisen beginnen. Als der erwartete Zeuge Jens M. aus Unterfranken nicht anreist, wird sie auf unbekannte Zeit verschoben.
Nach kritischen Berichten zum Todestag von Simone, die Polizei würde mit ihren Ermittlungen auf der Stelle treten, reagiert der zuständige Polizeichef Scott Tanner in Australien: Er sagt, die Ermittlungen seien in einer "heiklen" Phase. "Es ist unsere oberste Priorität, diesen Mord aufzuklären. Es vergeht kein Tag, an dem die Polizei nicht daran arbeitet." Und er gibt in Lismore ein Versprechen, das bis Rieden gehört wird: "Wir werden nicht aufhören, bis wir ein Ergebnis haben."
Tobias M. wird in seinem Haus in Perth festgenommen und nach Sydney geflogen. Ihm wird eröffnet, dass er wegen Mordes an seiner Freundin angeklagt werden soll.
Auf einer Pressekonferenz in Lismore gibt Polizeichef Scott Tanner bekannt, dass er auch die Festnahme der beiden weiteren Reisebegleiter von Simone in Deutschland fordert. Staatsanwaltschaft und Polizei in Würzburg sagen: Ihnen liegt bislang kein Antrag aus Australien vor.
Ein Gericht in Sydney entscheidet, dass Tobias bis zum Gerichtstermin auf Kaution freikommt. Die Staatsanwaltschaft legt Berufung ein und wollte den Obersten Gerichtshof anrufen. Nach wenigen Stunden dann die Wende: Tobias M. darf bis zum derzeit noch unbestimmten Gerichtstermin gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 450.000 Dollar die Zelle verlassen.
Die Staatsanwaltschaft Würzburg geht in die Offensive, nachdem das angekündigte Auslieferungsbegehren der Australier seit acht Wochen auf sich warten lässt. Man habe nun selbst ein Rechtshilfeersuchen mit der Frage zum Stand der Ermittlungen nach Australien geschickt, gibt Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach bekannt.
Die Staatsanwaltschaft übergibt in Lismore eine Liste der ihr vorliegenden Beweise für das Gerichtverfahren. Die Verteidigung spricht davon, das sei "nichts neues". Sie hat nun fünf Wochen Zeit, dazu Stellung zu nehmen. Inzwischen ist von einem Gerichtstermin Ende 2024 die Rede.
Nachdem sich vor Gericht die Eröffnung des Verfahrens immer weiter verzögert, geht die Verteidigung in die Offensive: Sie verlangt die Einstellung des Verfahrens gegen Tobias M..
Mühsam schleppt sich das Gericht in Lismore von Erörterungstermin zu Erörterungstermin. Damit eine spätere Jury nicht beeinflusst werden kann, wird eine Art Zensur über die Details der jeweiligen Termine verhängt. Australische Medien dürfen zeitweise nicht berichten, zeitweise gibt s auch keine lohnenden Nachrichten.
Die Staatsanwaltschaft zieht ihre Anklage zurück. Damit ist der Prozess um den Mordfall Simone Strobel geplatzt. Tobias M.s Frau Samantha gibt ein Interview, in dem sie dem Eindruck widerspricht, ihr Mann denke nicht mehr an Simone.
Simone Strobels Familie macht in Rieden aus ihrer Enttäuschung keinen Hehl. Sie appellieren an die Ermittler, ihre Anstrengungen zur Aufklärung fortzusetzen.
Tobias macht vor Gericht seine Kosten zu seiner Verteidigung geltend.
Das Gericht spricht Tobias M. 190.000 Dollar als Entschädigung zu, zu zahlen bis 8. November.
Man erkennt dabei so richtig dieses Drama, eigentlich für alle Beteiligten, insbesondere aber für Familie Strobel u. für Simone sowieso.
Und das alles nur, weil zwei (evtl. auch drei) beteiligten Personen jegliches Gefühl für Verantwortung fehlt.
Es ist eigentlich nicht zu fassen, eine Katastrophe, durchaus für beide Familien.
Manfred Schweidler, Main Post