Ermittler in Australien und Würzburg sind davon überzeugt, dass er mit Simones Tod zu tun hat. Sie listen eine Reihe von Fakten dafür auf. Doch alle Indizien reichen für einen Anklage bisher nicht aus. Tobias sagt nur, er sei unschuldig – aber er liefert seit zwölf Jahren keine Erklärung darüber hinaus.
Führen die 100 Seiten zur Wahrheit?
Er schweigt gegenüber Simones Eltern Gabi und Gustl Strobel, gegenüber den Ermittlern in Würzburg und Australien, auch gegenüber Journalisten, die ihm Gelegenheit geben, seine Sicht der Dinge zu schildern. Er weigerte sich, 2007 zu einer offiziellen Anhörung über den Stand der Ermittlungen nach Australien zurückzukommen und auszusagen.
Aber zwölf Jahre später könnte seine Version der Ereignisse doch noch publik werden – wenn Ermittler ein 100-Seiten Dokument auswerten dürfen, das sie vor kurzem beschlagnahmten. Der heute in Australien verheiratete Unterfranke hat nämlich mit seiner juristisch geschulten Frau schon vor sechs Jahren insgeheim den Indizien, die gegen ihn sprechen, seine Sicht der Dinge entgegen gestellt – in einem Dokument von 100 Seiten.
Völlig neu ist die Existenz der Verteidigungsschrift nicht. 2011 hatte Tobias die australische Autorin Virginia Peters zum Interview empfangen. Die recherchierte da schon länger für ein Buch zum Tod Simone Strobels mit dem Titel „Haben Sie Simone gesehen?“
Das einzige Interview
Im Unterschied zu Tobias hatte sie die Anhörung zu den Untersuchungen zu Simones Tod 2007 besucht. Sie flog nach Europa, sprach mit Angehörigen, Ermittlern, Journalisten - und schaffte es schließlich mit großer Überzeugungskraft, dass auch Tobias sie empfing. In ihrem 2014 erschienen Buch kann man auf mehreren Seiten lesen: Er tat sich im Gespräch mit ihr schwer, sich an Einzelheiten der sechs Jahre zurück liegenden Ereignisse zu erinnern. Also stützte er sich in dem stundenlangen Gespräch auf das 100 Seiten umfassende Dokument, das seine Version der Ereignisse in Lismore 2005 auflistet.
Schon Jahre vorher in Südafrika habe er begonnen, insgeheim an seiner Verteidigung zu arbeiten, erzählte er. „Meine Frau und ich beschlossen, dass ich aktive Schritte unternehmen sollte, um meinen Namen reinzuwaschen,“ erklärte er dem Obersten Gerichtshof von West Australien. Denn inzwischen geht Tobias juristisch gegen das Buch vor, das – wie die Polizei in Lismore, der Richter der Anhörung von 2007, die Würzburger Kripo und Staatsanwaltschaft sowie Simones Eltern – den Verdacht äußert: Tobias weiß über den Tod Simones mehr, als er sagt.
Richter Kenneth Martin entschied laut australischen Medienberichten: Die Indizien rechtfertigen es, Tobias als Verdächtigen zu bezeichnen. Er verweigerte eine einstweilige Verfügung gegen den Tenor des Buches.
Klein beigeben oder klagen
Nun hat Tobias M. zwei Alternativen: klein beigeben und mit dem Verdacht leben – oder einen Verleumdungs-Prozess führen. Sein Risiko: Wenn er all die Indizien für falsch hält, die im Buch gegen ihn sprechen, müsste er mit einer eigenen Version gegenhalten. Das hieße: sein Schweigen brechen und endlich sagen, was aus seiner Sicht passiert ist, in jener Nacht des 11. Februar 2005 auf dem Campingplatz in Lismore. Darauf hoffen Simones Eltern Gabi und Gustl Strobel seit Jahren.
Die Autorin Virginia Peters will sich mit Blick auf die laufenden Gespräche vor Gericht derzeit nicht äußern. Sie verweist auf das Buch, in dem seitenweise von der Verteidigungsschrift die Rede ist. Das Gericht würde jene 100 Seiten gerne ins Verfahren einführen – und die neue Familie von Tobias kündigte gar an, er werde selbst in naher Zukunft an die Öffentlichkeit gehen. Doch davon ist inzwischen nicht mehr die Rede.
Tobias verweigert jetzt die Herausgabe der Dokumente. „Ich fürchte, ich könnte mich damit selbst belasten,“ argumentierte er laut der Tageszeitung „The Australian“ vor Gericht: „Ich fürchte, dass ich angeklagt werden darf in einem Fall, der auf Indizien aufgebaut ist.“ Er habe das Recht, sich nicht selbst zu belasten. Daher verweigere er die Herausgabe des 100-Seiten-Dokuments.
Kein Kommentar zu Durchsuchung
Dies hat in Würzburg und Australien Ermittler hellhörig gemacht, die nach wie vor Simones Tod aufklären wollen. Deshalb wurde Anfang Februar das Strandhaus von Tobias und ein Büro in Perth nach den Dokumenten durchsucht.
Grundlage war laut australischen Medien „ein auswärtiger Durchsuchungsbeschluss“. Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen, der in Würzburg die Ermittlungen leitet, sagte auf Anfrage: Die Akte sei zum Tod von Simone Strobel nicht geschlossen und Tobias der Verdächtige. Er wisse von dem 100-Seiten-Dokument, aber es gebe kein aktuelles Rechtshilfeersuchen aus Würzburg.
Anwalt Peter Auffermann vertritt hier die Rechte von Tobias. Er hatte bereits vor geraumer Zeit bei der Staatsanwaltschaft angeregt, die Ermittlungen gegen Tobias zu beenden. Er sagte auf unsere Anfrage: Sein Mandant werde sich derzeit zum Fall nicht äußern.
Ermittler sind erstaunt
Die Ermittler dürfen die beschlagnahmten Dokumente einstweilen nicht auswerten, bis ein Gericht entschieden hat. Sie sind unter Verschluss. Fallen sie unter die schutzwürdige Privatsphäre von Tobias, unterliegen sie einem Verwertungsverbot. „Aber wir wundern uns, warum er plötzlich fürchtet, sich durch ein Dokument zu belasten, das er zu seiner Entlastung geschrieben hat,“ sagt kopfschüttelnd ein Ermittler.
Simones Eltern hoffen noch immer, die Wahrheit über den Tod ihrer Tochter zu erfahren: „Solange das nicht geklärt wird, ist es gut, dass immer wieder öffentlich daran erinnert wird,“ sagt Simones Vater Gustl Strobel.
Hoffentlich hat dieser Typ keine ruhige Nacht mehr und zerbricht an dem, was er nicht preisgeben will, wenn man ihm schon rechtlich nicht zur Verantwortung ziehen kann.