
Große Erwartungen hatte die Justiz in Australien genährt: Eine Millionen-Belohnung verspricht sie seit Herbst 2020 demjenigen, der entscheidende Hinweise zur Aufklärung des gewaltsamen Todes von Simone Strobel aus Unterfranken liefert. In diesem Februar sollten in einer öffentlichen Voruntersuchung jetzt in Lismore in New South Wales neue Beweise präsentiert und Zeugen gehört werden. Das Ziel: das Verbrechen an der Urlauberin aus dem Raum Würzburg nach 16 Jahren doch noch zu klären.
Leiche unter Palmzweigen versteckt
Der Fall erregt international hohe Aufmerksamkeit: Die 25-Jährige war während einer Reise am 11. Februar 2005 – angeblich nach einem Streit mit drei Mitreisenden aus Unterfranken – vom Campingplatz in Lismore nachts verschwunden. Fünf Tage später wurde auf einem nahen Sportgelände ihre Leiche entdeckt, notdürftig unter abgerissenen Palmzweigen versteckt.

Fast auf den Tag genau nach 16 Jahren sollten die Ermittlungen wieder Fahrt aufnehmen, mit neuen Indizien und neuen Aussagen. Doch kurz vor dem Auftakt der Anhörung am 15. Februar teilte das Gericht jetzt auf Anfrage mit: Sie sei "auf einen bisher unbekannten Zeitpunkt verschoben".
Weitere Nachforschungen
Eine offizielle Begründung dafür gab es nicht. In Ermittlerkreisen in Unterfranken heißt es, zunächst seien weitere Nachforschungen nötig – und man habe vielleicht zu optimistisch auf neue Aussagen eines Kronzeugen aus Simone Strobels Reisegruppe gehofft.
Simones drei Reisebegleiter - ihr Freund Tobias, seine Schwester Katrin und Jens M. – hatten 15 Jahre lang unter Verdacht gestanden, in ihren Tod verwickelt zu sein. Im vergangenen Herbst hatte Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach in Würzburg dann überraschend das Verfahren gegen Jens M. eingestellt. Er war nun plötzlich Zeuge.
Belohnung lockt Zeugen offenbar nicht
Was weiß der Mann, der wieder in der Region lebt, über Simones Tod? Hat er bei seiner ersten Anhörung im Jahr 2007 etwas noch nicht verraten? Einer Freundin zufolge "quälen ihn die Erinnerungen fürchterlich". Die beiden anderen Mitreisenden verweigern zu dem Fall jede Auskunft.
Ob Jens M. die Belohnung von einer Million australischer Dollar locken kann, sein Schweigen zu brechen, bezweifelt sein Anwalt Reinhart Stumpf: „Er ist nicht der Typ, dem Geld viel bedeutet. Und er sagt, er weiß tatsächlich nicht mehr. Warum soll er jetzt etwas erfinden?“
Keine Vernehmung vor Ort oder per Video
Ob Jens M. bereit ist, für eine Zeugenaussage erneut nach Australien zu reisen? Wohl nicht, sagt der Anwalt nach Rücksprache mit seinem Mandanten. In Corona-Zeiten wäre dies auch nicht einfach. Auch eine Vernehmung per Video - von Unterfranken aus - wolle er nicht, lässt M. erkennen.
Dabei setzte die Polizei viel Hoffnung auf ihn. Unseren Recherchen zufolge gab es - während es in dem Fall offiziell scheinbar keine Bewegung gab - insgeheim bis zuletzt Bemühungen Würzburger Ermittler, von Jens M. mehr Informationen für die australischen Kollegen zu bekommen. 2018 und 2019 gab es in Würzburg Vernehmungen. Wie die Redaktion erfuhr, besuchten etwa zur gleichen Zeit australische Mordermittler ihre Kollegen hier, um das weitere Vorgehen zu koordinieren.
DNA-Spur jetzt identifizierbar?
Spannend war auch ein weiteres Detail: Die Leiche der jungen Frau war unter Palmwedeln verborgen gewesen, auf denen der Täter beim Abreißen vom Baum Spuren hinterlassen haben könnte. Auf der Liste der Beweise, die bei der Anhörung nun präsentiert werden sollten, stehen den Unterlagen zufolge, die der Redaktion vorliegen, auch "DNA-Ergebnisse von Tatort-Beweis-Stücken, darunter die Palmwedel, die Simones Körper bedeckten".
2005 waren die DNA-Spuren mit den damaligen Methoden noch nicht sicher auswertbar. Doch inzwischen hat die Wissenschaft bedeutende Fortschritte gemacht. Andererseits sagt ein hiesiger Mordermittler mit jahrzehntelanger Erfahrung auch in diesem Fall: "Wenn sie etwas wirklich Belastendes entdeckt hätten, wäre Simones Freund längst in U-Haft."
War der Täter ein ganz anderer?
Der weiter unter Verdacht stehende Ex-Freund von Simone "bemüht sich mit eigenen Recherchen, zur Aufklärung beizutragen", sagt dessen Würzburger Anwalt Peter Auffermann auf Anfrage. Es habe in Australien zu Beginn schlampige und lückenhafte Ermittlungen gegeben, es seien auch ein ganz anderer Tatablauf und völlig andere Verdächtige denkbar.
Die erste Phase der Anhörung in Lismore war vom 15. bis 19. Februar geplant, die zweite mit den Zeugen wie Jens M. später. Am Bedarf dafür hat sich nach Einschätzung der australischen Justiz nichts geändert. In der Einladung des Bundesstaates New South Wales steht: Untersuchungsrichterin Teresa O’Sullivan sei überzeugt, dass "die Entdeckung neuer Beweise und Tatsachen es erforderlich machen, eine neue Untersuchung durchzuführen".