Als vor sieben Jahren die amerikanischen Soldaten den Standort Schweinfurt verließen, war das zwar mit Wehmut nach Jahrzehnten der guten Zusammenarbeit verbunden. Aber auch mit einer großen Chance: Gestalten statt verwalten, hieß es auf einmal für Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU), damals vier Jahre im Amt. Rund 80 Hektar Konversionsgelände bekam die Stadt quasi über Nacht, die Wohngebiete Askren Manor und Yorktown/Kessler Field sowie die alte Ledward Kaserne. Die Zukunft Schweinfurts, sie schien glänzend zu sein.
Im Winter 2021 hat sich die Stimmung gedreht. Aus dem Rumoren im Hintergrund über Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und die Art, wie er die Stadt führt, ist mittlerweile ein Donnergrollen geworden. Ob der jahrelange Streit um die Landesgartenschau, die Debatte um die Handhabung der Corona-Pandemie, die Probleme im Maintal mit den Grundstückspreisen der Stadt, der Skandal um den früheren Theaterleiter oder das erst vor einigen Wochen eingestellte Verfahren gegen eine weitere Führungskraft wegen mutmaßlicher Strafvereitelung: Der Ruf der Stadt hat massiv gelitten.
Wo steht Schweinfurt nach elf Jahren Remelé? Im Vergleich zu den Mühen, die der Landkreis mit der Nutzung der früheren Conn Barrack in Geldersheim als Gewerbestandort hat, ist die Konversion in Schweinfurt wahrlich rasant voran geschritten: In Bellevue wohnen schon die ersten Menschen, in Yorktown auch, im Kessler Field soll ein Klimadorf entstehen, in der Ledward Kaserne hat die Fachhochschule einen neuen Standort und 2026 kommt die Landesgartenschau. Wäre man PR-Texter für den OB, man wüsste, worauf man den Schwerpunkt legt.
Doch wie sieht es mit den Projekten in der Innenstadt aus? Wie weit ist man mit tatsächlichen Projekten für mehr Klimaschutz? Wie sieht es in der Verwaltung aus? Wie ist die Stimmung wirklich?
Im Kommunalwahlkampf im Herbst 2019 sagte Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) bei der Nominierung der CSU-Liste einen Satz, der sein Wesen gut beschreibt und den er heute wahrscheinlich genau so sagen würde: "Wir sind die bürgerliche Mitte, die Sie mit Maß in die Zukunft führt, jenseits apokalyptischer Ängste und politischem Fanatismus." Maß und Mitte. Die Politik der ruhigen Hand. Wenn man es positiv sieht.
Bei der gleichen Veranstaltung erhob der CSU-Fraktionsvorsitzende Stefan Funk den Anspruch, man wolle weiter "die geistige Führung in dieser Stadt übernehmen". Das war nicht im Sinne von überlegenem Konservatismus gemeint, sondern im Sinne von: Die CSU hat die richtigen Ideen, um Schweinfurt zukunftsfähig zu machen, um "Ökologie und Ökonomie zu versöhnen", wie Sebastian Remelé es nennt. Gleichwohl: Andere Regionen in Unterfranken haben die Zeichen der Zeit erkannt.
Würzburg ist längst keine behäbige Beamtenstadt mehr, die Oberzentren Bad Kissingen und Bad Neustadt positionieren sich als Gesundheitszentren und Elektromobilitäts-Stadt – gegen Schweinfurt, wo ein Teil der großen Industriebetriebe an der Elektromobilitäts-Wende mitarbeitet. Wofür steht Schweinfurt im Wettbewerb der Regionen? Klare Antworten, aus denen sich eine Vision für die Zukunft der Stadt ableiten lässt, gibt die Remelé-Politik bisher nicht.
Etwas mehr als zwei Jahre nach der Wahlkampfveranstaltung 2019 ist der Führungsanspruch der CSU arg gerupft: Bei der Kommunalwahl im März 2020 verlor man vier Mandate auf jetzt 17 statt 21 im Stadtrat. Ohne Koalition mit den Grünen gäbe es keine gesicherte Mehrheit mehr. Seit mehr als 18 Monaten ist die Stadt wie tausende andere Kommunen deutschlandweit Getriebene im Bekämpfen der Corona-Pandemie. Doch vor allem die Skandale aus dem Jahr 2021 verschammerierten das Image der Stadt, wie es der Schweinfurter so schön nennt. Die Frage stellt sich, ob der OB diese tiefen Kratzer kitten kann. Es stellt sich aber auch die Frage, ob er die Kratzer überhaupt als solche definiert.
Projekte in der Innenstadt lassen Jahre auf sich warten
"Die Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn man sie selbst gestaltet." Diesen Satz des amerikanischen Programmierers Alan Kay zitierte Wirtschaftsförderin Pia Jost kürzlich im Stadtrat in anderem Zusammenhang. Im Bezug auf die Konversion stimmt das, doch richtet man den Scheinwerfer auf die anderen Projekte in der Stadt, trübt sich das Bild ein.
Während im Westen Schweinfurts kräftig gebuddelt und gebaut wird, scheint die Innenstadt im Dornröschenschlaf. Projekte dort kommen kaum voran: Die Eröffnung des Kulturforums am Martin-Luther-Platz soll 2025 stattfinden, neun Jahre nach der ersten Präsentation der Idee durch den OB im Sommer 2016. Die Händler fühlen sich allein gelassen angesichts der Auswirkungen der Corona-Pandemie und massiver struktureller Probleme der Innenstadt. Das Thema Sanierung oder Neubau des Friederike-Schäfer-Heims lässt vor allem die CSU-Fraktion mit den Augen rollen.
Der Streit um die unausgegorene Idee im Herbst 2019, das Heim anstelle des Rückertbaus am Martin-Luther-Platz neu zu bauen, ist aus Sicht vieler CSUler die Hauptursache für die Wahlniederlage der Christsozialen. Zu verantworten hatten das Sebastian Remelé und Sozialreferent Jürgen Montag. Die Neubaupläne sind alle wieder einkassiert, das Heim soll im Bestand saniert werden. Wann? Völlig offen.
Bei den Haushaltsberatungen im November kam das Thema Personalmangel in der Verwaltung aufs Tableau. Sebastian Remelé mahnte dabei – zu Recht – "dass zuerst die vom Stadtrat gestellten Hausaufgaben abgearbeitet werden, bevor es neue Projekte gibt". Hintergrund ist vor allem die überlastete Bauabteilung von Baureferent Ralf Brettin. Explizit erwähnte der OB dabei, dass der Stadtrat die Landesgartenschau und die damit verbundenen Korrespondenzprojekte beschlossen habe. "Mehr geht nicht", brachte er es auf den Punkt.
Eine erstaunliche Bemerkung gegenüber Kritikern im Stadtrat. Denn der OB erwähnte nicht, dass er es selbst war, der jahrelang dafür kämpfte, gerade ein Großprojekt wie die Landesgartenschau durchzusetzen. Selbst, nachdem die Schweinfurter Bürger im Januar 2019 den Ratsentscheid für einen Bürgerpark mit Landesgartenschau mit deutlicher Mehrheit ablehnten.
Da das nötige Quorum nicht erreicht wurde, konnte der Oberbürgermeister formaljuristisch korrekt den bestehenden Landesgartenschau-Beschluss des Stadtrates weiter aufrecht erhalten. Nach der Kommunalwahl drängten die Grünen darauf, dass das so genannte Grüne Band durch die Stadt bis 2026 mitgemacht wird, Ausstiegsszenarien wurden in den Vertrag eingebaut. Das Arbeitsvolumen ist dadurch nicht kleiner geworden.
Stimmung unter den Beschäftigen im Rathaus gedrückt
Längst ist es so, dass nicht nur die Oppositions-Parteien das Wirken des Oberbürgermeisters kritisch sehen. Auch in Teilen der schwarz-grünen Koalition wächst das Unverständnis, wie vertrauliche Gespräche mit dieser Redaktion zeigen – wegen des nicht enden wollenden Skandals um den gekündigten und wegen Untreue verurteilten früheren Theaterleiters, wegen der Art, wie der Fall "Maintal" gehandhabt wird, bei dem es um Nachforderungen bei früheren Grundstücksgeschäften gegenüber Firmenbesitzern geht. Und auch, weil man sich in Sachen Klimaschutz ein schnelleres und energischeres Vorgehen erhofft hatte.
Dazu kommt, dass es bei Beschäftigten im Rathaus durchaus Verwunderung über die Amtsführung Remelés gibt, der auch als Personalreferent fungiert. Der Skandal um den Theaterleiter ist nicht das erste Problem in seiner seit 2010 andauernden Ägide, was der Fall des früheren Personalamtsleiters, des früheren Leiters der Stadtwerke oder der Leiterin des Museums Georg Schäfer exemplarisch zeigen. Mitarbeiter, die mit dem OB zu tun haben, beschreiben die Zusammenarbeit mit einem Vorgesetzten als schwierig, den man immer wieder als beratungsresistent empfindet und der getroffene Entscheidungen oftmals wieder ändert. Die Art, wie über den OB gesprochen wird, hat ein erstaunliches Maß angenommen.
Auch im Stadtrat gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Situationen, in denen Remelé die von ihm selbst am liebsten gewählte Rolle des Moderators verließ und er persönlich wurde, wenn er sich angegriffen fühlte: Gegenüber Stadträtin Ulrike Schneider (Zukunft./ödp) bei Umweltschutz-Themen und jüngst in der Jahresschlusssitzung sowie gegenüber Stadtrat Frank Firsching (Linke) bei Nachfragen zum Theaterleiter-Skandal oder dem Thema Bürgerbegehren "Bezahlbar wohnen in Schweinfurt".
Grundsätzlich hat der OB eine andere Sichtweise auf die Arbeit des Stadtrates als dieser selbst: Für ihn sind die Mitglieder Teil der Verwaltung, nicht Teil eines parlamentsartigen Gremiums, das vorgibt, was die Verwaltung zu tun hat. Verwalter statt Gestalter, zugespitzt formuliert.
Im Wahlkampf gab Remelé dieser Redaktion ein Interview, aus dem man viel über sein Selbstverständnis herauslesen konnte. Die schon damals geübte Kritik an mutmaßlichem Stillstand in der Entwicklung der Stadt konterte er so: "Wenn ich die vielen Aufbrüche bei der Konversion oder in der Innenstadt sehe, sage ich, dass wir in Schweinfurt unsere Chancen gut genutzt haben. Ich konnte mit meiner sehr effizienten Verwaltung Vieles entwickeln. Ich würde sagen, unsere Bilanz ist sehr gut."
"Mut, Maß und Mitte" war damals sein Slogan, den er auch heute noch lebt. Seine Gegner würden es als phlegmatisch bezeichnen, er selbst sieht die Vorwürfe entspannt aus der Position eines Politikers, der zum damaligen Zeitpunkt etwas mehr als neun Jahre im Amt war: "Wenn es darum geht, wo wir wann wie hätten schneller sein müssen, wird es meist oberflächlich. Ich gehe damit gelassen um, da ich erlebe, was unsere Verwaltung hier tagtäglich schafft. Es gibt keinen Bereich des städtischen Handelns, wo wir nicht engagiert wären. Wir haben eher das Problem, all die Dinge, die wir geplant haben, umzusetzen, weil uns teilweise das Personal fehlt."
Sebastian Remelé sieht sich und seine Arbeit so: "Ich habe bewiesen, dass ich dieses Amt ausführen kann." Eine Person aus dem konservativen Milieu, die es gut mit dem OB meint und nicht in die Tagespolitik involviert ist, hat da eine andere Sicht von außen: "Es fehlt der nötige Biss."
Zitat:
ich kenne viele Städte und würde behaupten, dass ich mich in kaum einer davon wohl fühle. Jede Stadt ist unterschiedlich aber vieles ist doch irgendwie auch gleich."
Man darf sogar noch erweitern, Städte haben in der Summe mehr Probleme als Lösungen.
Man kann sagen, Städte funktionieren nicht.
Deshalb ist es mühsam darüber zu diskutieren welche Stadt besser ist!
Ein guter Ratschlag wäre aber, wenn die Städte regionaler denken würden.
Macht es wirklich Sinn
• neue Wohnungen zu bauen und damit den in den umliegenden Dörfern bestehenden Leerstand noch zu verschärfen?
• die Steigerwaldbahn zu fordern (die Bevölkerung, die die Bahn nicht will soll in die Stadt kommen), aber selbst finanziell nichts dazu beitragen zu wollen?
• den Menschen im Steigerwald aus der Ferne zu sagen was sie alles falsch gemacht haben, aber im gleichen Atemzug diesen Wald unter Naturschutz stellen zu wollen?
Fazit:
Städte funktionieren nur mit der Region!
Das was manche Städte besonders liebenswert und schön macht kann man sich eben anderswo nicht mit allem Geld der Welt kaufen! Dazu zähle ich eine besonders schöne landschaftliche Umgebung oder z.B. einen gut erhaltenen Stadtkern, eine Kurstadt oder eine "junge Stadt" was oft kleinere Universitätsstädte auszeichnet.
Schweinfurt ist alles in allem wie so viele weitere Städte eben Mittelmaß, ich finde das aber nicht sonderlich schlimm. Prestigeobjekte wie von Andy25 gibt es eigentlich in jeder Stadt ein paar, ebenso liebevoll sanierte Altstadtquartiere oder ein paar übrige historische Bauten. Mit einer derartigen Industrie wie sie in SW vorherrscht können zwar wenige vergleichbar große Städte punkten aber ob dies dazu beiträgt damit man besonders gerne in SW aufhält wage ich zu bezweifeln (abgesehen von den Arbeitsplätzen).
Dazu habe ich in und um Schweinfurt zu viele negative Erfahrungen gemacht, welches sich über Generationen hinzieht. Jeder Landstrich hat so seine speziellen Bewohner, aber Schweinfurt hat für mich nichts, was mich längerfristig zum Verweilen einlädt. Selbst die Gastronomie, bis auf zwei oder drei Ausnahmen, reisst mich nicht vom Hocker. Da fahr ich lieber woanders hin, wo dann weniger Kennzeichen mit SW vor der Tür parken...
Aber auch im Westen wenig Neues:
In Askren Manor wurden ca. 600 mögliche Sozialwohnungen abgerissen!
Die LGS ist nur grüne Schminke, ohne Wert für die Stadtentwicklung und großer Bremsklotz, der Personal & Gelder bindet, wodurch viel wichtigere Dinge weder von OB Remelé erkannt noch angegengen werden: SW hat keine EFH-, Industrie- und fast keine Gewerbegrundstücke mehr. Und man tut nichts, das jetzt anzugehen, was ja immer noch viele Jahre dauern würde, bis sie angeboten werden könnten! Wie soll sich da die Stadt wirtschaftlich und finanziell weiterentwickeln? Das Ausweichen in den Landkreis führt zudem zu Zersiedelung & längeren Wegen, mit vielen ökologischen Nachteilen!
OB Remelé hat sich mit der LGS komplett verrannt und glaubt, bei einer Absage das Gesicht zu verlieren. Sogar den Neubau der maroden Maxbrücke will er deshalb verschieben. Prestigeprojekte machen offensichtlich blind, sowie die PKW-Maut der CSU.
Wir alle wollen unsere Stadt mit gestalten und werden das im Kleinen auch bewirken können!
Wir brauchen und wollen keine Prestigeobjekte - wir wollen eine alltagstaugliche, lebenswerte Innenstadt!
Schweinfurt ist und bleibt eine Malocherstadt. Mit all deren Nachteilen, die über die Jahre nie besser geworden sind. Diese Stadt hat sich seit meiner Kindheit nicht positiv verändert. Im Gegenteil: für mich und viele meiner Bekannten hässlich und unsortiert. Nichts für unser Verständnis und unseren Bedarf. Da gibt es wesentlich bessere Alternativen. Da darf sich keiner wundern....
Nichts gesehen oder gehört vom Wirken OB Griesers? Ich empfehle Ihnen einen Besuch im Museum-Georg-Schäfer, der Stadtbücherei im Ebracher Hof, der Kunsthalle oder einen Bummel entlang der Ringanlagen am Unteren Wall. Oder auch durch die Hinterlassenschaften ihres Vorgängers OB Petzold: liebevoll sanierte Altstadtquartiere Zürch, Schrotturm, Fischerrain. Oder eine Fahrt durchs Industriegebiet, mit Entwicklungszentren von ZF oder mit futuristischer Architektur von FMC & SKF (Großlagerzentrum). Aus dem "Malocher" von gestern wurde der Entwickler von heute. Zudem wären ohne "Malocherstädte" die Lichter in Beamten- und Unistädten schon längst aus, die von öffentlichen Zuwendungen leben.
Der Kommentar zeigt aber auch, dass sich nach Grieser ein Schatten über die Stadt gelegt hat, der offensichtlich alles überdeckt und selbst das viele Gute vergessen macht.