"Ganz Schweinfurt ist mein Lieblingsort", hatte Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) erklärt, als er gebeten wurde, einen Ort für ein Treffen vorzuschlagen. Also hatte er die Idee für eine Busfahrt durch Schweinfurt. Heraus kam ein intensives zweistündiges Gespräch, in dem Remelé gut gelaunt und offen über seine bisher zehn Jahre im Amt sprach, dass es auch Fehleinschätzungen gab und welche Ziele er für die nächsten sechs Jahre verwirklichen möchte.
Sebastian Remelé: Ich denke, er hat sich deutlich verbessert. Wir haben zum Beispiel nur Niederflurbusse, die den barrierefreien Zugang ermöglichen. Wir haben alle Bushäuschen in den letzten zehn Jahren erneuert, das E-Ticket, in allen Bussen digitale Anzeigentafeln, das engste Haltestellennetz Deutschlands. Das wird im Wahlkampf aus mir unerfindlichen Gründen belächelt, aber für einen Rentner spielt es eine Rolle, ob er 50 Meter laufen muss oder 400. Wir haben sehr günstige Tarife im Vergleich zu Städten gleicher Größe und eine gute Taktung. Unterm Strich: Wir haben einen guten ÖPNV, auch wenn es kein System gibt, das nicht weiterentwickelt werden könnte. Unser gemeinsamer Nahverkehrsbeauftragter von Stadt und Landkreis Schweinfurt, Michael Graber, sagt, mit Blick auf das flache Land sei Schweinfurt paradiesisch was den ÖPNV betrifft.
Remelé: Das heißt ja nicht, dass es kein Geld kostet. Es zahlt nicht der einzelne Fahrgast, sondern irgendjemand anders. Bei den Stadtwerken bedeutet das, dass die Finanzierung über den Querverbund getragen werden müsste. Entweder muss man die Strom-, Gas- und Wasserpreise erhöhen oder die Stadt selbst zahlt. Es führt nur zu einer Verschiebung der Kosten. Im Übrigen sagen Fachleute, dass das kostenlose Angebot des Busfahrens vor allem von denen genutzt wird, die bis dahin zu Fuß gingen oder Rad fuhren.
Remelé: Genau, denn den ökologischen Effekt, den man werktäglich mit 40 000 Pendlern, die vermehrt Bus fahren sollen, wünscht, gibt es bei kostenlosem ÖPNV so nicht.
Remelé: Die CSU muss sich nicht den Vorwurf machen lassen, dass kein ökologisches Herz in ihrer Brust schlägt. Wer konservativ ist, bewahrend und erhaltend denkt und handelt, der hat immer Umweltschutz mitgedacht. Nicht ohne Grund hatte Bayern als erstes Bundesland ein Umweltministerium. Das Thema Umwelt und Klima hat vor dem Hintergrund des Klimawandels einen so großen Stellenwert bekommen, dass man als Stadt Antworten geben muss. Wer Schweinfurt mal aus der Luft erlebt hat, kann jetzt schon sehen wie grün die Stadt ist. Es liegt auf der Hand, die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte fortzuschreiben. Eine der großen Chancen ist dabei die Entsiegelung der Ledward Kaserne und der Bau eines zwölf Hektar großen Parkes, den wir über die Landesgartenschau 2026 erschließen wollen. Diesen Park wollen wir so geschickt wie möglich mit grünen Trittsteinen in der Stadt versehen, so dass sich eine grüne Klimaschneise von der Innenstadt bis zur Kaserne entlang streckt.
Remelé: Ich halte nichts von Monokausalismen. Die Klimafrage zu lösen ist wesentlich, auch dass jede Kommune ihren Beitrag leisten muss. Sie aber jetzt zur Mutter aller Probleme zu inszenieren, halte ich für sachlich falsch.
Remelé: Man sollte in Sprache und Wortwahl das nötige Maß halten. Der Begriff Notstand hat für einen Juristen einen ganz anderen Klang. Wenn man erstmal mit solchen Begriffen gearbeitet hat, kann man sich kaum mehr steigern. Welche Begrifflichkeit wählen wir, wenn wirklich eine konkrete Katastrophe über uns hereinbricht? Als Oberbürgermeister und Jurist möchte ich bei dem verbalen Wettrüsten nicht mitmachen.
Remelé: Ich werfe ihnen nichts vor, wir sind im Wahlkampf und jeder will sein Klientel mobilisieren. Es ist sicher einer der Hauptgründe für diese Initiative. Auch hier aber sollten wir uns in der Wortwahl Zurückhaltung auferlegen. Von Wohnungsnot zu sprechen ist genauso überzeichnet wie von Klimanotstand. Sicher findet man in Schweinfurt nicht immer sofort die idealerweise gewünschte Wohnung, das ist aber in keiner westdeutschen Stadt so. Das ist keine Wohnungsnot, sondern das Wechselspiel von Bedarf und Nachfrage. Schweinfurt hat aus meiner Sicht eine verhältnismäßig entspannte Wohnungssituation, worüber ich mir mit SWG und Bauverein einig bin. Wir haben mit 6,70 Euro eine niedrige Durchschnittsmiete, wir bauen in den nächsten sechs Jahren für etwa 3000 Bürger neuen Wohnraum. Die machen in der Region auch wieder Wohnraum frei. Wenn man bedenkt, dass im Umland die Bevölkerung tendenziell zurückgeht, werden wir uns in ein paar Jahren die Frage stellen, wie wir die Leerstände füllen können.
Remelé: Es würde bedeuten, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft SWG mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gesamtlast zu tragen hätte. Der Geschäftsführer spricht von einer Investition von 180 bis 200 Millionen Euro. Die SWG wäre sechs Jahre lang nicht in der Lage, ihren Hauptauftrag, ihre 5000 Wohnungen auf dem bestmöglichen Stand zu halten, zu erfüllen. Sie müsste ihre Geschäftspolitik ändern und statt zu sanieren, was auch ökologisch ein wesentlicher Beitrag ist, neu bauen, auf Flächen, die sie noch erwerben müsste und die wir in dieser Größenordnung nicht verfügbar sehen. Die Stadt hat in ihrer Geschichte nie selbst Wohnungen gebaut, wir haben weder das Personal noch eigene Expertise. Wir würden das über die SWG machen müssen, wie sie das im Moment in Bellevue macht, wo 74 Sozialwohnungen gebaut werden. Wir wissen, dass auch sozialer Wohnungsbau wichtig ist. Aber in der richtigen Geschwindigkeit und Menge. Auch hier ist Maß und Mitte geboten.
Remelé: Wenn ich die vielen Aufbrüche bei der Konversion oder in der Innenstadt sehe, sage ich, dass wir in Schweinfurt unsere Chancen gut genutzt haben. Ich konnte mit meiner sehr effizienten Verwaltung Vieles entwickeln. Ich würde sagen, unsere Bilanz ist sehr gut.
Remelé: Das Thema ist uns damals politisch entglitten. Man muss das mit großem Vorlauf vorbereiten, die Zeit hatten wir aber nicht, nachdem es durchgestochen wurde. Wir mussten sehr schnell Lehrer, Schüler, Eltern informieren. Das verlief sehr ungeordnet und war kommunikativ sicher keine Glanzleistung. Damals habe ich viel gelernt über Kommunikation und Transparenz in der Politik und die Mitnahme der Betroffenen. Da habe ich Lehrgeld bezahlt. Bei der Landesgartenschau wollten wir das besser machen, auch das Thema ist uns durch einen sehr frühen Bürgerentscheid aus der Hand genommen worden. Mit Zeit und etwas mehr Bedachtsamkeit hätte man sicher auch manches anders kommuniziert.
Remelé: Ich bin nicht Oberbürgermeister, um jetzt schon an meinem Nachlass zu arbeiten. Ich möchte die Stadt entwickeln und zukunftsfest machen. Ich glaube nicht, dass die Landesgartenschau als einziges mit meinem Namen verbunden wird. Ich stehe insbesondere für die Zeit der Konversion, die eben in meine Amtszeit fiel. Ich bin sicher, bei aller Kritik, dass, wenn die Landesgartenschau im Oktober 2026 ihre Pforten schließt, wir eine sehr gute Bilanz ziehen und auch diejenigen begeistert sein werden, die ursprünglich skeptisch gewesen sind. Viele Großprojekte müssen erst realisiert sein, um zu merken, da haben sich Menschen etwas dabei gedacht und es ist zum Nutzen einer Kommune.
Remelé: Das war fast ein Vorgriff auf die Thüringer Wahlergebnisse, ohne das ahnen zu können. Wir erleben auch in Schweinfurt, dass Teile der Bevölkerung sich dem demokratischen Diskurs und Dialog entziehen und bereit sind, sich radikalen Rändern zuzuwenden. Nachdem die SPD zumindest in Bayern aufgehört hat Volkspartei zu sein, sehe ich momentan keine andere Partei, die wie die CSU die bürgerliche Mitte vertritt. Die Grünen hätten das Zeug dazu, das hängt aber davon ab, wie sie sich gesamtpolitisch positionieren. Wenn man Volkspartei sein will, muss man sich allen Lebensbereichen öffnen und in allen Fragen der Kommunalpolitik engagieren.
Remelé: Da muss ich schmunzeln. Das ist der Standardvorwurf, den man immer dem Amtsinhaber macht und auch machen kann, da es immer irgendwelche Bereiche gibt, wo man hätte mehr tun können. Aber wenn es darum geht, wo wir wann wie hätten schneller sein müssen, wird es meist oberflächlich. Ich gehe damit gelassen um, da ich erlebe, was unsere Verwaltung hier tagtäglich schafft. Es gibt keinen Bereich des städtischen Handelns, wo wir nicht engagiert wären. Wir haben eher das Problem, all die Dinge, die wir geplant haben, umzusetzen, weil uns teilweise das Personal fehlt.
Remelé: Bei beiden Bürgerentscheiden fällt auf, dass sie nicht aus der Bevölkerung heraus entstanden sind, sondern die Protagonisten Stadträte waren. Das war keine aus dem Bürgertum erwachsene Bewegung, wie es die Intention des Gesetzgebers war. Der wollte neben dem repräsentativen Organ Stadtrat auch der Bevölkerung die Möglichkeit geben, Politik zu machen. Natürlich ist das rechtlich möglich gewesen, aber es lässt Fragen über das eigene Selbstverständnis eines Stadtrates offen. Ich habe Sorge, dass diese Art des politischen Vorgehens Schule macht und ein Stadtrat und damit eine Verwaltung sich selbst lahmlegt.
Remelé: Sollte die AfD mit mehr als bisher einem Mitglied in den Stadtrat kommen, ist das zunächst zu akzeptieren mit all den demokratischen Rechten, die man ihr zugestehen muss. Ich stehe dazu, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben wird. Man darf sie aber auch nicht mächtiger machen als sie ist, indem man ihr einen Sonderstatus einräumt.
Remelé: Ich glaube, dass Innenstädte nicht mehr den originären Versorgungsauftrag wie vor 30, 40 Jahren haben, weil sich durch das Internet das Einkaufsverhalten massiv geändert hat. Die Menschen kommen viel häufiger, um zum Beispiel das gastronomische Angebot in der Innenstadt zu nutzen. Kultur spielt eine zentrale Rolle, ich verspreche mir einen wichtigen Impuls vom Kulturforum. Eine wichtige Funktion, die die Innenstadt wieder bekommen hat, ist auch das Wohnen. Über unseren Citymanager versuchen wir natürlich ständig, neue Gewerbetreibende nach SW zu locken und Start-Ups, junge Gründer, mit Vermietern zusammen zu bringen. Es ist ein großer Strauß von Maßnahmen.
Remelé: Ich möchte die vielen angefangenen Vorhaben weiter begleiten und abschließen. Die neuen Wohngebiete auf den Markt bringen, die Landesgartenschau realisieren und die Innenstadt voranbringen. Im Grunde Schweinfurt noch etwas lebenswerter machen als es ohnehin schon ist.
Remelé: Es ist wichtig, dass man dem, bei dem im Rathaus die Fäden zusammenlaufen, vertraut. Dass man davon ausgehen kann, dass er entschlossen, klug und durchdacht die Stadt steuert, über Erfahrung verfügt und vollen Einsatz bringt. Diese Attribute schreibe ich mir zu. Ich habe bewiesen, dass ich dieses Amt ausführen kann.
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- Eine Grafik mit Links zu den bisher erschienenen Bürgermeister-Kandidaten-Porträts finden Sie hier.
- Alle Informationen rund um die Kommunalwahl finden Sie unter www.mainpost.de/wahlen
Stadt des Sportes - Fußballplätze werden dicht gemacht, Stadt der Kultur - Kulturforum abgeschmettert, Umweltschutz - Baumschutzverordnung gekippt usw.
Es wird Zeit für jemanden anderes im Amt, näher am Bürger...
als er krankheitsbedingt ausfiel
lief alles geanau so gut
wenn nicht besser
Dynamikkarte der deutschen Stadt- & Landkreise 2010 (Ende der Ära Grieser):
> SW Stadt & Land: „Mittlere Dynamik“
> WÜ Stadt & Land: „Mittlere Dynamik“:
https://www.prognos.com/fileadmin/pdf/downloads/Zukunftsatlas_2010_Dynamik-Karte.pdf
Dynamikkarte 2016:
> SW Stadt & Land: „Sehr geringe Dynamik“
> WÜ Stadt: „Sehr hohe Dynamik“
> WÜ Land: „Hohe Dynamik“:
https://www.prognos.com/fileadmin/images/publikationen/Zukunftsatlas2016/Prognos_Zukunftsatlas_2016_Dynamik-Karte.jpg
(Karte v. 2020 noch nicht vorhanden)
Remele: „Wir haben eher das Problem, all die Dinge, die wir geplant haben, umzusetzen, weil uns teilweise das Personal fehlt.“ Wegen dem Bremsklotz Landesgartenschau!
Viele Worte von Remele zum ÖPNV, aber KEIN EINZIGES WORT zur Steigerwaldbahn, mit einer Citybahn quer durch Schweinfurt (Wittek-Brix).