Das Thema Grundstückspreise im Maintal sorgt weiter für Aufregung in der Stadt. Diese Redaktion hatte exklusiv darüber berichtet, dass die Stadt mehrere Firmen im Maintal informierte, dass das Grundstücksgeschäft nichtig sein könnte, weil der Verkauf der Grundstücke vor Jahren möglicherweise zu günstig und deshalb ein Verstoß gegen die Gemeindeordnung war.
Einige Firmenbesitzer hatten in den vergangenen Monaten aus ihrer Sicht sehr unerfreuliche Gespräche mit der von der Stadt beauftragten Rechtsanwaltskanzlei aus München. Auch im Stadtrat ist das Thema durch einen Antrag der SPD angekommen, der allerdings nur im nichtöffentlichen Teil der letzten Sitzung des Gremiums beantwortet wurde. Die Sozialdemokraten hatten insbesondere die Informationspolitik der Stadt bemängelt
Aus Sicht der Stadt sind die Grundstückswerte zum Verkaufszeitpunkt in manchen Fällen nicht korrekt gewesen, weswegen ein Verstoß gegen den Artikel 75 der Gemeindeordnung vorliegen könnte, der den Verkauf von Gemeindevermögen unter Wert verbietet. Das Thema ist juristisch verzwickt: Hat beim Verkauf ein Verstoß gegen den Artikel 75 der Gemeindeordnung vorgelegen, weil ein gewährter Nachlass doch nicht rechtens war, führt das zur Nichtigkeit des Geschäfts. Sprich: Das Grundstück muss an die Stadt zurück gegeben werden. Der Käufer bekommt den Kaufpreis erstattet, müsste aber im schlimmsten Fall sogar die gebauten Gebäude abreißen. Ist die einzige Lösung tatsächlich nur, dass die Firmen die Nachforderungen der Stadt mit teils mehreren hunderttausend Euro bezahlen?
Möglicherweise nicht. Finanzreferentin Anna Barbara Keck erklärt, sie könne aus der nicht-öffentlichen Sitzung keine Details erläutern. Einen Fragenkatalog zur weiteren Vorgehensweise der Stadt beantwortete sie aber ausführlich. In der Sitzung, so berichten Teilnehmer, wurde dieses Vorgehen auch den Stadträten bereits erläutert.
"Die Stadtverwaltung hat das oberste Ziel, einvernehmliche Lösungen zusammen mit den Unternehmen zu erreichen, um diese rechtlich sehr komplexe Angelegenheit schnellstmöglich zu klären", betont die Finanzreferentin. Es würden "insbesondere auch Möglichkeiten des Entgegenkommens seitens der Stadt, die rechtlich zulässig sind, zugunsten der Unternehmen geprüft." Was das konkret bedeutet, beantwortet die Finanzreferentin nicht. Ein Weg könnte laut Expertenmeinung das Thema Grunddienstbarkeit sein.
"Eine politische Lösung ist in dieser Thematik aufgrund der vielschichtigen, rechtlichen Problematik nicht möglich", betont Anna Barbara Keck. Einige Firmen hatten auch hochrangige Politiker aus der Region wie Staatssekretär Gerhard Eck oder die beiden Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber und Dorothee Bär informiert (alle CSU) informiert. Sie sollen gesagt haben, sie könnten nicht helfen.
Die Finanzreferentin betont, man wolle bis Ende des Jahres die Verdachtsfälle bearbeiten und den betroffenen Unternehmen eine Lösung vorschlagen. Da nach Kenntnis dieser Redaktion die Unruhe unter den Firmeninhabern sehr groß ist, wolle man auch zeitnah diejenigen informieren, die nicht betroffen sind.
Keck betont, man könne keine kommunale Versicherung der Stadt bemühen. Der einzige Weg sei, "das nichtige Rechtsgeschäft auf tragfähige, rechtssichere Füße zu stellen". Das sei das Ziel in den Verhandlungen mit den Unternehmen. Die Finanzreferentin erklärt ausdrücklich: "Keinesfalls ist Ziel, die Grundstücksgeschäfte rückabzuwickeln und Unternehmen zu vertreiben. Sowohl in den persönlich geführten Gesprächen als auch in den Anwaltsschreiben ist dieses Ziel auch deutlich herausgearbeitet worden."
Von Seiten der Firmen gibt es eine deutlich abweichende Wahrnehmung über den Verlauf der bisherigen Gespräche und massive Kritik am Vorgehen der Stadt, die, so zeigen die Gespräche mit mehreren Betroffenen, massiv an Vertrauen verloren hat. Anna Barbara Keck hofft, "dass die Unternehmen mit der Stadt im Gespräch bleiben und ihre berechtigten Argumente in den Verhandlungsprozess mit einbringen, wie dies aktuell auch geschieht."
Man erhoffe sich einen Vergleich, der der Rechtsaufsicht vorgelegt werden könne und auf dessen Grundlage ein erneutes Rechtsgeschäft geschlossen werde, das an die Stelle der nichtigen Verträge trete.
Seit April dieses Jahres ist Keck auch Liegenschaftsreferentin. Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU), der diese Aufgabe zuvor übernommen hatte, hatte sie darum gebeten, den Bereich zu übernehmen. Keck erklärt, nach dem Bericht des Rechnungsprüfungsamtes, das die Abschläge bei einem Teil der Geschäfte feststellte und bemängelte, habe sie mit ihren Mitarbeitenden umfangreiches Aktenmaterial ausgewertet und die Regierung von Unterfranken als Rechtsaufsicht im Jahr 2020 "frühzeitig und mehrfach" eingeschaltet. Das bestätigt die Regierung auch auf Anfrage.
Direkte Wirtschaftsförderung ist einer Kommune verboten
Die Feststellung aus Würzburg sei gewesen, dass Grundstücke immer zum vollen Verkehrswert verkauft werden müssen, es sei denn, es liege "eine rechtlich zulässige Ausnahme vor." Eine direkte Wirtschaftsförderung ist nicht möglich, auch das EU-Beihilferecht muss beachtet werden. Wird ein bestimmter Schwellenwert an Nachlass überschritten, kann das zur Teil- oder Gesamtnichtigkeit des Vertrages führen. Die Regierung, so Keck, habe betont, "dass Maßnahmen, die einzelnen Unternehmen geldwerte Vorteile einräumen, lediglich ausnahmsweise zulässig sind (z.B. um eine aus städtebaulichen Gründen notwendige Verlagerung eines Betriebs zu ermöglichen)“.
Für die Stadt wichtig ist nun, dass der zum jeweiligen Zeitpunkt des Verkaufs richtige Quadratmeterpreis, der so genannte Neuordnungswert, ermittelt wird. Stelle man dann fest, dass deutlich darunter verkauft wurde, ergebe sich der Verstoß gegen die Gemeindeordnung, was "als Rechtsfolge nach § 134 BGB die Nichtigkeit von Kaufvertrag und Übereignung des Grundstücks zur Folge hat, sollte nicht eine zulässige Ausnahme greifen", so die Finanzreferentin.
Verantwortung beim Oberbürgermeister und dem früheren Liegenschaftsamts-Leiter
Bei der Frage, wer verantwortlich ist, geht es um zwei Personen: den früheren Wirtschaftsförderer der Stadt, Hans Schnabel, der auch das Liegenschaftsamt leitete, und Oberbürgermeister Sebastian Remelé, der damals der zuständige Referent war. Gegen den früheren Wirtschaftsförderer hat die Stadt bereits in einem Fall eine Rückforderung gestellt. Das bestätigte Schnabel auf Nachfrage dieser Redaktion, er weist die Vorwürfe entschieden zurück.
Laut Anna Barbara Keck hat der Oberbürgermeister "deutlich gemacht, dass er seine Verantwortung sieht und dieser auch nachkommt." Zum einen gab er das Liegenschaftsreferat an die Volljuristin Keck ab, zum anderen ist auch die neue Leiterin des Liegenschaftsamtes, Sabine Schröder, Volljuristin. "Damit hat er Sorge getragen, dass diese Problematik in Zukunft nicht mehr auftreten wird", betont Keck.
In einer früheren Erklärung zum Sachverhalt betont die Stadtverwaltung, man kooperiere "vollumfänglich" mit der Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen stehen laut dem Würzburger Oberstaatsanwalt Tobias Kostuch am Anfang. Es werde von "herausragender Bedeutung sein, welchen Wert die veräußerten Grundstücke zum Veräußerungszeitpunkt hatten." Dazu würden derzeit Gutachten erstellt. Einzelpersonen stünden derzeit nicht im Fokus der Ermittlungen.
Nach kürzlichem Artikel in MP.de wurden die Grundstückspreise alle 3 bis 4 Jahre angepasst, zuletzt 2007 und danach bis heute nicht mehr. G. Grieser (CSU) war bis 2010 OB.
"Von Seiten der Firmen gibt es eine deutlich abweichende Wahrnehmung über den Verlauf der bisherigen Gespräche und massive Kritik am Vorgehen der Stadt, die, so zeigen die Gespräche mit mehreren Betroffenen, massiv an Vertrauen verloren hat."
Herr Oberbürgermeister, Sie sind offensichtlich Ihrer Aufgabe nicht gewachsen. Denken Sie an Ihren Amtseid "Schaden abzuwenden" und treten Sie zurück.