
Im Winter 2019 ist der Skandal um den mittlerweile gekündigten Theater- und Kulturamtsleiter der Stadt Schweinfurt zum ersten Mal in der Stadtverwaltung bekannt geworden. Im Spätsommer 2021 wurde der 60-Jährige wegen 51 Fällen der Untreue per Strafbefehl zu zehn Monaten Haft auf Bewährung sowie zu einer niedrigen vierstelligen Geldauflage verurteilt. Im Zuge der Ermittlungen gegen ihn gab es ein monatelanges Ermittlungsverfahren gegen eine weitere Führungskraft. Im Sommer 2020 hatte es deshalb auch eine Bürodurchsuchung im Rathaus gegeben.
Dieses Verfahren ist nun nach Paragraph 153a Strafprozessordnung gegen Zahlung einer Geldauflage vorläufig eingestellt worden. Das bestätigt der Sprecher des Landgerichts Schweinfurt, Thomas Fenner, gegenüber dieser Redaktion.
Zu den Hintergründen erklärt Fenner: "Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt hat gegen eine Person, die innerhalb der Stadtverwaltung Schweinfurt mit der internen Überprüfung von Vorwürfen gegen den damaligen Leiter des Kulturamtes und des Theaters der Stadt Schweinfurt befasst war, Anklage zum Amtsgericht Schweinfurt wegen Strafvereitelung in Tateinheit mit Begünstigung in Tateinheit mit versuchtem Betrug erhoben. Vor Zustellung dieser Anklage hat das Amtsgericht Schweinfurt mit Zustimmung der betreffenden Person und der Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig gegen Zahlung einer Geldauflage nach § 153a StPO eingestellt."
Die betroffene Person weist über ihren Würzburger Anwalt Reinhart Stumpf die Vorwürfe strikt zurück: "Sie hat sich nichts vorzuwerfen", sagt Stumpf. Das ganze Verfahren sei aus seiner Sicht "von Auffälligkeiten und Merkwürdigkeiten geprägt, die mich den Kopf schütteln lassen".
Große Aufregung in der Schweinfurter Verwaltung Anfang Oktober
Mit der Einstellung wurde nun ein Verfahren zu Ende gebracht, das innerhalb der Stadtverwaltung und der Kommunalpolitik für große Aufregung in diesem Herbst gesorgt hatte. Nach Recherchen dieser Redaktion versandte die Staatsanwaltschaft am 1. Oktober die Anklageschrift an die Stadtverwaltung. Am 4. Oktober gab es eine denkwürdige nicht-öffentliche Fraktionssprecher-Sitzung, in der Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und Personalamtsleiter Armin Seebauer über die Vorwürfe berichteten.
Aufgrund der gesetzlichen Informationspflicht, wenn sich aus einer Anklage dienstrechtliche Konsequenzen ergeben könnten, schickte die Staatsanwaltschaft die Anklage am 1. Oktober an die Stadtverwaltung als Arbeitgeber. Für die Zustellung an die betroffene Person war das Amtsgericht zuständig. Entsprechende dienstrechtliche Maßnahmen wurden nicht ergriffen, wie Oberbürgermeister Sebastian Remelé auf Nachfrage erklärt.
Die Stadt hatte Einsicht in die Ermittlungsakte genommen, so der OB, "und eine externe Anwältin beauftragt, die Angelegenheit arbeitsrechtlich und auch strafrechtlich zu bewerten". Das Ergebnis sei gewesen: "Strafrechtlich war nichts fundiert Vorwerfbares zu finden, weshalb weder eine Einleitung eines Disziplinarverfahrens noch andere disziplinarrechtliche Maßnahmen angezeigt waren." Sebastian Remelé stellt fest: "Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft beruhen in erster Linie auf Mutmaßungen, nicht aber auf Beweisen, wie die Staatsanwaltschaft selbst einräumt."
Für die Aussage des Oberbürgermeisters, die Staatsanwaltschaft habe eingeräumt, dass die Anklage auf "Mutmaßungen, nicht aber auf Beweisen" basiert habe, zeigt Axel Weihprecht, leitender Oberstaatsanwalt in Schweinfurt, großes Unverständnis. Er weist die Vorwürfe gegen seine Behörde und den ermittelnden Staatsanwalt Reinhold Emmert in aller Deutlichkeit zurück.
Weihprecht betont: "Die Staatsanwaltschaft hat nie erklärt, die Anklage beruhe in erster Linie auf Vermutungen. Vielmehr erhebt die Staatsanwaltschaft nach dem Gesetz nur dann eine Anklage, wenn sie aufgrund der bestehenden Beweislage eine Verurteilung für wahrscheinlich hält."
Schock-Momente bei turbulenter Fraktionssprecher-Sitzung
Teilnehmer der Fraktionssprecher-Sitzung berichteten in vertraulichen Gesprächen übereinstimmend vom Entsetzen des OB über die Anklage. In der Sitzung am 4. Oktober soll Remelé erklärt haben, er habe mehrmals mit der Staatsanwaltschaft Kontakt aufgenommen und sehr deutlich sein Unverständnis zum Ausdruck gebracht. Ein Teil der Sitzungsteilnehmer sprach von einem "skandalösen Vorgang", kannte aber offenbar nicht alle Zusammenhänge. Die Verwaltung soll dem Vernehmen nach auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Staatsanwaltschaft erwogen haben, die offenbar bisher nicht in die Wege geleitet wurde.
Für die betroffene Führungskraft hätte ein Verfahren, das mit einer Verurteilung geendet hätte, gravierende Folgen bis hin zum Verlust des Beamtenstatus und der Pensionsansprüche gehabt. Durch die Einstellung des Verfahrens ist das vom Tisch, es gibt auch keinen Eintrag im Bundeszentralregister und es gilt in dem ganzen Fall die Unschuldsvermutung.
Zur Einordnung sind Ermittlungsergebnisse aus dem Fall des Theaterleiters und die Anklage gegen die Führungskraft im Zusammenhang zu sehen. Der Vorwurf der Strafvereitelung aus der Anklage wog schwer: Hat die Führungskraft versucht, den früheren Theaterleiter vor einer Anzeige zu schützen?
In dem der Redaktion vorliegenden Bericht der Führungskraft an den OB vom Juli 2020 werden die Vorwürfe gegen den Theaterleiter zwar durch deren eigene Recherchen als widerlegt angesehen, doch es gab auch die explizite Empfehlung an Sebastian Remelé, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Nur diese könne in alle Richtungen ermitteln. Der Oberbürgermeister erstattete dann am 28. September 2020 nach mehreren Gesprächen mit dem Theaterleiter Anzeige. In dieser bezog er sich nicht nur auf den Bericht, sondern auch auf Aussagen der Compliance-Beauftragten und der Leiterin der Rechnungsprüfung.
Ein Zeuge aus der Verwaltung hatte schon im Winter 2019/20 darauf hingewiesen, dass nach seinen eigenen Recherchen bestimmte Bewirtungsbelege falsch waren: Die dort aufgeführten Personen seien nicht zu dem beschriebenen Zeitpunkt mit dem Theaterleiter beim Essen gewesen. Auch an der Abrechnung einer Veranstaltung gab es Zweifel. Die Compliance-Beauftragte hielt die Zeugen-Aussagen für glaubwürdig. Die Rechnungsprüfung hatte nach Recherchen der Redaktion gezeigt, dass die Veranstaltungsabrechnung falsch war. Die Ermittlungen der Kripo bestätigten später alle Vorwürfe.
Veranstaltungsabrechnung und Bewirtungsbelege im Fokus
In den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen die Führungskraft ging es nach Recherchen dieser Redaktion um den Inhalt ihres Berichts an den OB und ihr Vorgehen bei den eigenen Erkundigungen über die Abrechnung der Benefizveranstaltung und die Prüfung ausgewählter Bewirtungsbelege. Der frühere Theaterleiter wurde für beides strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.
Die falsche Veranstaltungsabrechnung stammt aus dem Jahr 2018. Offenbar hatte der Theaterleiter den Verantwortlichen des beteiligten Vereins im Vorfeld schriftlich zugesichert, dass die Stadt die Organisation übernehme, es kein Risiko gebe und er einen vierstelligen Gewinn verspreche. Entsprechende Dokumente dazu liegen der Redaktion vor.
Gleichwohl war die Veranstaltung schlecht besucht. Um den versprochenen Gewinn auszahlen zu können, wurden laut den Ermittlungen der Kripo bei der Abrechnung Kosten nicht berücksichtigt. Außerdem wurde das Honorar der Auftretenden niedriger angesetzt als es tatsächlich war. Statt 3072 Euro Gewinn ausgezahlt zu bekommen, hätte der Verein der Stadt eigentlich 1826 Euro geschuldet. Der ehemalige Theaterleiter musste mittlerweile den entstandenen Schaden gegenüber der Stadt im Rahmen des Vermögenseinzugs per Strafbefehl bezahlen.
Darüber hinaus fand die Kripo nicht nur heraus, dass mehrere Dutzend Bewirtungsbelege des früheren Theaterleiters zwischen 2017 und 2020 falsch waren. Neu ist die Erkenntnis, dass der frühere Theaterleiter offenbar schon im Sommer 2020 - ein paar Monate vor der kriminalpolizeilichen Ermittlung - verschiedene Zeugen angerufen hatte. Seine Bitte: Bei Nachfragen der Stadtverwaltung die Unwahrheit zu sagen. Das ergibt sich aus Protokollen, die der Redaktion vorliegen.
Oberbürgermeister verteidigt das Vorgehen der Führungskraft
Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) verteidigt das Vorgehen der Führungskraft. Auf Nachfrage erklärte er Ende Oktober: "Dieser Weg, den wir hier gegangen sind, ist, war und bleibt richtig und sinnvoll. Ein solcher Verdacht ist immer erst intern zu prüfen, bevor die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird."
Remelé betonte, man habe die Gerüchte ernst genommen: "Bevor die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird, müssen belastbare Anhaltspunkte und Fakten vorliegen, die auch eine Einschaltung rechtfertigen. Der Aktenvermerk schloss mit der Empfehlung, die Staatsanwaltschaft einzuschalten." Er habe Compliance-Beauftragte und Rechnungsprüfung mit der vertieften Recherche beauftragt und die Prüfung des Theaters vorziehen lassen.
Da es "außerhalb der Kompetenz dieser Stellen lag, Zeugen zu vernehmen", habe der Sachverhalt intern nicht abschließend geklärt werden könne, so der OB. Als er Anzeige erstattete, habe er sich dabei auf "den Aktenvermerk sowie die Empfehlung der Compliance-Beauftragten und des Rechnungsprüfungsamts gestützt".
Zitat Sebastian Remelé: "Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft beruhen in erster Linie auf Mutmaßungen, nicht aber auf Beweisen, wie die Staatsanwaltschaft selbst einräumt."
Die Antwort von Oberstaatsanwalt Weihprecht darauf fällt laut Artikel folgendermaßen aus:
"Die Staatsanwaltschaft hat nie erklärt, die Anklage beruhe in erster Linie auf Vermutungen. Vielmehr erhebt die Staatsanwaltschaft nach dem Gesetz nur dann eine Anklage, wenn sie aufgrund der bestehenden Beweislage eine Verurteilung für wahrscheinlich hält."
Hier lügt also jemand bewusst? Sowohl der Oberstaatsanawalt Weihprecht als auch Sebastian Remelé sind beide verbeamtet, Oberbürgermeister Remelé ist zudem ebenfalls Jurist der sich mit solchen Aussagen auskennen dürfte. Offenbar können beide damit leben von der jeweiligen Gegenseite durch die unterschiedlichen Aussagen der Unwahrheit bezichtigt zu werden? Das wirft weitere Fragen auf.
Ja es mag richtig sein Vorwürfe soweit wie möglich erst intern zu klären. Mir scheint aber, dass die Stadt hier alles versucht hat um die Vorwürfe gegen den Theaterleiter möglichst unter den Teppich zu kehren und alles geräuschlos verlaufen zu lassen. Das ging gewaltig schief. Im Gegenteil - man hat es sogar in Kauf genommen, dass eigene Führungskräfte die mit der internen Untersuchung betraut wurden durch wohlwollende Aussagen was die Vorwürfe gegen den ehem. Theaterleiter betrafen mit in den "Abgrund" gezogen werden.