Eisig, so kann man derzeit die Stimmung zwischen einigen Schweinfurter Geschäftsleuten und der Stadtverwaltung beschreiben. Der Grund: Probleme bei teilweise Jahre zurückliegenden Grundstücksverkäufen im Industrie- und Gewerbegebiet Maintal. Einige Firmenbesitzer hatten bereits unerfreuliche Begegnungen mit von der Stadt beauftragten Anwälten.
Deren Forderungen lassen erstaunen: Grundstücke im Maintal sollen 2017 und 2018 mit Preisabschlägen verkauft worden seien, die aus heutiger Sicht einen Verstoß gegen den Artikel 75 der bayerischen Gemeindeordnung darstellen könnten. In diesem heißt es, dass eine Kommune "Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußern" darf. Wäre das nicht so gewesen, würde das bedeuten, dass der Verkauf der Grundstücke nichtig sein könnte.
Als die Firmen kauften, taten sie das in gutem Glauben: Die Preise standen fest, der Stadtrat erteilte die Genehmigung, ein Notar beurkundete das Geschäft. Von einem möglichen Problem mit Abschlägen bei den Preisen war dabei nie die Rede. Jahre später sieht man sich mit Nachforderungen konfrontiert.
Zwei Möglichkeiten gibt es nun: Die Firmen zahlen die nachträglich ermittelte Differenz zu dem aus heutiger Sicht der Stadt eigentlich richtigen Verkaufspreis. Oder das Geschäft wird rückabgewickelt. Und zwar unter Umständen so, dass die bereits bebauten Flächen leer sind, alle Gebäude also im schlimmsten Fall abgerissen werden müssten. Man kann sich vorstellen, dass diese Perspektive für die Firmenbesitzer wenig erfreulich ist.
In mehreren vertraulichen Gesprächen der Redaktion mit verschiedenen Firmen werden die Stadtverwaltung und insbesondere Finanzreferentin Anna Barbara Keck und Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) deutlich kritisiert: "Wie soll man denn weiterhin mit dieser Verwaltung Geschäfte machen, wenn man sich nicht darauf verlassen kann, dass die Grundstückspreise richtig waren?", bringt es ein Geschäftsmann auf den Punkt, der seit Jahrzehnten verschiedene Projekte mit der Stadt abwickelt.
Andere durchaus erfolgreiche Firmen denken offen darüber nach, ihren Firmensitz zu verlegen: "Warum sollte man dieser Stadtverwaltung weiterhin Gewerbesteuer bezahlen?" Die Rückforderungen der Stadt sind signifikant, reichen von niedrigen sechsstelligen Beträgen bis zu 500 000 Euro.
Das Vorgehen der von der Stadt beauftragten Rechtsanwaltskanzlei aus München lässt auf wenig Kompromissbereitschaft schließen. Einer Firma wurde ein Schreiben übermittelt (es liegt der Redaktion vor), in dem klar geäußert wird, dass es nur eine Lösung gebe: Die geforderten Mehrkosten für ein bereits bebautes Grundstück und eine Optionsfläche zu bezahlen. Ansonsten wäre nicht nur das Geschäft nichtig, es müsste aus Sicht der Anwälte auch das Firmengebäude abgerissen werden – ohne Schadensersatz an die Firma. Die würde lediglich den gezahlten Kaufpreis für das Grundstück rückerstattet bekommen. Ob ein Gericht das im Zweifel auch so sieht, ist freilich offen.
Gespräche zwischen den Firmenbesitzern und der Verwaltung gab es. Geholfen haben sie nicht, das Problem so zu lösen, dass die Firmen nicht zahlen sollen. Die Position der Stadtverwaltung ist klar: Wenn gegen den Artikel 75 verstoßen wurde, gibt es für sie rechtlich keine andere Handlungsmöglichkeit. Die Geschäftsleute fühlen sich dagegen alleine gelassen: "Das ist ein Verstecken hinter Gutachten. Wo ist der politische Wille des Oberbürgermeisters, das Problem zu lösen?", fragt ein Gesprächspartner, der auch die Bundestagsabgeordneten Anja Weisgerber und Dorothee Bär (beide CSU) informierte. Beide sollen signalisiert haben, sie könnten in der Sache nicht helfen.
"Es gibt keine gemeinsame Suche nach Lösungen, sondern die Verwaltung wirft einem bewusst Knüppel zwischen die Beine", so die Empfindung eines anderen Gesprächspartners. Er geht davon aus, dass die drohenden gerichtlichen Auseinandersetzungen die weitere Entwicklung im Maintal auf Jahre blockieren könnten. Möglicherweise werden sich auch mehrere Betroffene gemeinsam von einer erfahrenen Kanzlei beraten lassen und sich juristisch gegen die Nachforderungen wehren.
Denn für manche Firmen geht es nicht nur um das Zahlen einer Kaufpreis-Differenz, sondern auch darum, dass sie nicht erweitern oder Projekte verwirklichen können, die schon lange geplant sind, weil die Stadtverwaltung die dafür notwendigen Eintragungen im Grundbuch verweigert. Es gibt Firmen, bei denen bereits mehrere hunderttausend Euro Planungskosten aufgelaufen sind.
Stadt hat zwei Millionen Euro als Prozesskostenrisiko im Haushalt eingestellt
Dass es Prozesse geben könnte, hat auch die Stadt einkalkuliert: Finanzreferentin Anna Barbara Keck hatte kürzlich erklärt, man habe eine Rücklage in Höhe von zwei Millionen Euro als Prozesskostenrisiko gebildet. Pikantes Detail: Die Firmenchefs müssen auch abwägen, ob es teurer ist, die Nachforderungen unter Vorbehalt zu zahlen, oder ob sie es zunächst auf einen Rechtsstreit mit der Stadt ankommen lassen, der das entsprechende Projekt verzögert und am Ende so kostspielig macht, dass es nicht mehr wirtschaftlich wäre.
Selbst das erst 2016 durch die Stadt gekaufte Konversionsgebiet Bellevue am Kennedy-Ring ist offenbar von dem Problem betroffen. Mindestens ein Investor dort ist mit weiteren Forderungen der Stadt konfrontiert, weil aus Sicht der Verwaltung die Preisbildung beim Verkauf der Grundstücke nicht ordnungsgemäß gewesen sein könnte. Dieser Fall hat Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Stadt als Wohnstadt, da ein Bauprojekt erst mal auf Eis liegt.
Was sagt die Stadtverwaltung zu den Vorwürfen?
Auf Nachfrage dieser Redaktion gibt die Stadtverwaltung ausführlich Auskunft, spricht von einem "ausgesprochen schwierigen und komplexen Thema". Das Rechnungsprüfungsamt der Stadt prüfte bereits im Winter 2019 insgesamt 37 Verkäufe und stellte bei Verkäufen, die Ende 2017 bzw. Anfang 2018 dem Stadtrat und dem Liegenschaftsausschuss vorgelegt worden waren, Klärungsbedarf fest.
Die Stadt, so heißt es in der Mitteilung, "steht mit Käufern unter Begleitung entsprechender Experten im Gespräch, um eine für alle Beteiligten tragfähige Lösung zu finden". Das Ziel sei es, "die im ungünstigsten Fall drohende Rückabwicklung der Grundstücksgeschäfte zu vermeiden und es insbesondere zu ermöglichen, dass die im Maintal ansässigen Gewerbetreibenden dort verbleiben können".
Auch wenn der Handlungsspielraum der Stadt durch die Gemeindeordnung eng sei, wolle man die Sachverhalte vollständig aufklären, um "jeglichen wirtschaftlichen Schaden von der Stadt Schweinfurt abzuwenden".
Warum ermittelt die Staatsanwaltschaft Würzburg?
Der Komplex ist seit einiger Zeit auch bei der Staatsanwaltschaft Würzburg aktenkundig. Die Stadtverwaltung bestätigte auf Nachfrage die Ermittlungen ebenso wie die Staatsanwaltschaft. "Es fand keine förmliche Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft bzw. Kriminalpolizei statt", so die Verwaltung, die versichert: "Wir kooperieren vollumfänglich mit den Ermittlungsbehörden und haben von dort angeforderte Unterlagen und Gegenstände im Rahmen dieser Mitwirkung selbstverständlich übergeben. Wir arbeiten hier mit der Staatsanwaltschaft ausdrücklich und im Interesse einer umfangreichen Klärung der Sach- und Rechtsfragen zusammen." Weitere Auskünfte zu der Ermittlung gibt es nicht.
Oberstaatsanwalt Tobias Kostuch erklärte auf Nachfrage, die Ermittlungen stünden am Anfang: "Insbesondere wird von herausragender Bedeutung sein, welchen Wert die veräußerten Grundstücke zum Veräußerungszeitpunkt hatten." Wann die Ermittlungen zu einem Ende kommen, hänge vor allem davon ab, wann es die notwendigen Wertgutachten gebe.
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVwV96623/true
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https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVwV96622
Zitat: „Der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung (Art. 61 Abs. 2 GO) verlangt, dass die Gemeinden sich vor der Veräußerung eines Vermögensgegenstandes Klarheit über dessen Wert verschaffen. Außerdem ermöglicht nur eine verlässliche Wertermittlung den Vollzug des Art. 75 GO. Der Wert ist daher vor jeder Veräußerung eines kommunalen Vermögensgegenstandes zu ermitteln, gleichgültig, ob die Kommune zum vollen Wert oder unter Wert veräußern will.“
Nicht nur aus „heutiger Sicht“ (wie im Artikel angegeben) sondern schon lange vor den im Bericht genannten Verkaufsjahren, waren diese Bekanntmachungen zu beachten.
Außerdem: Kann eine Veräußerung unter Wert nicht auch eine nach EU-Recht unzulässige Wirtschafsförderung sein?
Man lockt Käufer mit einem Spottpreis an und fordert dann später, wenn alles steht, ordentlich nach.
Wer trifft die Feststellung des "richtigen" Preises?
Kann das auch auf Bauplätze angewandt werden, wo die Preise bei 2-3 km Entfernung plötzlich 100 €uro differieren.
Was sagen die CSU-Stadträte dazu?
ich stimme ihren, oft phantasievollen, Beiträgen eher selten zu aber dieses Mal haben sie es auf den Punkt gebracht.
Herr Remelé erweist sich immer mehr als Verwalter und nicht als Gestalter. Als Bürgermeister trägt er eine große Mitverantwortung wenn in einer Vewaltung so viel schief läuft, ganz abgesehen von den anderen eher "unglücklichen" Geschichten welche sich zusätzlich ereignet haben.
Gäbe es nicht die Konversation mit ihren diversen Chancen, die wie ein Sechser im Lotto für die Stadt ist, wüsste ich nicht womit die Stadt in den letzten Jahren besonders geglänzt hätte.
Hier ist auch die CSU Stadtratsaktion gefragt, ruhig bleiben und sich in Bequemlichkeit suhlen taugt vielleicht kurz- und mittelfristig aber mit Sicherheit nicht langfristig.