Wie soll man eine über zweistündige Debatte zusammenfassen, in der so manche Dissonanzen auftauchten, sich am Ende aber alle einem geneinsamen Ziel verpflichtet fühlten? Einen "positiven Spin" wollte Landrat Florian Töpper (SPD) in Schwung bringen, als der Kreistag am Donnerstag in Grafenrheinfeld zum wiederholten Mal über die Zukunft der Conn-Barracks vor den Toren Schweinfurts sprach.
Wie schnell läuft die Konversion wirklich?
Das dortige ehemalige Militärgelände soll zu einem 110 Hektar großen Industrie- und Gewerbepark umgebaut werden (Konversion). Noch immer gibt es ungelöste Probleme und Widrigkeiten, weswegen der Zweckverband – bestehend aus dem Landkreis sowie den betroffenen Kommunen Schweinfurt, Geldersheim und Niederwerrn – viel Hoffnung in ein Spitzengespräch mit Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am 22. Juni gelegt hatte. In der politischen Bewertung dessen drehte sich letztlich die phasenweise hitzige Kontroverse im Kreistag erneut um die Frage, ob das Tempo angemessen ist und ob man nicht schon weiter sein müsste.
Im Kern geht es derzeit darum, wie lange das Anker-Zentrum für Geflüchtete auf dem Areal weiterbetrieben wird. Denn es behindert aus Sicht des Zweckverbands die Entwicklung des Geländes, vor allem weil es im Zufahrtsbereich liegt und es Auswirkungen auf die Gesamtplanung für das Areal nimmt, etwa wegen veränderter Lärmemissionen. Aus 2016 stammt eine Zusage der Staatsregierung, Ende 2025 den Betrieb einzustellen. Bloß: Diese Zusage erscheint nicht rechtsgültig. Und die Regierung strebe ein verbindliches Übergangsdatum nicht an, sagte Tobias Blesch aus dem Regionalmanagement.
Plant Regierung Ankerzentrum für viele Jahre?
Eine kurze von Emotion geprägte Aussage von Landrat Töpper in Richtung CSU-Kreisrat Georg Brückner ließ die zeitliche Dimension erkennen: "Wenn es nur um zwei oder drei Jahre mehr gegangen wäre, hätten wir dieses Gespräch nicht gebraucht." Auch aus den Vorträgen von Blesch und Wirtschaftsförderer Frank Deubner war herauszuhören, dass es wohl eher darum geht, einen dauerhaften Betrieb des Ankerzentrums zu verhindern. "Asylunterbringung wird eine Daueraufgabe bleiben", sagte Töpper. Redner wie Paul Knoblach (Grüne) ergänzten, dass das Ankerzentrum "nicht alternativlos sei" und man dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten nutzen sollte. Dies könne laut Thomas Vizl (Grüne) die Konversion beschleunigen.
Insgesamt bewertet Landrat Töpper die Ergebnisse in München aber als positiv. Es gebe nicht nur die Zusage, die Kapazität des Ankerzentrums auf 700 Plätze zu beschränken und damit mehr als zu halbieren, sondern auch die Fläche der ehemaligen Gemeinschaftsunterkunft freizugeben. Der Zugriff darauf eröffne dem Zweckverband die Möglichkeit, eine notwendige, separate Zufahrt für den zukünftigen Gewerbepark zu bauen. Nicht auf offene Ohren stieß in München der Vorschlag, dass der Zweckverband das komplette Gelände kauft und dann den Bereich des Ankerzentrums (etwa zehn Prozent der Gesamtfläche) an die Regierung vermietet.
"Partner auf Augenhöhe"
Man habe in München festgestellt, dass bei Regierung und Zweckverband zwar unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen, wie Töpper formulierte. Aber man habe auch erreicht, als gleichberechtigter Verhandlungspartner wahrgenommen zu werden. Dies würdigte auch CSU-Fraktionschefin Gabriele Jakob. In einer Arbeitsgruppe sollen nun die inhaltlichen Details abgestimmt werden, um "in Bälde" (Töpper) die nächsten Schritte einzuleiten. Wie etwa die Kaufpreisbewertung.
Kritische Töne gab es von Georg Brückner (CSU), der keinen großen Fortschritt erkennen mochte: Für ihn hätten die Ergebnisse schon vor der Münchner Runde festgestanden. Bereits 2018 habe es eine Zusage für die Freigabe von 90 Prozent der Flächen gegeben: "Da kann man jetzt nicht erzählen, das Ankerzentrum bremst uns." Man könne bereits jetzt die Planung für das Gesamtgelände anpacken und sie im Laufe der nächsten Jahre bei Bedarf anpassen. Einen vermeintlichen Zeitverzug bei der Konversion hatte die CSU schon beim Landratswahlkampf 2019/20 zum Thema gemacht. Friedel Heckenlauer (CSU) wunderte sich, dass es noch keinen gültigen Flächennutzungsplan für das gesamte Areal gebe.
Landrat witterte Affront aus der CSU
Landrat Töpper wertete die Äußerungen eher als Affront: Er könne nicht den Vorwurf im Raum stehen lassen, "dass Dinge verschleppt" würden. Heckenlauer in einem kräftigen Zwischenruf und später Brückner wiesen zurück, diesen Vorwurf erzeugt zu haben. Sie hätten lediglich Fragen gestellt.
Zum Inhalt: Wie Deubner sagte, gebe es einen Flächennutzungsplan für das Gelände auf Niederwerrner Gemarkung, Geldersheim arbeite an seiner Version, die Stadt Schweinfurt noch nicht. Niederwerrns Bürgermeisterin Bettina Bärmann (Freie Wähler) verwies auf die bislang fehlende Zufahrtsmöglichkeit, weswegen ein Kauf bislang nicht möglich gewesen sei. Ihr ehemaliger Geldersheimer Amtskollege Oliver Brust (Freie Wähler) bemühte ein Bild: "Ich kann doch nicht ein ganzes Hochhaus kaufen, wenn mir das Erdgeschoss nicht gehört."
AfD will Freistaat verklagen
Auch die AfD wünscht sich ein größeres Tempo bei der Konversion und sprach von einer bis zu 25-prozentigen Wertminderung der Grundstücke durch die Existenz des Ankerzentrums. Fraktionschef Bernd Schuhmann schlug vor, wegen des Betriebsendes der Einrichtung den Freistaat zu verklagen. Für Landrat Töpper ist dies keine Option. Er wolle weiterhin konstruktiv und auch kompromissbereit an Ergebnissen arbeiten. Alle anderen Parteien lehnten den AfD-Vorschlag ab.
Die Option, dass der Chiphersteller Intel auf dem Conn-Gelände eine Fabrik bauen könnte, spielte nur am Rande eine Rolle. Zumindest zum Selbstwertgefühl trug sie bei. Mehrere Redner unterstrichen, dass das Areal "in der obersten Liga" mitspielen könne.
"Positiver Spin" zum Schluss
So sorgten dann die beiden Bürgermeister Thomas Hemmerich (Geldersheim, CSU) und Bettina Bärmann für den "positiven Spin", indem sie das gemeinsame Ziel des Gewerbeparks in den Fokus rückten. Bärmann griff gleich ins obere Regal: Die Industrie in Schweinfurt habe die Region durch das 20. Jahrhundert geführt, die Conn-Barracks hätten das Potenzial, sie durch das 21. Jahrhundert zu bringen.
Großer Fachkräftemangel ist ein Ausschlusskriterium für eine Großansiedlung! Die Chancen für die Conn Barracks stehen nicht schlecht.