Die 7-Tage-Inzidenz der Corona-Infektionen in der Stadt Schweinfurt sinkt zwar seit einigen Tagen, ist aber immer noch eine der höchsten in Deutschland. Am Mittwoch betrug die Inzidenz nach den Daten des Robert Koch Instituts 194,7, die sechsthöchste in ganz Deutschland. Von den Lockerungen der Corona-Auflagen wie zum Beispiel in Würzburg oder im Landkreis Bad Kissingen ist die Stadt weit entfernt.
Die Frage, warum die Inzidenz so hoch ist und welche Verantwortung die Stadtverwaltung und das Gesundheitsamt haben, stellte sich der Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung. Mehrere Stunden lang gaben Gesundheitsamts-Leiter Matthias Gehrig, Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) und Ordnungsamtsleiter Jan von Lackum Auskunft. Einige Fragen konnten geklärt werden, doch vieles blieb offen und allzu oft wurde klar, dass der Kommune oftmals auch die Hände gebunden sind, weil man von Entscheidungen des Bundes oder des Freistaates abhängig ist.
Beim Thema Impfen legte Jan von Lackum zum Beispiel den Finger in die Wunde und fand wie jüngst Rhön-Grabfeld-Landrat Thomas Habermann sehr deutliche Worte für die Arbeit des CDU-geführten Bundesgesundheitsministeriums unter Jens Spahn: "Das ist ein Offenbarungseid". Der Grund für diese deutliche Ansage: In den kommenden vier Wochen bis Mitte Juni können im Impfzentrum nur Zweitimpfungen vorgenommen werden, da es schlicht zu wenig Impfstoff gibt, um auch Erstimpfungen durchzuführen.
Wenn die Stadt aber das Impftempo nicht erhöhen kann, weil sie vom Bund nicht genügend Impfstoff bekommt, wird es auch schwierig, die Inzidenz signifikant nach unten zu bringen. Und das wiederum bedeutet, dass die Situation für den Einzelhandel weiterhin sehr problematisch bleibt, da Lockerungen erst bei Inzidenzen unter 150 denkbar sind.
Oberbürgermeister Sebastian Remelé hat mittlerweile an den bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek geschrieben und darum gebeten, dass von Hausarztpraxen nicht abgerufene Impfdosen dem Impfzentrum auf dem Volksfestplatz zur Verfügung gestellt werden.
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Erst kürzlich hatten Landrat Florian Töpper (SPD) und Remelé sich dafür eingesetzt, 3200 Extra-Impfdosen für Stadt und Landkreis zu bekommen. Sie kamen auch, vom Hersteller Johnson und Johnson, bei dem man nur eine Impfung braucht. Das Problem, das Jan von Lackum den Kopf schütteln lässt: "Die bestehende Software des Freistaates kann den Impfstoff nicht verarbeiten".
Probleme bei der Impfstofflieferung "zermürben die Mitarbeiter"
Nun versucht man andere Wege zu gehen, schreibt zum Beispiel Schulen direkt an, um Lehrern über 60 Jahren ein Impfangebot mit Johnson und Johnson zu machen. Man habe seit Monaten mit Problemen bei der Impfstoffbeschaffung zu kämpfen, so von Lackum: "Es zermürbt die Mitarbeiter. Wir wären viel weiter, wenn wir schlicht mehr Impfstoff hätten."
Bezüglich der Corona-Infektionen in der Stadt erklärte von Lackum, nach wie vor "gibt es keinen Infektionsherd, es ist diffus". Er betonte wie auch Oberbürgermeister Sebastian Remelé, die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt sei sehr gut, "es wird hier gute Arbeit geleistet." Von Lackum betonte auch, das Ordnungsamt kontrolliere gezielt und intensiv, was man auch an den Ordnungswidrigkeitsverfahren sehe: Davon gab es seit der Corona-Pandemie gut 2300 nur wegen Verstößen gegen Corona-Auflagen, in einem normalen Jahr sind es rund 550.
Der kommissarische Leiter des Gesundheitsamtes, Matthias Gehrig, bemühte sich sichtlich, ausführlich alle Fragen zu beantworten. Er betonte, es gebe keinen klassischen Hot Spot wie zum Beispiel ein Seniorenheim oder eine Schule, aus der viele Infektionen auf einmal hervorgingen. Es seien alle Stadtteile betroffen. Was man aber sehe, sei ein Schwerpunkt von Infektionen in Mehrfamilienwohnhäusern.
Die Ermittlung von Kontaktpersonen eines Infizierten habe das Gesundheitsamt immer sicherstellen können, so Gehrig. Gleichwohl gebe es auch Fälle, bei denen Infizierte bewusst nicht alle Kontakte preisgeben, da sie ihrem Umfeld die notwendige Quarantäne nicht zumuten wollten. Dem Amt seien da die Hände gebunden, "wir sind auf die Aussagen der Menschen angewiesen."
Gehrig schilderte ausführlich, wie es zu den Software-Pannen und zu niedrig gemeldeten Fallzahlen kam und was das Gesundheitsamt dann tat, um die Probleme zu beheben. Klar ist, dass die Inzidenz nie zu hoch, sondern zu niedrig angegeben war, weswegen sich ohnehin keine Erleichterungen für die Bürger ergeben hätten. Beim Thema Software gilt aber das Gleiche wie beim Thema Impfen, auch wenn Gehrig das nicht so explizit kritisierte wie von Lackum: Versprechungen des bayerischen Gesundheitsministeriums wurden nicht eingelöst.
Deutliche Kritik an der Bundespolitik und Forderung nach mehr Aktivität der Stadt
Sinan Öztürk (Linke) brachte das innerliche Kopfschütteln vieler Stadträte auf den Punkt: "Das ist Dilettantismus der Politik." Er erwarte sich aber nun auch entsprechend deutliche Forderungen der Stadt an die bayerische Politik, was auch SPD-Fraktionsvorsitzender Ralf Hofmann so sieht, der mehr Transparenz und vor allem eine proaktive Anti-Corona-Politik der Stadt forderte. Es gebe sicher andere Städte mit ähnlichen Problemen, von denen man lernen könne.
Dass nicht alles rund läuft im Gesundheitsamt, gestand Matthias Gehrig zu, und es war auch einigen Beispielen insbesondere der CSU-Stadträte Florian Dittert, Maurice Breitkopf und Oliver Schulte zu entnehmen. "Die Glaubwürdigkeit der Verwaltung ist immens gesunken", konstatierte CSU-Rat Rüdiger Köhler, man müsse dringend an der Kommunikation und den Arbeitsabläufen arbeiten.
Dazu wenige Worte: Das Gesundheitsminsiterium in Berlin wird von der CDU geführt, das Gesundheitsministerium in Bayern von der CSU. Im Bezug auf Bayern darf man aber getrost davon ausgehen, dass hier nur einer bestimmt und die Richtung vorgibt. Das ist nicht der Gesundheitsminsiter sondern Herr Söder.
Im September ist Wahl, selbst wenn das Ruder noch herumgerissen werden kann ist das Vertrauen weg. Schade um die vielen Stimmen die ich dieser Partei einst anvertraut hatte.