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Karlstadt
Der lange Weg zum Karlstadter Radverkehrskonzept: Das sagen 7 Beteiligte zum bisherigen Verlauf
Ende Juli will der Karlstadter Stadtrat erneut über das Konzept beraten und möglicherweise einen Beschluss fassen. Einige der geplanten Maßnahmen stoßen jedoch auf Kritik.
Haben sich an der Erstellung des Radverkehrskonzepts in Karlstadt beteiligt: (oben von links) Jürgen Pfister, Dietholf Schröder, Günther Rohm, (unten von links) Kerstin Rudolph, die Karlstadter Polizei sowie Richard Kohlmann und Winfried Gehring.
Foto: Stefanie Koßner,  Sophia Scheder (Archiv), Günther Rohm, Thomas Appel, Marcus Kuntscher | Haben sich an der Erstellung des Radverkehrskonzepts in Karlstadt beteiligt: (oben von links) Jürgen Pfister, Dietholf Schröder, Günther Rohm, (unten von links) Kerstin Rudolph, die Karlstadter Polizei sowie Richard ...
Stefanie Koßner
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:27 Uhr

Bürgerworkshops, eine Online-Befragung und Probephasen – aber noch keine umgesetzten Maßnahmen: Der Weg zum Karlstadter Radverkehrskonzept zieht sich. Das liegt auch an der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger. Bürgermeister Michael Hombach (CSU) betont immer wieder: Bürgerbeteiligung benötige Zeit.

Auch Beschlüsse wurden mehrmals vertagt. Ursprünglich war geplant, im März über erste Maßnahmen abzustimmen, damit diese noch in diesem Jahr umgesetzt werden können. Im Juli vergangenen Jahres gingen die Planer vom zuständigen Büro Brenner-Plan aus Stuttgart sogar von einem abgestimmten Konzept im Herbst 2022 aus.

Auf Nachfrage teilt Uli Heck, geschäftsführender Beamter der Stadt, mit, dass nun alle eingegangenen Vorschläge gesammelt und an das Planungsbüro zur Bewertung weitergeleitet worden seien. "Die geeigneten und möglichen Maßnahmen werden dann mit in das Radverkehrskonzept eingearbeitet." Die Beratung und eine etwaige Beschlussfassung seien für die Sitzung des Stadtrates am 27. Juli vorgesehen.

In der "AG Fahrradfreundlichkeit", die Ende 2020 gegründet wurde, beraten seit Monaten Vertreterinnen und Vertreter der Stadtrats-Fraktionen und Verwaltung, des Stadtmarketings, der Initiative "Karscht Macht Mobil" (KMM), des Seniorenbeirats sowie Polizei und Kreisverkehrswacht über Maßnahmen des Konzepts. Seit März 2023 ist auch die neu gegründete Anwohner-Initiative "Alte Siedlung - Neue Wege" mit dabei.

Regelmäßig diskutiert der Karlstadter Stadtrat über das mittlerweile rund 60 Maßnahmen umfassende Konzept. Doch was sagen die anderen am Prozess Beteiligten zum bisherigen Verlauf? Sind sie mittlerweile ernüchtert – oder ist der Weg für sie nach wie vor der richtige?

1. Jürgen Pfister, Teilnehmer des Bürgerworkshops: Sieht die Prioritäten falsch gesetzt

Jürgen Pfister ist Rentner aus Karlstadt. Er kritisiert, dass bei der Unterführung und der Alten Mainbrücke erst einmal nichts passieren soll.
Foto: Stefanie Koßner | Jürgen Pfister ist Rentner aus Karlstadt. Er kritisiert, dass bei der Unterführung und der Alten Mainbrücke erst einmal nichts passieren soll.

"Ich habe an der ersten Bürgerwerkstatt teilgenommen. Leider hat sich nach einem Jahr für Radler in Karlstadt rein gar nichts verbessert. Dass man ein größeres Konzept braucht, ist sinnvoll. Die Realisierung dauert aber dann zu lange.

Die Stadt sollte das in kleinen Schritten angehen, die wichtigsten Punkte zuerst. Die prekärsten sind aus meiner Sicht die Unterführung am Bahnhof und die Alte Mainbrücke. Beide werden jetzt aber wohl erst einmal nicht berücksichtigt. Wofür bezahlt man eine Beraterfirma? Die völlig unnötigen Barrieren an der Unterführung müssen weg! Ständig bilden sich Staus und Räder mit Anhänger oder Lastenräder haben die größten Schwierigkeiten bei der Durchfahrt. Barrierefreiheit ist hier ein Fremdwort.

Die Fahrt mit dem Rad über die Mainbrücke ist lebensgefährlich. Dass die Planer dafür plädieren, dass hier weiterhin Autos parken dürfen, hat mich geschockt. Sicherer wäre es, wenn die Parkplätze entfallen und ein Radstreifen eingeführt wird. Derzeit fahren viele Radler aus Sicherheitsgründen aber verbotenerweise auf dem Gehsteig. Ich bezweifle, dass die Stadt mit dem nötigen Druck an dem Konzept arbeitet."

2. Dietholf Schröder, Seniorenbeirat Karlstadt: Fordert bessere Verbindung zwischen Kernstadt und Stadtteilen

Dietholf Schröder ist Vorsitzender des Karlstadter Seniorenbeirats. (Archivfoto)
Foto: Sophia Scheder | Dietholf Schröder ist Vorsitzender des Karlstadter Seniorenbeirats. (Archivfoto)

"Ich denke, dass in der Arbeitsgruppe alle Belange gehört wurden. Ich finde gut, dass wir miteinander sprechen und nicht einfach ein Konzept vorgesetzt bekommen. Man hofft natürlich, dass die Verantwortlichen wie Stadtrat und Planer die Vorschläge auch berücksichtigen.

Große Themen für den Seniorenbeirat sind Barrierefreiheit und gegenseitige Rücksichtnahme. Gerade Senioren haben heutzutage viele Möglichkeiten, mobil zu sein. Fahrradwege sollten etwa breit genug sein, damit sich verschiedene Verkehrsteilnehmer wie Rollator-, Rollstuhl-, Radfahrer und Fußgänger begegnen können.

Wir haben dafür plädiert, statt Einbahnstraßen in der Siedlung einen verkehrsberuhigten Bereich einzuführen. Wir wünschen uns hier eine ausreichend breite Zone, in der alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind.

Wir sind vom bisherigen Prozess nicht enttäuscht, weisen aber darauf hin, dass Karlstadt nicht nur aus der Altstadt besteht. Die Anbindung an die Siedlung muss besser werden. Wichtig ist für uns auch die Anbindung der Stadtteile an die Kernstadt – in beide Richtungen. Viele Senioren aus den Stadtteilen haben Angst, dass Parkplätze reduziert werden. Am Mainkai darf kein Stellplatz verschwinden! Und: Die Stadt sollte längere Parkzeiten in der Altstadt akzeptieren."

3. Günther Rohm für die Initiative "Alte Siedlung - Neue Wege": Findet, dass künftig zuerst die Anwohner befragt und dann die Planer beauftragt werden sollten

Günther Rohm ist Sprecher der Initiative 'Alte Siedlung - Neue Wege'. Sie hatte sich wegen der probeweise eingerichteten Einbahnstraßen in der Korb- und Zahnstraße in der Karlstadter Siedlung gegründet. (Archivfoto)
Foto: Corbinian Wildmeister | Günther Rohm ist Sprecher der Initiative "Alte Siedlung - Neue Wege". Sie hatte sich wegen der probeweise eingerichteten Einbahnstraßen in der Korb- und Zahnstraße in der Karlstadter Siedlung gegründet. (Archivfoto)

"Generell bietet uns die Arbeitsgruppe derzeit die einzige Chance, mit Stadtrat und Stadtverwaltung 'andere Sichtweisen' und Details zu diskutieren. Für künftige Schritte, auch unabhängig vom Radfahrkonzept, sollten bereits im Vorfeld Betroffene und Anwohner aktiv eingebunden werden, bevor Geld für ortsfremde Planungsbüros ausgegeben wird.

Es war sehr mühsam, als Anwohner und dann über unsere Bürgerinitiative überhaupt gehört zu werden. Dies war nur mit sehr viel investierter Zeit und gemeinsamer Arbeit möglich. Mit der Erkenntnis der Stadt, dass die Initiative nicht von 'alleine' weggeht, haben wir einen Sitz und eine Stimme in der 'AG Fahrradfreundlichkeit' erhalten. Hier konnten wir unsere konstruktiven Beiträge, Detailbetrachtungen und Ideen diskutieren – und so weiter Gehör finden. Zum Teil mit großer Mehrheit und sogar Zustimmung.

Unser Fazit: Der Aufwand hat sich gelohnt, um immerhin mitreden zu können. Wichtig war vor allem auch die Besprechung von Auswirkungen im Detail und nicht nur der Vorstellungen eines Planungsbüros, das schablonenhaft vorgeht. Wir sind jetzt sehr gespannt auf die Entscheidung."

4. Kerstin Rudolph für die Initiative "Karscht Macht Mobil": Sieht Willen zur Umsetzung wichtiger Maßnahmen noch nicht

Kerstin Rudolph ist Sprecherin der Karlstadter Initiative 'Karscht Macht Mobil' (KMM).
Foto: Thomas Appel  | Kerstin Rudolph ist Sprecherin der Karlstadter Initiative "Karscht Macht Mobil" (KMM).

"Ziele des Radverkehrskonzepts sind, erstens, im Alltag mehr Menschen aufs Rad bringen und zweitens, mehr Sicherheit im Fuß- und Radverkehr und insbesondere die Berücksichtigung vulnerabler Gruppen. Hinsichtlich 'mehr Sicherheit' wurde mit den Maßnahmen, die im Arbeitskreis als priorisiert empfohlen werden, viel erreicht: Der Schulweg wird durch den Umbau der Korbstraße als Einbahnstraße sicherer; die Querungshilfen auf der Bodelschwinghstraße führen zu einer verbesserten Situation.

Die Maßnahme mit dem höchsten Wirkungsgrad für die Kernstadt ist die Schaffung einer fahrradfreundlichen Verbindung Siedlung-Altstadt unter Einbeziehung der Erreichbarkeit der Würzburger Straße. Eine umfassende Neugestaltung der Bodelschwinghstraße mit vorgezogenen Seitenräumen, markierten Park- und Grünflächen und einer durchgängigen Tempo-30-Regelung hätte ebenfalls einen hohen Wirkungsgrad für den Radverkehr.

Wir erkennen den politischen Willen des Stadtrates zur Umsetzung dieser wirkungsstarken Maßnahmen momentan noch nicht, sehen allerdings die Bereitschaft der Stadt, im Arbeitskreis kontinuierlich an der Umsetzung der Maßnahmen zu arbeiten. In jedem Fall unterstützen wir die Verabschiedung des Radverkehrskonzepts als Ganzes durch den Stadtrat."

5. Polizei Karlstadt: Sieht sich als Berater im Prozess

Die Polizisten Andrea Gerner und Stefan Kaiser auf Fahrradstreife in Karlstadt (Archivfoto)
Foto: Marcus Kuntscher | Die Polizisten Andrea Gerner und Stefan Kaiser auf Fahrradstreife in Karlstadt (Archivfoto)

"Die in den letzten Jahren deutlich gestiegene Anzahl der Fahrradnutzer, Pedelecs eingeschlossen, erfordert selbstverständlich eine Verbesserung der Infrastruktur für diese Verkehrsteilnehmer. In der Gesamtschau müssen hierbei der vorhandene Verkehrsraum mit den Wünschen der 'AG Fahrradfreundlichkeit' fair und im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten in Einklang gebracht werden. Die Polizei sieht sich hier als Berater der Gremien und unterstützt gerne bei rechtlichen Fragestellungen." Dies ließ die Polizei Karlstadt über die Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken mitteilen.

6. Richard Kohlmann und Winfried Gehrig, Kreisverkehrswacht: Fehlt die gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr

Richard Kohlmann (links) und Winfried Gehrig von der Kreisverkehrswacht Main-Spessart haben sich bei den Treffen der 'AG Fahrradfreundlichkeit' abgewechselt.
Foto: Stefanie Koßner | Richard Kohlmann (links) und Winfried Gehrig von der Kreisverkehrswacht Main-Spessart haben sich bei den Treffen der "AG Fahrradfreundlichkeit" abgewechselt.

"Wir sind etwas enttäuscht, wie der Prozess bisher gelaufen ist. Gegen das Radkonzept sind wir aber nicht! Manche Maßnahmen wie spezielle Radstreifen sind allerdings nicht für andere Verkehrsteilnehmer geeignet", sagt Fahrlehrer Richard Kohlmann. "Die Verkehrswacht ist für alle Verkehrsarten zuständig, vor allem für die Schwächsten auf der Straße: Kinder und Senioren."

"Beim Radkonzept geht es vor allem um Radfahrer. 80 Prozent davon fahren wie und wo sie wollen", sagt der ehemalige Polizist und Verkehrserzieher Winfried Gehrig. "Etwa auf dem Gehweg auf der Alten Mainbrücke oder entgegen von Einbahnstraßen in der Altstadt. Die Situation in Karlstadt könnte schon durch mehr gegenseitige Rücksichtnahme im Verkehr verbessert werden. Allerdings: Soll etwas in der Straßenverkehrsführung geändert werden, braucht es Platz. Und den haben wir nicht."

Kohlmann: "Die Zahn- und Korbstraße sollen zu Einbahnstraßen werden. Ohne eine Änderung der Bebauung funktioniert das nicht. Bei einer Besprechung der Arbeitsgruppe ist der Bürgermeister massiv zu einer Entscheidung gedrängt worden. Daraufhin ist der Einbahnstraßen-Test gekommen. Viele Anwohner haben sich beschwert, dass der Verkehr so unübersichtlicher werde. Ich verstehe, dass die Radfahrer schnelle Lösungen wollen. Aber ein Umbau geht nicht von heute auf morgen."

 
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  • steffen.cyran@freenet.de
    Bodelschwingh-Straße: es gibt nichts sichereres, als eine breite gut einsehbare Straße, ohne Hindernisse, Buchten, Grünfläche, "Querungshilfen".

    Über Tempo 30 könnte man reden, aber sonst einfach ALLES belassen.
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  • attheendoftheday
    Warum wurden aus den Ortsteilen niemand gehört?
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  • albanwinheim
    Druckfehler: muß heißen Winfried Gehrig
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  • stefanie.kossner@mainpost.de
    Hallo albanwinheim,

    danke für den Hinweis. Der Fehler wurde ausgebessert.

    Beste Grüße aus der Redaktion
    Stefanie Koßner
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  • gitte50
    Als erstes fällt mir auf, dass wir bei soviel engagierten und kompetenten Bürgern kein auswärtiges Planungsbüro für viel Geld benötigen....wie so oft.
    Ich fahre fast täglich mit dem Rad und wohne in der Siedlung und fühle mich mit den Querungshilfen auf der Bodelschwinghstraße nicht wohl. An den Engstellen kann mich kein Auto überholen, es entstehen für mich manchmal gefährliche Situationen.
    Die geplanten Einbahnstraßen muss mein Enkel auf dem Schulweg queren und empfand dies in der Probephase anstrengender, da mehr Verkehrsaufkommen war. Als Radfahrer durfte ich zwar entgegen der Einbahnstraße fahren, war aber mitunter lebensgefährlich, da eine rechts-vor-links Regelung von keinem Autofahrer berücksichtigt wurde und auch kein Autofahrer mit "Gegenverkehr" gerechnet hat.
    Für mich ist es auch unverständlich, wenn eine Mutter mit 2 Kleinkindern und Lastenrad über die vielbefahrene Südbrücke und Bundesstraße fährt, um in die Würzburger Str. zu kommen, über die Schönerstraße geht es auch
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