Eigentlich wollte der Karlstadter Stadtrat Anfang März über fünf priorisierte Maßnahmen des Radverkehrskonzeptes abstimmen und damit erste Tatsachen schaffen. In einer gut besuchten Sondersitzung des Verkehrsausschusses am Donnerstag, die eine Reaktion auf die massive Kritik von Anwohnerinnen und Anwohnern war, ruderte Bürgermeister Michael Hombach (CSU) jedoch zurück: "Aus gegebenem Anlass wird es in der Stadtratssitzung am 2. März noch keinen Beschluss geben. Wir haben noch keine Entscheidungsreife und müssen nochmal beraten."
Das hat auch mit der neu gegründeten Bürgerinitiative (BI) "Alte Siedlung - Neue Wege" zu tun. Dem Stadtrat werde vorgeschlagen, diese in die "AG Fahrradfreundlichkeit" aufzunehmen, um auch diese Stimmen einfließen zu lassen. Darin beraten seit Monaten Vertreterinnen und Vertreter der Stadtrats-Fraktionen und Verwaltung, des Stadtmarketing, der Gruppierung "Karscht Macht Mobil" (KMM), des Seniorenbeirats sowie Polizei und Kreisverkehrswacht über nötige Maßnahmen im Rahmen des gerade entstehenden Radverkehrskonzepts. Mit der neuen BI trifft sich die Verwaltung an diesem Freitag.
Bürgermeister hätte sich schon früher starkes Interesse für das Thema gewünscht
Hombach betonte noch einmal, wie wichtig es der Stadt von Anfang an gewesen sei, die Bevölkerung in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. "Ich freue mich, dass heute so viele Zuhörerinnen und Zuhörer gekommen sind." Jedoch hätte er sich dieses Interesse beim Thema Radfreundlichkeit schon früher in dieser Intensität erhofft, etwa bei den Bürgerwerkstätten.
Für eine Beschlussfassung im Gremium sei die Praxistauglichkeit der Maßnahmen wichtig. Diese werde noch bis 6. März in der Korb- und Zahnstraße mit einer Einbahnstraßenregelung sowie provisorischen Verkehrsinseln in der Bodelschwinghstraße getestet und mit Messungen begleitet. Die Verwaltung habe viel Post dazu erhalten. "Meist sachlich und konstruktiv, zum Teil aber auch unpassend. Die Emotionen waren deutlich zu spüren", so Hombach. Er betonte, dass es sich hier um eine Probephase handele. "Es erschien mir, dass das nicht gehört oder überhört wurde."
Die Stimmung sei bereits vor Beginn "negativ angeheizt" gewesen. Sicher sei: Die Einbahnstraßen werden nicht direkt nach der Probephase kommen. Zuvor seien noch Baumaßnahmen nötig. Dazu später mehr.
Mindestbreiten für Gehwege oder den Begegnungsverkehr sind festgelegt
Dass der Ausbau der Karlstadter Siedlungsstraßen nicht vorrangig mit dem Radverkehrskonzept zu tun hat, sondern auch mit der Schulwegsicherheit sowie der Verbindung mit der Altstadt und wichtigen Einrichtungen, skizzierte Kai-Uwe Brune vom Ordnungsamt. "Wir beginnen in der Vergangenheit."
Die Rückmeldungen hätten deutlich gemacht, dass der Weg der Planungen nicht transparent genug gemacht worden sei. So habe es bereits im Jahr 2010 Überlegungen gegeben, wie die Siedlungsstraßen "fit für das 21. Jahrhundert" gemacht werden können. Brune merkte jedoch an, dass sich seitdem einiges verändert habe, etwa gebe es mehr E-Bikes und ruhenden Verkehr. Dies müsse man berücksichtigen.
Ein damals beauftragtes Planungsbüro habe eine Verkehrserhebung vorgenommen und die Verkehrsströme zu verschiedenen Tageszeiten gemessen. Zudem sei der Straßenbestand kategorisiert worden, etwa die Straßenbreiten. Hier decke sich vieles mit dem Radverkehrskonzept. Daraus könne man ableiten, wie die Hauptverkehrsachsen und Nebenstraßen ausgebaut beziehungsweise für die verschiedenen Verkehrsteilnehmer eingeteilt werden könnten.
Brune: Schulwegsicherheit ist Pflichtaufgabe der Kommune
Ein besonderes Augenmerk legte Brune auf die Schulwegsicherheit: Diese sei eine Pflichtaufgabe der Kommune, er sei schockiert, wie wenig Bewusstsein dafür teilweise herrsche. Mit Blick auf die Korbstraße sagte er, er fände es äußerst bedauerlich und befremdlich, wenn Leute sagen: "Da ist doch noch nie was passiert!"
Die Schulen ballen sich in Karlstadt, in der Siedlung seien zu Stoßzeiten hunderte und sogar tausende Kinder und Jugendliche unterwegs. Diese gelte es zu schützen. Die Wege der Schülerinnen und Schüler sollten deshalb auf die Hauptachsen wie die Korbstraße gelenkt werden. Viele parkende Fahrzeuge würden jedoch die Sicht blockieren und den Weg für Busse erschweren. Umlenken könne man diese aber nicht: Dies würde die Wege für Schüler verlängern und Fahrpläne vollkommen verschieben.
Teilweise wurden die Gehwege schon verbreitert, etwa im Krönleinsweg bis zur Realschule. Auch die aktuellen Probemaßnahmen würden bereits eine "positive Wirkung" zeigen, die Querungshilfen würden durchaus genutzt, so Brune. Auch für breitere Fahrzeuge sei damit noch genug Platz.
Die Breite der Korb- und Zahnstraße erschwert die Planung
Karsten Krajewski, zuständig für die Stadtentwicklung, stellte anschließend die Pläne zum möglichen Ausbau der Korb- und Zahnstraße vor. Beide Straßen sind jeweils rund acht Meter breit. Und genau hier liegt der Knackpunkt: Um sowohl Begegnungsverkehr mit Schulbussen als auch einen breiten Fußweg plus Schutzstreifen und Parkplätzen zu ermöglichen, sei zu wenig Platz. Besonders in der Korbstraße. Hier alle Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen, sei schwer. Deshalb müsse man priorisieren. Bevor aber überhaupt eine Verkehrsregelung eingeführt wird, müssen die Gehwege umgebaut werden.
Eine Gehwegbreite von 2,75 Meter gelte aus Sicherheitsgründen als gesetzt. Und was ist mit dem restlichen Verkehr? Die Verwaltung schlägt vor, das Konzept des Krönleinswegs als Einbahnstraße auf die Korb- und Zahnstraße zu übertragen – mit einem Weg für Fußgänger und Radfahrer im Süden und Parkstreifen im Norden. Dafür müsse die Stadt jedoch vor allem in der Korbstraße von Anwohnern Grund erwerben. Dazu sei nicht jeder bereit, so Krajewski. "Das müssen wir akzeptieren." So müssten allerdings Parkflächen entfallen oder Fahrbahnbreiten reduziert werden.
Krajewski: Ohne Grunderwerb ist in der Korbstraße kein Begegnungsverkehr möglich
Ein Begegnungsverkehr in Kombination mit breiterem Gehweg wäre ohne Grunderwerb allerdings gar nicht möglich. In der Korbstraße wäre dies aus Sicht der Verwaltung zudem zu gefährlich, da dann auf der Nordseite kein Schutzraum für die Bewohner mehr bestünde. In der Zahnstraße könnte die Gehwegbreite reduziert werden, da hier kein Schulweg entlangführt. Hier wäre es also denkbar.
Die Vorteile der Einbahnstraßen laut Krajewski: Sie sind ohne Grunderwerb möglich, regeln den Verkehr, schaffen Übersichtlichkeit und Sicherheit. Zudem sei mit Grunderwerb eine größtmögliche Zahl an Parkplätzen möglich. Jedoch würde sich auch der Verkehr verlagern.
Karscht helau.
Ich bin für Veränderungen und eine endlich fairere und zeitgemäße Neuverteilung des Verkehrsraums.