Nach den jüngsten beiden Niederlagen durfte man sich schon fragen, was die Baskets in der Halbzeitpause so treiben, oder was Trainer Denis Wucherer mit seinen Mannen so anstellt – oder eben auch nicht. Sowohl beim MBC als auch gegen Bayreuth besiegelten die Baskets mit einem reichlich transusigen dritten Viertel letztlich ihre Niederlagen. Am Samstagabend in Gießen durfte man sich gleich zwei Fragen stellen: Was ist vor dem Spiel passiert? Und was, bitteschön, mal wieder in der Pause?
Letztere Frage diesmal freilich aus auf den Kopf gestellten Anlass. Dank einer erheblichen Leistungssteigerung nach einer reichlich desolaten ersten Hälfte, die er mit 35:47 verloren hatte, quälte sich Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg beim Schlusslicht JobStairs Gießen 46ers letztlich noch zu einem 74:73-Erfolg. Der ließ den Abstand auf die beiden Abstiegsplätzen nun auf vier Siege anwachsen. Auch wenn Baskets-Trainer Denis Wucherer den achten Saisonerfolg als "nicht unwichtigen Schritt" bezeichnete - zu feiern war ihm keineswegs zumute: "Gegen jede andere Mannschaft hätten wir heute verloren. Und nicht zu knapp."
Dass ihm der Auftritt der Seinen ziemlich auf den Magen geschlagen hatte und ihn auch kräftig ins Grübeln brachte, konnte man ihm sehr deutlich anhören. "Wir Trainer versuchen ja, die Mannschaft in der Vorbereitung auf so einiges einzustellen, damit wir möglichst stabil in ein Spiel kommen. Aber mit so etwas habe ich wirklich nicht gerechnet." Wucherer lachte ziemlich fassungslos, als er das sagte.
Nach guten 110 Sekunden und einer 4:0-Führung erwiesen die Baskets sich als vorbildlichste Gäste: Sie beschenkten ihre Gastgeber überreichlich und brachten im ersten Viertel das wahrlich nicht einfache Kunststück fertig, das Spielgerät insgesamt acht Mal zum Gegner zu werfen – und sie erlaubten den Hausherren innerhalb von fünf Minuten einen 18:0-Lauf! Die Gastgeber revanchierten sich dann direkt nach der Pause für die Geschenke, als sie sechs Minuten und eine Sekunde lang großzügig darauf verzichteten, auch nur einen Punkt zu machen. Sie gestatteten ihrem Besuch letztlich einen 15:1-Lauf. Wucherer, schonungslos ehrlich: "Insgesamt haben wir ein Spiel von zwei Mannschaften gesehen, die zu Recht dort stehen, wo sie stehen. Gut war das nicht."
Lesen Sie hier: Ein Kommentar zur aktuellen Situation der Baskets.
Bei der Frage, was er denn diesmal in der Pause anders gemacht habe als zuletzt, blieb der 47-Jährige ganz ernst, als er sie auf seine ganz eigene Art beantwortete: "Die Anweisungen waren nach dieser ersten Hälfte ja relativ einfach. Ich habe die Spieler erst einmal daran erinnert, dass wir heute in den weißen Trikots spielen und der Gegner in Rot und sie den Ball demnach möglichst auch zu einem Spieler in einem weißen Trikot passen sollten. Dann habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass man auch zurückrennen darf, wenn man vorne den Ball verliert oder auch mal verwirft. Und letztlich noch darauf hingewiesen, dass man sich in der Eins-zu-eins Verteidigung durchaus auch etwas bemühen könnte."
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Viel schöner und treffender ist die Vorstellung der Würzburger in der ersten Hälfte kaum zu umschreiben. Insgesamt zwölf Mal verloren die Baskets in Halbzeit eins den Ball, die Gießener nur fünf Mal. In der zweiten Hälfte verkehrte sich das Verhältnis dann genau ins Gegenteil, was auch daran lag, dass die Unterfranken "in der Defensive deutlich mehr Intensität hinbekommen und einen vernünftigeren Job gemacht" haben, wie Wucherer sagte.
Zur ganzen Wahrheit dieses Abends, der bei Freunden des gepflegteren Balltangos zumindest phasenweise deren masochistische Ader herausforderte, gehört freilich auch: Obwohl die Baskets die Partie im Schlussviertel in den Griff zu bekommen schienen und auch mal mit sechs Zählern Differenz vorne lagen (70:64), hätten sie es gegen Ende beinahe doch noch verdaddelt, weil "wieder dieser Unsinn begann, den Ball wegzuwerfen", so Wucherer. Durch gänzlich sinnfreie, weil unerzwungene Ballverluste gönnten die Würzburger den Hessen abermals einen Lauf (9:0 zum 73:70). Murphy Holloway und Tyson Ward tüteten in der Schlussminute den Sieg dann ein.
"Uns ist allen ein Stein vom Herzen gefallen, nachdem wir uns noch einmal gefangen und das Ding in der zweiten Halbzeit nach Hause geschaukelt haben. Wir können sehr glücklich sein, dass es nach so einer ersten Hälfte noch gereicht hat", sagte Florian Koch, mit 13 Punkten gemeinsam mit Ward und hinter Cameron Hunt (18 Zähler) zweitbester Würzburger Werfer. Der 28-jährige sorgte in der ersten Halbzeit gemeinsam mit Joshua Obiesie (sieben Punkte) zumindest dafür, dass der Rückstand nicht völlig aussichtslos hoch wurde, die beiden hielten die Baskets zumindest halbwegs im Spiel. Obiesie, der momentan vor allem offensiv Eindruck macht, fiel dann aber Wucherers Taktik in Hälfte zwei zum Opfer: "Nach so einer Halbzeit muss man die Rotation kürzen" – was seinem Trainer auch "ein bisschen Leid tat". Er stellte in Aussicht, dem 20-Jährigen am Dienstag gegen Ludwigsburg (20.30 Uhr) wieder mehr als die zehneinhalb Minuten in Gießen zu gönnen.
"Wir wussten, wie wichtig dieses Spiel ist, nachdem jetzt wieder schwere Gegner kommen und der Spielplan in den letzten Wochen der Saison sehr eng wird", meinte Koch noch. Dass in Gießen sehr viel auf dem Spiel stand und die Akteure beider Teams deshalb den schmalen Grat von leidenschaftlichem Kampf zu ungeschicktem Krampf häufiger als nötig überschritten, konnten auch Menschen mit mittelprächtiger Sehbehinderung problemlos erkennen. Während also Gießens Aufstiegstrainer dafür sorgte, dass bei seinen ehemaligen Arbeitgeber die Bundesliga-Lichter abermals erheblich heruntergedimmt wurden, geht es für seinen aktuellen nun darum: "Wir müssen einfach nur schauen", meinte Wucherer, "dass wir irgendwie und irgendwo noch ein, zwei Spiele gewinnen."