Es war ganz bestimmt die Szene dieses Spiels, und womöglich wird es auch die Szene der Saison, jedenfalls für die Bundesliga-Basketballer von s.Oliver Würzburg: Fünfeinhalb Minuten sind im dritten Viertel in Ludwigsburg gespielt, die Baskets haben sich angeschickt, mit einer ebenso unerwarteten wie furiosen Aufholjagd ein zur Pause eigentlich bereits entschiedenes Spiel wieder zumindest offen zu gestalten. Baskets-Kapitän Felix Hoffmann tippt den Ball unterm eigenen Korb zur Seite. Die Kugel fliegt in Richtung Außenlinie. Und bei seinem Versuch, das Gerät im Spiel zu halten, stürzt der 31-Jährige über die Seitenbande seinen Teamkollegen vor die Füße. Der Ball bleibt im Spiel. Die Baskets starten einen neuen Angriff.
Hoffmann, der vom Baskets-Anhang "Würzburg Warrior" getauft wurde, Krieger also, erhebt sich und rennt - wie von einer Tarantel gebissen - zwischen Bande und Bankspielern zurück aufs Feld. Würzburg ist noch immer im Angriff. Hoffmann kreuzt das Feld einmal unter des Gegners Korb und steht auf der rechten Seite dann plötzlich mutterseelenalleine. Er bekommt den Ball. Mit seinem Dreier bringt der Kapitän seine Mannschaft wieder auf zwei Punkte heran (51:53) und erhöht den Lauf, den sein Team in den vorangegangenen viereinhalb Minuten hingelegt hat, auf 17:2 (oder 15:0, je nachdem). Sofort nimmt der Gegner eine Auszeit.
Leidenschaft, die Leiden schafft
Das für die Baskets ziemlich bittere Ende dieser Geschichte: All die Leidenschaft, die in diesem Fall auch Leiden schuf (Hoffmann verletzte sich bei seinem Sturz an der Hand und musste dann noch schnell mit sechs Stichen genäht werden), half letztlich nicht. Und all die Hoffnung, die sich die Baskets in jenen gut vier Minuten nach der Halbzeit wieder erkämpft hatten, zerstob ziemlich schnell wieder. Weil der Kontrahent - summa summarum jedenfalls - halt doch in einer etwas anderen Liga beheimatet ist, obwohl die sonntäglichen Gegner in einer Klasse spielen.
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Beim 72:87 (34:51) beim aktuellen Tabellenführer und Vizemeister MHP Riesen Ludwigsburg hatte Basketball-Bundesligist s.Oliver Würzburg letztlich über weite Strecken, vor allem in der ersten Halbzeit, nicht wirklich eine reelle Chance, im neunten Saisonspiel den vierten Sieg einzufahren. Dazu war die Überlegenheit der Hausherren vor allem in den ersten 20 Minuten und den letzten zehn einfach zu groß.
Treffen alter Bekannter
Es war auch ein Treffen zahlreicher alter Bekannter: So viel Wiedersehen auf einen Haufen wie an diesem Sonntag gibt's nicht aller Tage. Gefreut haben sich dann aber erwartungsgemäß nicht die drei Würzburger, die schon mal in Ludwigsburg ihre Brötchen verdienten, sondern zwei Ludwigsburger, die in Würzburger Diensten standen: Trainer John Patrick und Jordan Hulls, der neun Punkte warf. Für Co-Trainer Steven Key, der bei den Riesen der Vorgänger Patricks war, sowie Justin Sears und Florian Koch war die kurze Dienstreise nach Schwaben letztlich unbefriedigend und unerquicklich. Als die Würzburger mit 17 Zählern Rückstand in die Pause gingen, konnte man eigentlich guten Gewissens annehmen, dass diese Nachweihnachtsmesse gelesen war.
"Ludwigsburg spielt sehr physisch und gibt wenig Räume. Wir sind in der ersten Halbzeit sehr langsam aus der Kabine gekommen und haben zu lange gebraucht, um zu verstehen, wie Ludwigsburg spielt", meinte Florian Koch, der bemängelte, dass die Baskets die Kugel nicht cleverer durch die eigenen Reihen tanzen ließen. "Während unseres Runs haben wir das dann sehr gut gemacht, aber insgesamt war die Ballbewegung nicht genug genug, um sie heute zu schlagen."
Es fehlt an Physis und Cleverness
Physis war das Wort, das beim Analysieren dieser 40 Minuten an diesem frühen Abend dann wohl am häufigsten gebraucht wurde. Auch Baskets-Trainer Denis Wucherer bemühte es mehrfach: "In der ersten Hälfte waren wir nicht bereit, auf dem physischen Niveau zu agieren, wie das Ludwigsburg bekanntermaßen schon seit Jahren tut. Gegen diese Physis und gegen die anderen Maßstäbe, die die Schiedsrichter bei Ludwigsburg im Vergleich zu anderen Mannschaften ansetzen, hast du dann keine Chance", meinte der 47-Jährige, der freilich auch zu gut weiß, dass - manch obskuren Pfiffen zum Trotz - die Referees bestimmt nicht die Alleinschuldigen an der sechsten Saisonniederlage waren.
In der zweiten Halbzeit haben sich die Baskets dann "deutlich besser gewehrt und selbst so hart gespielt, wie man es gegen Ludwigsburg machen muss", erkannte Wucherer: "Wenn man Physis mitbringt und den Ball gut bewegt, dann kann man auch gegen Ludwigsburg gut aussehen." Was die Gäste zumindest gut zehn Minuten lang taten. "Da waren wir auf Augenhöhe. Das musst du aber halt über 40 Minuten bringen, wenn du eine Chance auf den Sieg haben willst", sagte Wucherer: "Dazu fehlte uns dann letztlich die Cleverness und Abgeklärtheit." Und letztlich auch die individuelle Klasse.
Jahresauftakt gegen den Überraschungszweiten Crailsheim
Für die Vorstellung der Seinen in der ersten Halbzeit fand Wucherer ein nettes Bild, das das Geschehen ziemlich gut veranschaulicht: An ein "Reh im Scheinwerferlicht" fühlte der Baskets-Coach sich da erinnert. Er hätte auch den Vergleich mit dem Kaninchen, das vor der Schlange erstarrt, wählen können. Der Trainer hofft jedenfalls, dass seine Mannschaft zumindest aus der zweiten Hälfte lernt und, wenn sie das tut, demnächst wieder einen kleinen Schritt vorankommt.
Im nächsten Jahr dann, wenn die erste Aufgabe gegen den aktuellen Überraschungszweiten Crailsheim (Sonntag, 3. Januar, 15 Uhr) auch nicht viel leichter wird als in der letzten Begegnung des ersten Corona-Jahres.