Beim Korbball bilden die Frauen das starke Geschlecht. Der Mannschaftssport ist hierzulande eine rein weibliche Domäne. Stephanie Lutz aus Ettleben (Lkr. Schweinfurt) spielt mit ihrem Heimatverein seit über 15 Jahren in der Bundesliga. Im Interview erklärt die 37-Jährige, warum es beim Korbball mit einer Körpergröße von 1,78 Metern kritisch wird, wie sich in der Sauna tricksen lässt, um ein Spielverbot zu verhindern, und weshalb sie mit ihrer Mannschaft durch die halbe Republik fährt, um sich mit dem Nachbardorf zu duellieren.
Stephanie Lutz: Der Fußballtrainer des TSV Ettleben/Werneck, Mario Schindler. Mein Mann Michael trainiert die zweite Mannschaft. Die beiden arbeiten eng zusammen und verstehen sich gut. Deshalb treffen sich unsere Familien auch abseits des Sports. Fußball ist dann trotzdem ein Gesprächsthema.
Lutz: Letztes Jahr vor der deutschen Meisterschaft hat er uns Laufübungen gezeigt. Korbballspezifische Dinge haben wir nicht mit ihm gemacht. Ich hatte das angeregt, damit wir einen neuen Trainingsimpuls bekommen. Den Spielerinnen hat es gefallen.
Lutz: Ich spiele Korbball, seit ich sechs Jahre alt bin. Immer beim TSV Ettleben. Es ist nicht wie beim Fußball, dass die Spielerinnen ständig von einem Verein zum anderen wechseln und abgeworben werden, sondern in der Regel in ihrem Heimatort aktiv sind. Als Linkshänderin habe ich immer auf links gespielt, in der Ecke oder auf der Halbposition. Lediglich zur Geburt meiner zwei Kinder habe ich jeweils ein Jahr pausiert.
Lutz: Mit 37 Jahren bin ich die Älteste in der Mannschaft, aber es gibt in der Bundesliga Spielerinnen, die noch älter sind. Irgendwann wird es schwierig, in der höchsten Klasse mitzuhalten. Die Reaktionsschnelligkeit lässt nach. Das spüre ich besonders, nachdem ich mir voriges Jahr bei der deutschen Meisterschaft einen Bänderriss zugezogen hatte. Dadurch habe ich Fitness eingebüßt. Um wieder auf mein früheres Leistungsniveau zu kommen, müsste ich individuell trainieren. Dafür fehlt mir als zweifacher Mutter die Zeit. Diese Saison wird wahrscheinlich meine letzte in der Bundesliga sein. Aufhören werde ich aber nicht, sondern in unserer zweiten Mannschaft mit etwas weniger Druck in der Bezirksliga weiterspielen.
Lutz: Korbball ist kein körperbetonter Sport. Daher kommt es nur vereinzelt zu Bänderverletzungen am Fuß oder im Knie oder zu Blessuren an den Fingern. Bis auf den Bänderriss im letzten Jahr hatte ich in meiner ganzen Laufbahn zum Glück nichts Schwerwiegendes.
Lutz: Das ist ein Spagat. Sonst würde es nicht funktionieren, um abends die Kinder – der Große ist sieben, die Kleine drei – zu betreuen. Mein Mann ist Dienstag und Donnerstag beim Training, ich am Mittwoch und Freitag. Sonntags finden jeweils die Spiele statt. Wobei ich am Montag noch das Kinderturnen leite. Man sieht sich also nicht viel.
Lutz: Ich bin gelernte Industriekauffrau und arbeite halbtags im Büro als Assistentin in der Entwicklungsabteilung bei einem Unternehmen der Schweinfurter Großindustrie.
Lutz: Korbball ist ein Sport, mit dem viele nichts anfangen können. Auf der Arbeit musste ich das Spiel ausführlicher erklären, damit die Leute wissen, worum es geht. Wer Bundesliga hört, ist erst einmal erstaunt. Das relativiert sich, wenn sich sage, wie wenige Mannschaften es in Deutschland gibt und dass es ein reines Hobby ist, mit dem sich kein Geld verdienen lässt. Ich fühle mich dennoch nicht als Exotin, da Korbball in und um Schweinfurt eine Hochburg ist.
Lutz: Wir spielen seit 2006 ununterbrochen in der Bundesliga. 2009 haben wir uns zum ersten Mal für die Endrunde um die deutsche Meisterschaft qualifiziert und den vierten Platz belegt. Anders als in der Halle ist im Freien die Landesliga die höchste Spielklasse, in der wir ebenfalls erfolgreich sind, so dass ich sechsmal am Gewinn der bayerischen Meisterschaft beteiligt war. Letztes Jahr sind wir bei der deutschen Meisterschaft erneut Vierter geworden. Auch wenn ich wegen meiner frühen Verletzung nur fünf Minuten auf dem Feld stand, war es ein emotionales und unvergessliches Wochenende. Wir sind als Mannschaft zusammengewachsen und haben uns durch das Pech unserer Korbhüterin nicht beirren lassen. Beim Vermessen zu Beginn des Turniers war sie größer als die erlaubten 1,78 Meter, so dass wir mit unserer Ersatzkorbfrau spielen mussten.
Lutz: Dass unsere Korbhüterin über dem Limit lag, hat uns selbst überrascht. Als sie vor der Saison vermessen wurde, gab es kein Problem mit der Körperlänge, auch wenn sie nah an der Grenze war. Aber die Größe kann schwanken – je nachdem, ob morgens oder abends Maß genommen wird und wie viel die Spielerin getrunken hat. Mit Tricks wie Treppensteigen, Seilspringen oder einem Gang in die Sauna lässt sich das Messergebnis nach unten korrigieren.
Lutz: Das führt dazu, dass wir 350 Kilometer zu einem Auswärtsspieltag fahren, um gegen unseren Nachbarverein SV Schraudenbach zu spielen. Und weil es nicht genug Schiedsrichter gibt, pfeifen Trainer und Spielerinnen der anderen Bundesligisten die Begegnungen. Das ist kurios.
Lutz: Mein Pass geht zum Fußball, und zwar an Daniel Tomitza, den Mann meiner Schwägerin. Er hat derzeit keinen Verein, ist aber als Spieler und Trainer viel herumgekommen und hat auch in höheren Ligen Erfahrung gesammelt, etwa beim 1. FC Nürnberg.
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