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Fußball: Steilpass
Schiedsrichter Thomas Stein: "Am Ende des Tages ist es nur Fußball"
Für Gerechtigkeit sorgen - das spornt Thomas Stein auch als Video-Assistent in der Bundesliga und Polizist an. Wie er mit Fan-Aggressionen und Fehlentscheidungen umgeht.
Im Juli leitete Schiedsrichter Thomas Stein die Regionalliga-Partie zwischen dem FC Würzburger Kickers und dem FC Pipinsried.
Foto: foto2press/Frank Scheuring | Im Juli leitete Schiedsrichter Thomas Stein die Regionalliga-Partie zwischen dem FC Würzburger Kickers und dem FC Pipinsried.
Carolin Münzel
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:19 Uhr

13 Jahre war Thomas Stein alt, als er an einem Neulingslehrgang teilnahm, seitdem ist der heute 40-Jährige der Schiedsrichterei treu geblieben. Der Kriminalhauptkommissar pfeift nicht nur in der Fußball-Regionalliga, sondern ist als Vierter Offizieller in der Bundesliga sowie als zusätzlicher Video-Assistent (AVAR) im Kölner Keller im Einsatz. In unserem Interview-Format "Steilpass" erzählt der junge Vater, was ihn an seinem Beruf so fasziniert, wie er mit Druck umgeht und was die Arbeit als Schiedsrichter mit der bei der Polizei gemeinsam hat.

Frage: Wer hat Sie angespielt?

Thomas Stein: Das war BFV-Vizepräsident Jürgen Pfau. Wir waren früher gemeinsam auf Schiedsrichter-Lehrgängen, und darüber hinaus verbindet uns der Beruf. Er ist wie ich bei der Polizei. Das sind unsere Schnittstellen. Vielleicht hat er sich deshalb an mich erinnert. (lacht)

Wie war Ihr Laufweg?

Stein: Ausschlaggebend für mein Interesse am Schiedsrichterwesen war die Fußball-Weltmeisterschaft 1994 in den USA. Da haben die Unparteiischen erstmals nicht nur Schwarz getragen, sondern hatten farbige Trikots an und sind mir so zum ersten Mal ins Auge gesprungen. Mein damaliger Abteilungsleiter beim TSV Homburg hat mein Interesse mitbekommen und mich prompt für einen Neulingslehrgang angemeldet. Es gab schon damals nicht besonders viele Menschen, die freiwillig Schiedsrichter werden wollten.

Ihnen hat es aber gleich gefallen?

Stein: Ja. Obwohl es natürlich gerade in der Jugend nicht einfach war. Ich habe mit 13 Jahren angefangen. Da ist man noch nicht ausgewachsen. Es ist eine Herausforderung, wenn man zum Beispiel ein A-Jugend-Spiel pfeift, alle größer und älter sind als man selbst und einen vielleicht auch nicht so ernst nehmen. Das hat mich schon geprägt – im positiven Sinne. Ich habe gelernt, mich durchzusetzen.

Was hat Sie motiviert, bei der Stange zu bleiben?

Stein: (überlegt) Sie müssen mal selbst auf den Platz und das herausfinden. Man kann das immer schwierig beschreiben. Es ist eine Kunst und eine Herausforderung zugleich, so ein Spiel bis zum Ende in sichere Bahnen zu lenken. Es gilt, mit 22 verschiedenen Charakteren klarzukommen, jeder reagiert anders auf einen. Das ist immer wieder aufs Neue spannend.

Macht es in Zeiten zunehmender Fan-Aggressionen noch Spaß, als Schiedsrichter zu arbeiten?

Stein: Mit Aggressionen hatte ich bisher nur einen großen Berührungspunkt. 2014 bin ich bei einem Zweitliga-Spiel in Cottbus von einem Feuerzeug am Kopf getroffen worden und k.o. gegangen. Das war aber bisher das einzig richtig negative Erlebnis in meiner Zeit als Schiedsrichter. Ansonsten verbinde ich mit Fußball eher Spaß und Freude – und mittlerweile natürlich einen zweiten Beruf.

2021 haben Sie sich die Patellasehne gerissen. Wie mühsam war der Weg zurück auf den Rasen?

Stein: Es hat ein dreiviertel Jahr gedauert, bis ich wieder richtig fit war und in den Profi-Fußball zurückkehren konnte. Gerade in meinem Alter ist es verdammt hart, sich aus so einem Tief rauszukämpfen. Gott sei Dank hatte ich diesen Ehrgeiz und Willen. Vor allem, weil ich dachte, so kann ich nicht abtreten. Das war ein harter, steiniger Weg, mit zwei Operationen und jeden Tag unter der Woche Physiotherapie – ein halbes Jahr lang. Das war kein Zuckerschlecken. Aber als ich das erste Mal wieder auf dem Platz stand, da wusste ich, dass sich die Tortur gelohnt hat.

Haben Sie Präferenzen, wie Sie eingesetzt werden?

Stein: Jeder Part hat seinen eigenen Reiz. In der Schlechtwetter-Zeit ist es schön, wenn man im warmen Video-Assistant-Center (VAC) sitzt. Aber letztendlich liegt die Wahrheit auf dem Platz. (lacht) Selbst bestimmen, wie man eingesetzt wird, kann man ohnehin nicht, man wird eingeteilt. Das ist ja immer das Spannende, wenn die Ansetzungs-E-Mail kommt und man erfährt, wo man als nächstes im Einsatz sein wird und in welcher Funktion.

Gerade in der Bundesliga kann eine Schiedsrichter-Fehlentscheidung hohe Wellen schlagen und auch gut und gerne mal eine Woche diskutiert werden. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?

Stein: Ich versuche, den Druck zu relativieren. Am Ende des Tages ist es nur Fußball, und wenn man momentan in die Welt schaut, gibt es ganz andere Dinge, die einen ernsthaft beschäftigen müssten. Wenn man das in Relation setzt, dann weiß man, am Ende des Tages bleibt der Kopf immer drauf – auch bei einer Fehlentscheidung. Was mir außerdem während des Spiels hilft, sind Gedanken an meine Familie, an meine Frau und meinen kleinen Sohn. Das sind meine Methoden, um Druck abzubauen und Stress zu mindern.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Ihren Berufen als Polizist und als Schiedsrichter?

Stein: Ja. Etwa das Thema Gerechtigkeit. Ich habe einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Deswegen bin ich zur Polizei gegangen. Als Schiedsrichter sorgt man auch für Gerechtigkeit. Der Unterschied ist, dass ich als Unparteiischer für Vergehen gleich Sanktionen ausspreche, das mache ich als Polizist nicht. Ich ermittle in meinen Fällen bei der Kripo stets be- und entlastend. Die Anklage vertritt die Staatsanwaltschaft, und das Urteil spricht das Gericht.

In welchem Bereich arbeiten Sie bei der Kripo?

Stein: Ich bin im Wirtschaftskommissariat in Aschaffenburg für Wirtschafts-, Vermögens- und Internetdelikte zuständig. Das ist mit dem Fußball, der viel Zeit einnimmt, gut vereinbar, weil ich mir die Arbeit einteilen kann. Ich arbeite 75 Prozent. Der Montag ist in der Regel mein freier Tag, damit ich nach dem Fußball-Wochenende erst mal durchschnaufen kann.

Wen spielen Sie an?

Stein: Abteilungsleiter Karl Dengel von meinem Heimatverein TSV Viktoria Homburg. Vergangene Saison hat er mit „seiner“ 1. Mannschaft sensationell den Aufstieg in die Kreisliga geschafft. Er managt ein Baustoffunternehmen und leistet seit zwei Jahrzehnten unglaublich viel im Ehrenamt. Er kann das Zuspiel sicher gut verwerten.

Das Interview-Format "Steilpass"

In unserem Interview-Format "Steilpass" übernehmen die Interviewten die Regie. Am Ende des Gespräches dürfen sie entscheiden, wer als nächstes an der Reihe ist, von uns befragt zu werden – sie spielen also den nächsten Protagonisten oder die nächste Protagonistin an.
Quelle: cam
 
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