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Steilpass-Serie
Ultraläufer Christoph Hoffmann: Wie er sich auf 100 Kilometern Laufstrecke die Zeit vertreibt
Im Steilpass-Interview spricht Hoffmann über seine Laufkarriere und die Begeisterung für das Ehrenamt. Außerdem erklärt der Würzburger, wie und wo Inklusion funktioniert.
Christoph Hoffmann präsentiert eine kleine Auswahl seiner gewonnen Trophäen und Medaillen.
Foto: Patty Varasano | Christoph Hoffmann präsentiert eine kleine Auswahl seiner gewonnen Trophäen und Medaillen.
Tim Eisenberger
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:48 Uhr

Trotz seiner mittlerweile 70 Jahre kommt Christoph Hoffmann noch lange nicht zur Ruhe. Der ehemalige Förderschullehrer ist unter anderem Präsident des Verbands Würzburger Sportvereine, war drei Jahrzehnte lang Vorsitzender der Laufgemeinschaft Würzburg und ist Kreisvorsitzender bei der Bayerischen Sportjugend. Außerdem liegt ihm von Berufs wegen die Inklusion von Menschen mit Behinderung am Herzen. Im Steilpass-Interview spricht Hoffmann über seine aktive Laufbahn, die Lust am Ehrenamt und worüber er auf langen Läufen so nachdenkt.

Wer hat Sie angespielt?

Christoph Hoffmann: Angespielt hat mich Georg Harbauer. Wir kennen uns durch zufällige Treffen bei separaten Skikursen schon lange. Er ist Mitglied und Übungsleiter in der Laufgemeinschaft (LG) Würzburg und hat mit mir zusammen zwei Inklusionsprojekte auf den Weg gebracht, die seit einigen Jahren erfolgreich laufen.

Wie war Ihr Laufweg?

Hoffmann: Mein "Laufweg" begann 1980. Als Studenten begaben wir uns, um fit zu bleiben, jeden Sonntag in den Guttenberger Forst. Als "Uni Würzburg" wagten wir uns dann mutig an einen Waldlauf über 15 Kilometer in Aschaffenburg und gewannen überraschend die Mannschaftswertung. Daraufhin gründeten wir mit sieben Personen die LG. Die Mitgliederzahl stieg an, parallel zur Länge der Laufstrecken. Marathon wurde unsere Spezialität. Daraus entwickelte sich die Ultralauf-Abteilung, die jetzt Verbandsstützpunkt ist. Aus dieser äußerst erfolgreichen Abteilung gingen bisher 180 deutsche Meistertitel sowie mehrere Europa- und Weltmeister hervor. Auf anderer Ebene organisierten wir als veranstaltender Verein 20 Läufe "Rund um den Schenkenturm", 20 Mal das "Sanderrasen-Läufermeeting", neunmal den "Gedächtnislauf" und sind seit sechs Jahren im Organisationsteam des Würzburger Residenzlaufs. Darüber hinaus pflegen wir seit 1986 regelmäßig Kontakte und Freundschaften zu Würzburgs Partnerstädten Caen, Dundee, Umea Bray, Rochester, Otsu und Trutnov.

Was macht die Karriere neben der Karriere?

Hoffmann: Als Förderschullehrer verbrachte ich 36 Berufsjahre im Blindeninstitut. Als Sportler und ausgebildeter Sportlehrer widmete ich mich intensiv den Bewegungsmöglichkeiten blinder, seh- und mehrfachgeschädigter Kinder. In der Graf-zu-Bentheim-Schule hatte ich die Freiheit, alles ausprobieren zu können, was als Wunsch meiner Schützlinge an mich herangetragen wurde. Die Sportarten waren vielfältig und reichten von Rhönradturnen, Trampolinspringen, Gehen und Laufen bis hin zum Segeln, Skilanglaufen, Kajakfahren und Blindenfußball.

Als Vorsitzender der Sportjugend, des Vitalsportvereins und der LG nutzte ich die Möglichkeiten, auf gemeinsame Erlebnisse behinderter und nicht behinderter junger Menschen hinzuarbeiten. Momentan gibt es mit dem "Sportlichen Gehen", dem Skilanglauf und dem Kajakfahren drei etablierte Inklusionsprojekte, die von der Stadt Würzburg vorbehaltlos unterstützt werden. Während dieses Interviews sind wir zum Beispiel mit Georg Harbauer und der Kajakgruppe im slowenischen Bovec auf dem Fluss Soca unterwegs.

Als Ultraläufer sind Sie teilweise Strecken von über 60 Kilometern gelaufen. War Ihnen dabei manchmal langweilig? Worüber haben Sie nachgedacht oder waren Sie so fokussiert auf die Strecke?

Hoffmann: Bei den langen Laufstunden muss ich zwischen Straßenläufen wie der 100-Kilometer-Meisterschaft und Ultra-Trail-Läufen im Gelände unterscheiden. Zehn Asphaltrunden von jeweils zehn Kilometern werden nur über den Kopf entschieden. Die Eintönigkeit sich wiederholender Strecken bekämpft man mit laufenden Hochrechnungen der Geschwindigkeit plus zu erwartender Endzeit, dem Beobachten von Konkurrenten und dem Herbeisehnen vereinseigener Betreuer an den Verpflegungsständen.

Im oft bergigen Gelände sind Tempoberechnungen nutzlos. Auch die Konkurrenz ist kein Thema – man läuft nur gegen sich selbst. Versucht, das Tempo so zu dosieren, um das Ziel wohlbehalten zu erreichen. Unterwegs erfreut man sich der umgebenden Natur und den gelegentlichen Gesprächen mit anderen Teilnehmern. Wenn bei deutschen Meisterschaften bekannte Konkurrenten am Anfang vorbeiziehen, ist das kein Ding: Entweder ist er heute besser oder ich krieg' ihn sowieso noch auf dem letzten Streckenviertel! Man läuft viel entspannter.

Was würden Sie als Ihren größten sportlichen Erfolg bezeichnen?

Hoffmann: Der Titel als Vize-Europmeister im 100-Kilometer-Lauf in siebeneinhalb Stunden mag es wohl sein. Aber höher bewerte ich meine drei Europacup-Siege im Ultra-Trail-Lauf. Da ist nicht nur ein Lauf ausschlaggebend, sondern mehrere Läufe über 50, 75 und 100 Kilometer übers Jahr in ganz Europa.

Sie haben ja wirklich eine Menge Ehrenämter inne. Können Sie einfach schlecht Nein sagen, wenn Sie gebeten werden, etwas zu übernehmen? 

Hoffmann: Meine Ehrenämter haben sich alle aus meinem sportlichen Ehrgeiz, kombiniert mit meiner beruflichen Tätigkeit ergeben, weil sich im Laufe der Zeit immer mehr Möglichkeiten ergaben, Projekte zu erhalten oder neue aufzubauen. Im bekannten Metier zu bleiben, ist kein großer Aufwand oder Stress, wenn man es gerne macht. Ja zu sagen zum Ehrenamt, fiel mir daher nie schwer. Es bereicherte eher meinen Lebensweg und brachte viele Freunde rund um die Welt. Im Inklusionsbereich konnte ich Menschen sportlich und sozial unterstützen, die mir schon als Lehrer am Herzen lagen und von denen man auch sehr viel zurückbekommt.

Sie setzen sich auch sehr für die Inklusion ein. Was muss in Deutschland bei der Inklusion noch verbessert werden?

Hoffmann: Zur Inklusion muss ich zwei Dinge unterscheiden: lokal und deutschlandweit. In Würzburg ist Inklusion im sportlichen Bereich vorbildlich angekommen. Der Fachbereich Sport hat dafür einen festen Jahresetat sowie einen zweiten zum Aufbau von Inklusionsgruppen, wo Ausbildungen der Übungsleiter und notwendige Gerätekäufe finanziert werden. Der Residenzlauf glänzt landesweit durch seinen "No-Limits-Lauf" für alle Handicap-Arten.

Mit der Sport-Uni und vielen prominenten Paralympics-Teilnehmern wird das große "No-Limits- Sportfest" organisiert. Und Annette Wolz' Kinderturnen führt zahlreiche Kids in Inklusionsgruppen zum "Seepferdchen" – zumindest so lange sie noch Bäder in Würzburg findet. Das ist momentan der einzige große Kritikpunkt.

Deutschlandweit tut der Behindertensportverband viel zu wenig für seine Mitglieder. Finanziell wird hauptsächlich nur der Paralympics-Kader gefördert. Der Normalbetrieb hat wenig Aussicht auf Unterstützung. Hervorzuheben ist jedoch der bayerische Verband, der ein eigenes Ressort im Präsidium installiert hat. Von dort wurde erstmalig 2022 unsere inklusive Skiwoche in Ruhpolding finanziell unterstützt.

Wen spielen Sie an?

Hoffmann: Mein Steilpass geht weiter an Dr. Rainer Wilfried Koch. Mich fasziniert zum einem sein beruflicher Werdegang über die Fachhochschule zum Doktortitel in der Robotik, wo er zurzeit Roboter mitentwickelt, die in Krisensituationen wie Waldbränden oder Überschwemmungen, die für den Menschen gefährlich sind, aktiviert werden. Sportlich bewundere ich seine Muskelstruktur, die ihm wochenlange Etappenläufe durch Länder und Kontinente ermöglicht.

Steilpass-Serie

Alle zwei Wochen stellen wir in dieser Serie einen Sportler oder eine Sportlerin aus der Region vor. Beim "Steilpass" sind immer die ersten zwei Fragen und die letzte Frage gleich.
Das Besondere: Nicht wir bestimmen, wer angespielt wird, sondern der vorherige Kandidat oder die Kandidatin spielt den Ball steil – quer durch verschiedene Sportarten und unser Verbreitungsgebiet. Wir hoffen, dadurch spannende Querverbindungen im unterfränkischen Sport zu finden.
Quelle: tei
 
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